Seit unserem Telefonat hatte ich nichts mehr von Joan gehört. Drei Wochen war das jetzt her und mittlerweile machte ich mir echte Sorgen. Immer wieder war ich unser Gespräch durchgegangen. Ich hatte in meinem Gedächtnis nach Hinweisen gesucht, nach Informationen, die mir helfen konnten Licht ins Dunkel zu bringen. Doch da war nichts.
Viele Stunden hatten wir geredet. Und zum ersten Mal, seit wir uns kannten, erwähnte ich auch Miss Jones und wie sie damals in mein Leben getreten war. Anfangs schien Joan skeptisch und ich fürchtete schon sie würde auflegen und mich nie wieder anrufen. Doch so war sie nicht. Sie hörte mir aufmerksam zu, während ich ihr von der Zeitmaschine erzählte und ein paar der verrückten Theorien erklärte, die ich selbst nicht ganz verstand. Ja, nach einer Weile begann sie sogar Fragen zu stellen, die selbst Einstein und Hawking nicht hätte beantworten können. Ein Beispiel? Joan wollte wissen, wie Miss Jones es geschafft hatte eine Dyson-Sphäre, um ein Schwarzes Loch zu legen, um so seine Energie nutzbar zu machen.
Unser Telefonat dauerte bis in die frühen Morgenstunden. Und als schließlich die Sonne aufgegangen war, und die ersten warmen Strahlen meine Haut berührten, stand eines fest. Joan und ich würden uns endlich treffen. Sie erklärte mir, dass sie an der Arbeit noch ein paar Dinge erledigen müsste, die keinen Aufschub duldeten. Doch sobald das erledigt war, würde sie mich besuchen kommen. Das Datum, das wir dafür festgelegt hatten, war der 26. Oktober. Und der war vor zwei Tagen.
Joan hatte nicht auf meine Anrufe reagiert. Und selbst Nachrichten, egal von wo ich sie schickte, schienen nicht zu ihr durchzudringen. Deshalb befand ich mich gerade auf der der Union-Train-Station und wartete auf den US-Dreamliner, einen Schnellzug, der Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 700 km/h erreichte. Sein Design war einfach gehalten. Die Zugmaschine war kurz und silbrig, mit einer langen pfeilförmigen Front. Dahinter befanden sich drei Waggons. Ich hatte mein letztes Geld ausgegeben, um das Ticket bezahlen zu können. Aber das war mir egal. Das Einzige, was jetzt zählte, war, dass ich Joan fand.
„Entschuldigung, Sir", sprach mich eine junge Frau in blauer Uniform an, gerade als ich in den Zug einsteigen wollte. „Dies ist der Dreamliner. Ihr Zug befindet sich auf der anderen Seite." Die Art wie sie ihr sagte, ließ mich aufhorchen.
„Was soll das heißen?", wollte ich wissen und zeigte ihr mein Ticket. Damit hatte sie eindeutig nicht gerechnet. Und während neben mir andere Gäste den Zug betraten, verstand ich auch warum. Im Gegensatz zu ihnen sah ich aus wie ein verschrobener, mittelloser Student. Die Männer um mich herum trugen Anzüge, die Frauen teure Kostüme und ich ... Ich trug eine abgetragene Jeans, kaputte Sneaker und ein nerdiges Shirt mit dem gelben Blitz aus der Serie The Flash. Zugegeben, man konnte meine Kleiderwahl, in Anbetracht der mondänen Opulenz des Zuges, als leicht unangepasst bezeichnen. Aber letztlich wollte ich hier keine Freundschaften schließen, sondern nur schnell von A nach B. Obwohl ich zugeben musste, dass die abschätzigen Blicke der anderen Passagiere ein wenig verletzend waren.
Mit hochgezogener Augenbraue ließ die junge Frau mich schließlich passieren und wünschte mir eine angenehme Fahrt. (Ich schwöre euch, die Art wie sie angenehm sagte, bedeutete genau das Gegenteil.) Danach ging alles ganz schnell. Als die letzten Fahrgäste an Bord waren, lotste das Personal jeden auf seinen Platz, bat um Ruhe und vollführte ein paar seltsame Bewegungen, die man mit etwas Fantasie als Sicherheitsunterweisung interpretieren konnte. Kurz darauf verschwanden die blauen Uniformen und ich spürte, wie die Maschine sich langsam in Bewegung setzte.
Mein Sitz besaß einen eigenen Video- und Entertainment-Feed, eine Massagefunktion mit Wärmeregulator und einen sicheren Netport, mit einer durchaus beachtenswerten Datenrate. Sofort verband ich mein Smartphone mit dem Zugnetz, loggte mich auf den Portalen ein, auf denen ich mit Joan connected war, und startete eine Suchanfrage. Nach dreißig Sekunden meldete mir der Computer, dass er nichts gefunden hatte. Das letzte Mal, das Joan in einem ihrer Accounts eingeloggt war, war vor über zwei Wochen gewesen.
DU LIEST GERADE
Die seltsame Reise der außergewöhnlichen Miss Jones
Science Fiction„Hey Nachbar. Freut mich dich zu sehen", rief plötzlich eine Stimme. Verwirrt blickte ich mich um. Meine Augen suchten, woher der Ruf gekommen war. Und dann sah ich sie, Miss Jones. Sie trat aus dem Loch - wo eigentlich eine Wand hätte sein sollen...