Kapitel 4

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Der Dienstag war eine reinste Qual. Den ganzen Morgen und Vormittag versuchte Sirius sich mental vorzubereiten, sich Mut zuzusprechen, sich zusammenzureißen, sprach sogar mit Lindsey, aber das alles war nicht genug, damit er wirklich bereit war, auf seine Eltern zu treffen.

Ihre ekelnden Blicke, ihre Tuscheleien, ihre abwertenden Kommentare waren etwas, wozu er sich nie bereit fühlen würde.

Angeklagt hatten sie ihn, weil er ihrer Meinung nach Geld genommen hatte, das ihm nicht gehörte. Alphard's Erbe. Das ganz explizit an Sirius gehen sollte. So stand es in dessen Testament, was Walburga und Orion aber nicht anerkennen wollten. Alles, was sie wollten, war Sirius auf die Nerven zu gehen.

Es war ein mehrere Stunden langes Gericht, das Sirius jede Kraft raubte. Es hielt sich noch in Grenzen, aber dann musste Walburga ansprechen, dass Sirius als Frau geboren war und ab da ging die Post ab.

Bis auf seine Eltern und Lindsey hatte es sonst niemand im Saal gewusst, weswegen eine hitzige Diskussion ausbrach, über Outings und über Unverständnis und über Mister oder Miss und Sirius wollte irgendwann einfach nur an seinem Stuhl runter rutschen und die Welt vergessen. Er hatte kein Problem damit über seine Identität zu reden, aber manchmal, da wollte er es lieber als Geheimnis behalten. Vor allem bei geschäftlichen Dingen, die einen Anwalt beinhalteten, der ihn jetzt ungläubig an.

Lindsey hingegen war toll, sprang irgendwann auf und meckerte Walburga ins Gesicht, bis Sirius seine Sekretärin festhalten musste, damit sie keine Prügelei anfing. Er konnte ihre Wut verstehen, denn er war genauso wütend, nur hatte er schon lange gelernt, dass Walburga und Orion genau diese Reaktion von ihm wollten, weswegen er ihnen keine gab.

Als es endlich endete, glücklicherweise damit, dass Alphard's Testament als echt identifiziert und angenommen wurde, ging Sirius ohne weiteres aus dem Raum. Lindsey bot ihm Tee an oder eine Umarmung, irgendeinen Trost und Aufmunterung, weil sie doch gewonnen hatten, aber Sirius lehnte alles dankend ab.

Erst, als er im Auto saß, fiel das Gewicht des Tages auf ihn herab, die Bloßstellung, die Demütigung, als Orion auf die Scheidung zu sprechen kam, betonend, dass Sirius nicht einmal eine Beziehung halten konnte und was für ein schlechter Vater er deshalb war.

Durch die Erwähnung von Vater wurden alle wieder ganz nervös und Fragen kamen auf, über Adoption oder nicht Adoption, über wie und wann und zu was das Sirius machte. Mal ehrlich, warum dachten Leute es wäre okay, ihm solche Fragen zu stellen? Als wäre er ein Tier im Zoo.

Und dann der Kontakt zu seinen Eltern. Er hatte sie mehr als zehn Jahre nicht gesehen, was auch gut war, aber jetzt mischten sie sich wieder in sein Leben ein und machten alles kaputt, brachten alles durcheinander und traten Sirius wieder viel näher, als er wollte.

Er fuhr lange über die nächtlichen Straßen, länger als er wirklich musste, und hörte Musik, weinte sich die Seele aus dem Leib zu Family Line und wollte einfach nur, dass die Gedanken aus seinem Kopf verschwanden. Erinnerungen, an die Dinge, die seine Eltern noch ganz früher getan hatten. Aber er war nicht so, er war nicht so, er war ein guter Vater, er war nicht gemein oder ständig wütend oder aggressiv.

„Bist du nicht", murmelte Sirius zu sich selbst, zu seinem Spiegelbild im Seitenspiegel. „Du bist nicht so, wie diese Arschlöcher."

Als er endlich bei sich zu Hause ankam, packte ihn eine unglaubliche Schuld, als er Remus' Auto am Straßenrand sah. Er hatte ganz vergessen, dass Teddy nicht bei Remus, sondern Remus bei ihm war. Es war schon kurz vor acht, viel länger, als sie sonst gemacht hatten und Sirius beeilte sich die Tränen von seinen Wangen wegzuwischen, während er von der Garage zur Haustür ging.

Das Durcheinander namens Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt