Till
Nach einem guten halben Jahr hatten wir eine Klasse gefunden, die uns bekleiden sollte.
Mit der Klasse waren wir alle einverstanden. Hätte ich zugestimmt, wenn wir eine Klassenliste hätten mit den Namen?
Das wussten nur die Sterne.
Mittlerweile konnte ich nachts wieder schlafen, manchmal.
Ich hatte mich daran gewöhnt, dass sie nicht mehr da war, ich musste damit klarkommen ob ich wollte oder nicht.
Zufrieden zog ich die Reißverschlüsse des Koffers zu.
Jetzt ging es erstmal für zwei Wochen nach Afrika, wo das Video zu Ausländer entstehen sollte.
Hoffentlich lenkte mich die Arbeit ab. Heulend startete der Motor, nachdem ich die Kupplung durchgetreten hatte und den Schlüssel umgedreht hatte.
Automatik Autos waren einfach nichts für mich. Mit dröhnendem Motor fuhr ich durch den dichten Verkehr der Berliner Straßen, hinaus zu einem kleinen, abgelegenem Flughafen, wo mich die Stille umarmte wie eine Decke.
Das Auto stellte ich auf dem Parkplatz ab, der von einem hohen Zaun umgeben wurde, nur durch eine rot/ weiße Schranke kam man drauf oder wieder runter.
Ich hasste diese Schranken, ich befürchtete immer das sie hinunterfielen, wenn man hindurch fuhr. Ein leerer Parkplatz wurde schnell gefunden, zu meinem Glück oder zum Glück der anderen Autos und meiner Kollegen.
Pfeifend lief ich durch die Wartehalle und setzte mich schließlich auf einen freien Platz.
Viel war hier gerade nicht los.
Jetzt hieß es zu warten auf die Pappnasen. Ich steckte meine Nase in das Notizbuch.
Wieso war ich eigentlich immer der Erste am Flughafen?
Hatte ich Angst den Flug zu verpassen oder mich selbst zu verlieren?
Ich schob es auf die erste Vermutung, obwohl ich wusste, dass dies nicht stimmte. Wie sooft in meinem Leben leugnete ich die Wahrheit, weil es so viel einfacher für mich war. Suchte ich mir einfach immer nur den leichtesten Weg aus um am Ende nicht enttäuscht zu werden?
„Du bist aber früh hier", erschrocken zuckte ich zusammen, bevor ich Flake böse anfunkelte, der gutgelaunt mit einem Lächeln auf den Lippen vor mir stand. In der Hand hielt er den Griff seines Koffers. Was er nahm hätte ich auch gerne. Vielleicht ging es mir dann besser?
„Was is'n dir über die Leber gelaufen?", zog er eine Augenbraue hoch.
Die Räder, die sich in seinem Kopf anfingen zu drehen, konnte ich förmlich sehen. Nervös biss ich mir auf die Unterlippe herum.
„Sag nicht, dass es immer noch die Kleine ist", sprang eine Glühbirne über seien Kopf an, „Dit is Jahre her."
Beschämt blickte ich zu meinem Schuhspitzen, die auf einmal viel interessanter wirkten.
„Ich mache mir nur Sorgen um sie", hob ich den Kopf und blickte den Keyboarder in die Augen, der immer noch so lächelte, als stände er unter irgendwelchen Drogen, die ich gerne jetzt auch hätte.
„Wenn du meinst", wackelte er belustigt mit den Augenbrauen, „Wenn es nicht mehr ist." Aus meiner kehle drang ein tiefes Brummen.
„Ich möchte einfach nur wissen wie es ihr jetzt geht, wie sie lebt", gestand ich. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass dort nicht alles so rein ist, nicht so wie es mir für die Kleine wünschte.
Wollte ich sie an meiner Seite haben?
Sie hätte bei mir bleiben sollen und nicht in irgendeine Pflegefamilie gesteckt werden. Ich konnte nicht mehr auf sie aufpassen, wenn sie nicht in meiner Nähe war. Verdammt Vanessa bedeutete mir immer noch mehr, als ich mir eingestehen wollte. Sie hatte sich ganz tief in meinem Kopf eingenistet.
Oder war es mein Herz?~ Es tut weh, wenn man dem Herz verbieten muss, wonach es sich sehnt. ~
Flake musterte mich immer noch eindringlich mit einer hochgezogenen Augenbraue.
„Na gut, ich vermisse sie", gab ich klein bei und wedelte mit den Armenwild in der Luft umher.
„Hab ich mir's doch gedacht", breitete sich ein Lächeln von einem Ohr bis zum anderen Ohr aus, „Mir kannst du nichts vormachen." Dies Stimmte dem Keyboarder konnte man nichts vor machen, wenn es einem von uns nicht gut ging, merkte es Flake sofort. „Keine Sorge ich werde es für mich behalten", klopfte er sanft auf meine Schulter.
„Was würde ich nur ohne dich machen", lächelte ich schwach.
„Dit wes ick", grinste der dünne Mann mich an, „Ihr wärt vollkommen aufgeschmissen und würdet die Fliegen zählen!"
„Das könnte wirklich wahr sein", lachte ich. „Was ist den hier los?", gesellte sich Olli zu uns, der uns misstrauisch musterte.
„Gar nichts", antworteten Flake und ich synchron mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen.
„Ich will es gar nicht wissen", wedelte Olli mit den Händen wild in der Luft, „Behaltet es für euch."
Und wie ich diese Sache für mich behalten würde, schließlich tat ich dies schon ewig. Doch würde dies auch Flake tun?
Ich musste auf seinen Worten vertrauen, das Geheimnis war bei ihm sicher, sonst hätte er schon jemanden davon erzählt.
Ich konnte ihm vertrauen, dass konnte ich schon immer, genauso wie die anderen Jungs.
Wir waren schon ein verrückter Haufen.
Olli schüttelte belustigt den Kopf, bevor er sich neben mich setzte.
Flake saß auf der anderen Seite von mir.
„Was sitzt ihr denn hier so rum?", trällerte Paul fröhlich vor sich her, „Wollen wir nicht los?"
„Wir haben nur auf dich gewartet", verdrehte Richard die Auge.
„Bin ich etwa der Letzte?", kratzte er sich verlegen am Hinterkopf.
„Ja, bist du", antwortete Emanuel, „Wie immer."
Paul verdrehte spielerisch die Augen und schnappte seinen Koffergriff, um vorne weg zu gehen, womit er demonstrativ zeigte, dass es jetzt los ging.
Aufbruchsstimmung machte sich breit und wir erhoben uns von den Plätzen, die mit der Zeit unbequem wurden.
Die Koffer waren recht schnell abgegeben, nur Schneider sein Koffer, der eigentlich Christoph mit Vorname hieß, musste durch etliche Sicherheitskontrollen, da seine Kinder offensichtlich eine Plastik Pistole hinein geschuckelt hatten, die auf dem Scanner ziemlich echt aussah.
Lachend begrüßten wir ihn, als er in den Jet stieg.
„Da haben sich deine Kinder aber einen grandiosen Scherz erlaubt", kommentierte Richard.
Schlecht gelaunt schmiss sich Schneider auf den Sitz neben Emanuel und schnallte sich an. Noch immer machte ein leises Kichern die Runde.
„Und ich dachte, dass du immer nur schlechte Laune hast", tauchte Lisa unsere Stylistin neben mir auf und setzte sich neben mich.
Das Kamera Team flog mit dem Equipment in einem anderen Jet. „Offensichtlich nicht", versuchte ich fröhlich zu klingen.
Lisa war die Letzte mit die ich mich zurzeit unterhalten wollte.
Sie war immer so anhänglich.
Lag es daran, weil sie ein Auge auf mich geworfen hatte?
Ich drehte mich zu Flake, der auf der anderen Seite saß und rollte mit den Augen. Wieso war sie nicht einfach mit dem anderen Jet geflogen?
Damit hätte sie mir sehr geholfen, denn dann hätte ich jetzt meine Ruhe.
„Was geht dir so durch den Kopf?", rückte Lisa ein Stück näher an ich.
„Etwas was dich nicht angeht", antwortete ich patzig und wechselte den Platz, wobei ich Flake einen entschuldigend Blick zu warf, der dies mit einem verständnisvollen Nicken kommentierte.
„Was ist mit dir eigentlich los?", die Brünette musterte mich von oben bis unten, „Ich kenne dich gar nicht mehr. Du bist so anders seit dem do vor etwas mehr als zwei Jahren in Wendisch- Rambow warst. Was ist dort passiert?"
In mir zog sich alles schmerzhaft zusammen.
Sie hatte den Wunden Punkt getroffen.
Paul legte den Kopf schief, als er mein entgleistes Gesicht sah. Ich wollte nicht darüber reden, es war ganz alleine meine Sache, mein Problem.
Dies ging niemanden etwas an.
„Nichts was dich angehen könnte", pamte ich zurück.
Konnte sie nicht einfach die Klappe halten? Doch sie stocherte weiter in der Wunde herum.
„Ich habe einen alten Artikel aus Wendisch- Rambow gefunden. Zu der Zeit warst du auch dort, wenn es mich nicht täuscht", wedelte Lisa mit dem Handy in der Luft. Alle Augen richteten sich neugierig auf mich, außer Flake, der schaut mich mittleidig an.
Er wusste, dass es mich zerriss, jedes Mal auf ein Neues.
„Wat is'n da passiert?", fragte Paul neugierig.
„16- jähriges Mädchen fand Zuflucht bei Gitta Lindemann", las sie einfach vor ohne zu fragen.
Sah sie in Vanessa eine Konkurrentin?
„Das Mädchen hatte es in den letzten Tagen nicht einfach. Sie hatte mit zugesehen wie ihr Vater ihre Mutter erschoss und war dann geflüchtet", redete sie weiter, „Ein paar Tage später fand man sie an einem See in Wendisch- Rambow und fand dann Zuflucht bei Gitta."
Ihr Name und mein Name wurde nicht genannt.
Zum Glück.
Bis auf Flake richteten sich alle Augenpaare neugierig auf mich, selbst die von Emanuel, wobei er noch prüfend eine Augenbraue hochzog. Ich schluckte schwer.
Ich stand in der Zwickmühle.
„Sie hat recht", fiel mir Olli in den Rücken, „Till du warst zu genau dieser Zeit dort und warst dann auch wieder zurückgefahren, wo sie von der Pflegefamilie abgeholt wurde." Ich hätte es ihnen schon viel früher erzählen sollen.
„Till, was war da los?", mischte sich nun auch Richard ein.
„Lasst doch Till mal in Ruhe!", sprang Flake von seinem Sitz auf, „Es ist doch seine Entscheidung, was er so erzählt."
Dankend nickte ich dem Keyboarder zu, der dies mit einem Lächeln erwiderte.
„Flake hat recht", stützte nun auch Paul mir den Rücken und legte eine Hand auf meine Schulter, „Es ist seine Entscheidung." Mürrisch verzog sich Lisa und steckte sich die Kopfhörer in die Ohren.
Doch das Thema war noch nicht zu Ende gesprochen.
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Mein Herz brennt (Rammstein)
Fanfiction„Lauf", war das Letzte was ich von meiner Mutter hörte, „Lauf weg." Heiße salzige Tränen rannten über mein Gesicht, während ich meine verzweifelte Mutter anschaute, die sich mit einem Kerzenständer...