Kapitel 3

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Ich fühlte mich wie gelähmt, alles geschah in Zeitlupe.

Meine Augen sahen wie meine Mitschüler die Tür verbarrikadierten, während dumpfe Schreie zu mir fanden, was allerdings nicht wirklich von mir registriert wurde. Es war wie in Trance. Was geschah hier? War das alles real? Es fühlte sich an wie ein Traum. Ein schlimmer Alptraum.

Wiedermal drangen Schussgeräusche zu mir durch, jedoch wusste ich nicht woher diese kamen.


Plötzlich wurde ich mit einem Ruck von meinem Stuhl geworfen und landete unsanft auf dem Boden. Sekunden später ein lauter Knall und ich nahm wahr wie Leute in das Zimmer eintraten.

Es war grausam. Das einzige was ich noch hören konnte waren die unzähligen Schüsse und das Geschrei meiner Mitschüler. Ich wollte mir gar nicht ausmalen wer schon alles getroffen wurde, schloss bloß die Augen und bemerkte wie ich weiter nach hinten gezogen wurde.


Mein ganzer Körper begann unaufhörlich zu zittern und ich spürte, wie etwas nasses auf meiner Wange hinunterrann. Aus Angst ließ ich die Augen zu, fuhr mit dem Finger über die Stelle und leckte mit der Zunge darüber. Es war salzig. Warte mal salzig, weinte ich etwa?

Wahrscheinlich war es vollkommen konfus jetzt über so etwas Nachzudenken als mir wieder die Situation auffiel, in der ich mich befand. Jedoch war etwas komisch. Wieso war es so ruhig? Ich meinte die Schreie und Schussgeräusche. Sie waren verstummt.

Vorsichtig öffnete ich meine Lider, wobei ich mir wünschte, es nie getan zu haben. Ich lag hinter einem umgekippten Schrank und fand sonst bloß Trümmer vor. Langsam wagte ich mich in eine aufrechte Position und konnte kaum glauben was ich sah. Wahrscheinlich hätte ich mit diesem Anblick rechnen müssen, doch es schockte mich dennoch und ließ mich vollkommen versteifen. Überall im Raum lagen Menschen. Ob tot oder nicht konnte man schlecht sagen, jedoch sahen sie nicht wirklich belebt aus. Panisch stellte ich mir die Frage wo denn meine Freunde waren, schließlich musste mich ja jemand hier hin geschleift haben. Umständlich zog ich meinen Fuß unter dem Schrank hervor, der sich glücklicherweise als nicht allzu schwer herausstellte und stellte mich hin, was mir einen noch besseren Überblick über den Raum gab.


Wieder einmal schlichen sich Tränen an meinem Gesicht herab. Das konnte doch nicht sein. Schnellen Schrittes ging ich zu einem der Körper, ließ mich auf die Knie fallen und begann, hemmungslos zu weinen. Nein. Das konnte nicht sein. Das durfte einfach nicht wahr sein.

Ich ließ meine Finger zu seinem Hals gleiten, legte eine der Dreadlocks bei Seite und fühlte den Puls. Tot.

,,Nein'', schluchzte ich bloß und vergrub meinen Kopf in die Hände, während mir hunderte schöne Momente die wir bereits erlebt hatten, ins Gedächtnis kamen. Er war doch viel zu gut zum Sterben, viel zu Jung und vor Allem hatte er eine Gabe die nur wenige in dieser Zeit noch hatten: er konnte stets positiv denken, egal wie aussichtslos die Situation war und konnte auch andere damit anstecken. Er war einfach ein guter Mensch.


,,Ruhe in Frieden, Simon'', flüsterte ich bloß, strich ihm die Haare aus dem Gesicht und stellte mich wieder hin. Beim genaueren Hinsehen bemerkte ich, dass sich hier allerdings kein anderer meiner Freunde befand. Ob das nun gut war oder nicht, war ich mir unschlüssig.

Was mich allerdings wundert ist, dass anscheinend kein anderer anwesend war, der noch lebte. Hatten sie mich etwa alle einfach so im Stich gelassen? Verübeln konnte ich es ihnen wahrscheinlich nicht. Wenn sie die Chance zur Flucht hatten, hatten sie die sicherlich ausgenutzt. Ein weiterer Schuss, der allerdings weit entfernt schien, ließ mich zusammenzucken.

Es war also noch nicht vorbei.


Ardian BoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt