24 - Im Netz der Hydra

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„Whitaker, du solltest mal zum Arzt wegen deines Männerschnupfens – du hörst dich furchtbar an. Und richte Jameson aus, dass ich ihm persönlich die Eier abreiße, wenn er während des Schichtwechsels unbedingt pissen gehen muss und deswegen keine ordentliche Meldung macht!"

Yuki sah Natasha fragend an. „Ist etwas nicht in Ordnung?"

„Ne, alles bestens. Jameson ist einfach nur nicht der Hellste, weswegen er immer Whitaker zugeteilt wird. Der sorgt normalerweise dafür, dass er sich ans Protokoll hält. Kompetentes Personal ist heutzutage ja so schwer zu finden." Die rothaarige Frau legte theatralisch den Handrücken an ihre Stirn und Yuki musste über die gekonnte Darstellung einer gestressten Firmenchefin lachen.

Sie verabschiedeten sich per Handschlag vor dem mehrgeschossigen Wohnhaus, worin das Safe-House, genauer genommen die Safe-Wohnung, der Tarnung halber untergebracht war. Dabei schlug ihr die Agentin so heftig auf die Schulter, dass sie fast das Gleichgewicht verlor.

‚Da hat jemand eindeutig über den Durst getrunken', dachte Yuki. ‚Obwohl man ihr sonst kaum etwas anmerkt.' Laut sagte sie: „Mach's gut, und ich schwöre, dass ich mich nachher benehmen werde, und du morgen nicht meine oder Steves Eingeweide von der Wand kratzen musst."

Dass sie ihm eigentlich schon in dem Moment verziehen hatte, als Natasha sie in der Bar darüber aufgeklärt hatte, wie das Ganze aus Steves Perspektive aussah, musste diese ja nicht wissen. Auch nicht, dass Steve und sie vermutlich ziemlich schnell im Bett landen würden. Natürlich vorausgesetzt, dass er ihr ihre bösen Worte verzeihen konnte. Sie war zuversichtlich, weil er einfach ein Schatz war, doch man konnte sich nie sicher sein. Und so wartete sie ungeduldig auf den Fahrstuhl, denn sie wollte den vielleicht unangenehmen Teil möglichst schnell hinter sich bringen, damit sie gleich zum sehr viel angenehmeren Teil übergehen konnten. Der Teil, bei dem sie auf eine mütterlich besorgte Romanoff verzichten konnten.

Der Retina-Scan an der Wohnungstür stellte sie vor eine Herausforderung, weil sie so etwas noch nie gemacht hatte. Sie hätte sich die Prozedur von Natasha zeigen lassen sollen, fiel ihr jetzt, viel zu spät, ein. Sie versuchte, es von verschiedenen Positionen aus, damit ihr Auge gescannt werden konnte, doch jedes Mal fiepte das verdammte Teil und die Kontrollleuchte blinkte rot, wie um sie zu verhöhnen. Dann verlegte sie sich darauf, zu klopfen, schließlich konnte Steve ihr ja genauso gut einfach auf die gute alte Art und Weise öffnen. Doch sie hörte keinen Laut auf der anderen Seite der Tür. Vielleicht war er ja noch immer sauer.

Yuki seufzte, beugte sich ein weiteres Mal vor und ging so nah wie möglich an den Sensor. Dieses Mal versuchte sie die Augenlider weit geöffnet zu halten und so lange wie möglich nicht zu blinzeln. Es summte freundlich und die grüne Kontrollleuchte ging an. Nach einem leisen Klicken schwang die gut geölte Tür geräuschlos auf, als Yuki sie sachte anstieß. Sie hätte nie erwartet, dass das so kompliziert war. Oder vielleicht stellte sie sich nur dusselig an und brauchte noch etwas Übung.

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Steve lag auf dem bäuchlings, mitten auf der großen Ottomane ausgestreckt, die Bestandteil der Sitzlandschaft war, die Yuki zuvor nicht mit dem Blut an ihrem Körper hatte beflecken wollen. Ein Fensterflügel war gekippt, er hatte wohl lüften wollen und musste eingeschlafen sein, während er auf sie wartete. Bei dem Gedanken daran wurde ihr noch wärmer, als ohnehin schon von diversen Cocktails und Longdrinks war.

Sie schloss das Fenster so leise wie möglich und küsste ihn lange auf eine stoppelige Wange. Weder bewegte er sich einen Millimeter, noch reagierte er mit irgendeinem Laut auf ihre Berührung. Seltsam, er musste wirklich sehr erschöpft sein, was eigentlich noch nie der Fall gewesen war seit sie ihn kannte. Vielleicht war der Stress heute zu viel, wie Natasha schon sagte, war er auch nur ein Mensch. Das war es dann wohl mit der Versöhnung, die musste eben bis morgen warten. Gähnend ging Yuki ins Bad, um die restlichen Rückstände von Blut und Hirn im Haaransatz zu entfernen und sich etwas zum Schlafen anzuziehen. Doch als sie ihre Reisetasche durchforstete, fand sie keinen ihrer Pyjamas oder Bigshirts. Die hatte Steve in der Eile bestimmt nicht mit einpacken können, also würde sie sich eines seiner Hemden ausleihen.

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