Ungestört

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Erst dachte Stella, sie würde durch Wolken treiben, schwerelos durch den Raum wandern. Im nächsten Moment dachte sie man hätte sie mit den gesamten Gewicht der Erde begraben. Selbst bei dem Versuch nur einen Finger zu heben scheiterte sie. Ihre Augenlider waren wie zugeklebt, daher blieb ihr nichts anderes übrig, als sich in diesem Wirrwarr aus Gefühlen und Empfindungen treiben zu lassen.

Sie spürte die Berührungen und hörte Stimmen, auch wenn sie im Nachhinein nicht sagen konnte, was sie von sich gaben oder von wem sie kamen. Aber sie spürte die Sorge die von ihnen ausging. Zu gerne hätte sie sie beruhigt, hätte ihnen gesagt, dass alles in Ordnung war, das doch sie nur müde war. Doch nichts funktionierte.

Ihr Geist wechselte fließend vom Bewusstsein ins Unbewusstsein. Sie genoss die Phasen in denen sie wusste das ihr Geist wach war. Sie waren verständlich. Voller Liebe und Fürsorge für sie. Die Albträume kamen wenn sie ins Unbewusste vorstieß.

Zunächst konnte sie den Unterschied der beiden Phasen nicht nennen. Wusste nicht was Wirklichkeit war. Doch mittlerweile war ihr klar, dass diese mit Schmerz gepflasterten Erinnerungen nur das waren, Erinnerungen. Aber egal wie sehr sie daran dachte und sich versuchte zu erinnern, sobald sie zu tief vordrang, sah sie nur ein aufgerissenes Maul nach ihr schnappen und dann wieder Schwärze.

Ihr Kopf schirmte sie davon ab, ob das nun gut oder schlecht war, konnte sie nicht sagen. Sie konnte so vieles nicht mehr sagen.

Sie konnte nur sagen, dass die Phasen in denen sie bei Bewusstsein war, immer länger waren und auch immer öfter vorkamen. Doch noch immer war sie nicht in der Lage sich zu bewegen, aber sie konnte wieder fühlen.

Sie spürte die viel zu weiche Matratze unter ihrem Körper, die Daunendecke über ihrem Körper und das flache Kissen unter ihrem Kopf. Aber vor allem spürte sie Kai.

Ihren geliebten Kai. Er war oft hier, das spürte sie. Er redete auf sie ein. Kämmte ihre Haare. Wusch sie. Sie spürte seine Sorgen und wollte nichts lieber, als ihn zu beruhigen. Ihm zeigen, dass es ihr gut ging. Doch egal wie sehr sie sich anstrengte, ihr Körper wollte ihr noch nicht gehorchen.

Jetzt gerade war es genauso. Er saß neben ihr, jedenfalls ging sie davon aus, dass er saß, und hielt ihre Hand, während er auf sie einsprach. Seine genauen Worte konnte sie nicht verstehen, aber sie wusste, dass er sich Sorgen um sie machte. Zu gerne hätte sie ihm gezeigt, dass alles in Ordnung war.

Sein Daumen strich immer wieder über die Hand, die er festhielt und sie konzentrierte sich darauf. Auf die Hand die gehalten wurde. Angestrengt versuchte sie ihre Finger dazu zu bekommen, dagegen zu drücken. Zu zeigen das sie ihn wahrnahm. Doch egal wie sehr sie sich anstrengte, es zeigte sich keine Bewegung in ihrer Hand.

Sie fragte sich, ob man ihr ihre Mühen ansah. Bildeten sich Schweißtropfen auf ihrer Stirn, verschnellerte sich ihr Puls oder ging ihre Atmung schneller. Oder sah sie für sie aus wie immer. Wie sah sie überhaupt aus. Mittlerweile konnte sie auch die Verbände und Pflaster auf ihrer Haut wahrnehmen und fragte sich seitdem oft was geschehen war, doch wie auch in den Phasen ihres Unbewusstseins, konnte sie sich auch jetzt nicht daran erinnern.

Auf einmal spürte sie einen Windzug und hörte Schritte näher kommen. Sie kannte sie nicht. Sie waren nicht die leichten Schritte ihrer Mutter, aber auch nicht die Schweren Schritte, die sie von ihrer Schwester und ihrem Vater kannte. Aber sie wusste das der Neuankömmling nichts gutes bedeuten konnte, denn sie merkte Kais Anspannung.

Gerne hätte sie ihm Trost und Unterstützung gegeben, doch in ihrer jetzigen Form war das unmöglich. Dann hörte sie Stimmen. Selbst in ihrem Stadium konnte den Hohn aus der ersten Stimme hören. Es war eine weibliche Stimme. Aber sie klang schon alt, ein wenig heiser, so als hätte sie in ihrem Leben bereits zu viel gesagt. Sie kramte in ihrem Hirn, nach einem Gesicht zu der Stimme, konnte aber nichts finden.

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