Vier Jahre später

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Mittlerweile war ich dreiundzwanzig. Ich wohnte nicht mehr bei meinen Eltern, sondern hatte ein Apartment in der Stadt bezogen, das nur wenige Minuten von der Uni entfernt lag. Ich war jetzt Student der Ingenieurswissenschaften, arbeitete nachts in einer Bar und hatte quasi eine Freundin. (Quasi? Werdet ihr jetzt fragen.) Ja richtig, es war kompliziert. Sie hieß Joana, auch wenn sie Joan bevorzugte. Und bis zum heutigen Tag haben wir uns noch nie getroffen. Aber der Reihe nach.

Wir lernten uns über ein Onlinespiel kennen. Nur glaubte ich damals, dass ihr Name Andy lautete und das Andy ein Kerl war. Und als ich schließlich meinen Fehler bemerkte, lernte ich noch zwei weitere Dinge über sie. Erstens: sie lebt am anderen Ende des Landes. Und zweitens: sie ist verdammt klug. Bereits mit siebzehn hatte sie ihren Doktor in Physik gemacht, war ein totaler Nerd bei Allem, was mit Computern zu tun hatte, und arbeitete mittlerweile bei der Raumfahrtbehörde. Doch so beeindruckend das jetzt klingt. Der Nachteil war, dass wir nur selten Zeit füreinander hatten.

Noch heute erinnere ich mich gut an unser erstes Telefonat. Zwar hatte ich damals keinen Schimmer gehabt, wie sie aussah. Doch allein der Klang ihrer Stimme hatte mein Herz schneller schlagen lassen. Daher blieb mir keine Wahl. Ich musste sie fragen, ob sie mit mir ausgehen würde. Und nach einer Pause von exakt 2,34 Sekunden sagte sie schließlich: „Aber klar! Ich schick dir ne Drohne." (Ich wusste auch nicht, was ich davon halten sollte. Aber lasst euch überraschen.)

Nur wenige Tage später erhielt ich ein Paket. Joan hatte mir nicht nur eine Drohne geschickt, sondern auch eine AR-Brille, von der ich ziemlich sicher war, dass man sie noch nirgends kaufen konnte. Sie war unerwartet leicht. Und wenn man sie trug, wirkte sie eher wie eine ganz gewöhnliche Brille als wie der neuste Hightech-Scheiß. Aber, sie funktionierte tadellos.

Joan schickte mich in einen Wald in meiner Nähe und erklärte mir, wie ich die Drohne starten musste. Nachdem sie in die Luft gestiegen war und damit begonnen hatte mich zu scannen, setzte ich die Brille auf und ... da war sie. Sie hatte dunkles kurzes Haar, gab ein quietschiges „Hallo" von sich, und besaß ein Lächeln, das mir den Atem raubte. Oder kurz gesagt. Es war das schönste und zugleich seltsamste erste Date, das ich je hatte. Und ich wollte definitiv mehr davon.

Nachdem Joan und ich ein Paar geworden waren, probierten wir alles Mögliche aus, um die Entfernung zwischen uns erträglicher zu machen. Unsere AR-Brillen nutzten wir so oft wir konnten. Wir besorgten uns haptische Anzüge und trafen uns im Cyberspace. Und schließlich dachten wir sogar darüber nach einen Holo-Escort-Service zu buchen. (Hierbei wird das Gesicht eines Menschen per Holo-Projektion auf den Körper einer realen Person übertragen. In Echtzeit!) Da man hierbei aber fremde Menschen berühren muss, ließen wir es schließlich bleiben. Und dennoch, mit der Zeit wurde es schwieriger die Kluft, die zwischen uns lag, zu überwinden. Deshalb hatte ich in einem Anfall von Spontanität – und ein klein wenig Herzschmerz – alle meine Termine für die nächste Woche umgeschmissen, hatte mein Konto geplündert, um mir Flug-Tickets zu kaufen, und befand mich gerade auf dem Airport, da ich ein Flugzeug erwischen musste.

„Ihr Boardingpass, bitte", sagte die Frau am Schalter. Ich hatte sie kaum wahrgenommen. Ihre Haltung war leicht gebeugt, ihre Stimme klang piepsig und ihre dunklen Haare hingen ihr so tief ins Gesicht, das ich gerade mal ihre Mundpartie sehen konnte.

„Aber klar", gab ich zurück. „Hier ist er."

„Hmm aha." Sie las die Informationen darauf und tippte hie und da mit ihrem Fingernagel auf das Papier. „Hmm so so", sagte sie jetzt.

„Was ist? Stimmt was nicht?", wollte ich wissen.

Die Frau ignorierte meine Frage, während sie das Ticket durch einen Sensor zog. Ein orangenes Licht leuchtete auf, gefolgt von einem „Oh je."

Die seltsame Reise der außergewöhnlichen Miss JonesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt