Uno

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LEONARDO

Ganz vorsichtig öffnete ich meine Augen und musste meine neue Umgebung erstmal realisieren.
Das Gerät begann zu piepen und ich blickte mich nur mit müden Augen im Raum um.
Meine Kehle war wie zugeschnürt und ich legte meine Hand an den Hals, um dieses unangenehm Gefühle stoppen zu können.
Durch einen Schlauch war ich mit dem Gerät vor mir verbunden und ich spürte den Schmerz, welcher auf meinen Gliedmaßen lag deutlich.
Vorsichtig versuchte ich mich im Bett aufzurichten, doch ich fiel sofort wieder kraftlos und erschöpft zurück auf das Kissen.

Gequält stöhnte ich auf und konnte mich an die vergangenen Geschehnisse nur wage erinnern, weswegen mich die Frage, was ich im Krankenhaus machte, immer noch beschäftigte.
Geschaffen blickte ich aus dem Fenster, aus welchem die Sonne genau auf mich schien und es war die einzige Lichtquelle in diesem kahlen Raum.
Die Vögel begannen zu zwitschern und ich konnte die Sommerprise förmlich auf meiner Haut spüren.
Ich begann zu lächeln und mir wurde bewusst, dass in wenigen Tagen der Sommer eingeläutet werden würde.

Zum ersten Mal seitdem ich wach bin, nehme ich sie war.
Eine Frau mit langen dunkelbraunen Haaren und grünen Augen lag auf dem Bett neben mir.
Ich konnte nicht anders als sie genau zu Mustern und mir fiel auf, dass die junge Frau mich die ganze Zeit beobachtet haben muss.

„Du bist wieder wach", stellte sie fest und richtete sich auf.

Ich starrte sie weiterhin an ohne auf ihre Aussage etwas zu antworten, denn mir fiel in diesem Moment nichts dazu ein.
Weiterhin betrachtete ich ihre wunderschönen Augen und diese katapultierten mich tief in meine Gedanken.

„Kannst du nicht sprechen?"

Sie legte ihren Kopf schief und grinste mich an.

„Ich kann sprechen", erwiderte ich und zuckte die Schultern.

„Und wieso tust du es dann nicht?", wollte die Frau wissen und ich musste über ihr vorlautes Mundwerk schmunzeln.

„Vielleicht weil ich kein Interesse daran habe mich mit dir auszutauschen", entgegnete ich kühl und sie verschränkte ihre Arme vor der Brust.

„Du bist aber gemein", murmelte sie und drehte sich auf die andere Seite des Bettes, sodass ich sie nicht mehr ansehen konnte.

Dann drehte ich mich ebenfalls gleichgültig um und dachte über meine Zukunft nach.
Wie sollte ich so jemals wieder meine alltäglichen Aufgaben erledigen können?
Was war ein Mafiaboss der schwach, jämmerlich und krank war?
So konnte ich mich niemals wieder öffentlich zu erkennen geben.

Mir wurde schlagartig bewusst, dass dies mein gesamtes Leben auf den Kopf stellen würde.
Ich beschloss zu meiner Zimmergenossin netter zu sein, denn sie hatte es nicht verdient so unhöflich behandelt zu werden.
Außerdem würde mir ein Freund hier sicherlich gut tun.

„Es tut mir leid. Ich bin Leonardo und du?", sprach ich die zierliche Frau direkt an und sie drehte sich tatsächlich zu mir um, womit ich natürlich nicht gerechnet hätte.

„Elisha. Der Arzt kommt später um mit dir zu sprechen", erklärte sie mir und ich nickte.

„Du hast einen wunderschönen Namen Elisha."

„Danke", antwortete Elisha und lächelte.

„Wieso bist du im Krankenhaus?", erkundigte ich mich bei ihr.

Elisha richtete sich im Bett auf und fokussierte ihren Blick auf mich, um dem Gespräch besser folgen zu können.

„Ich habe Lungenkarzinom genauso wie du", murmelte sie zerknirscht.

Entgeistert starrte ich Elisha an und sie schien festzustellen, dass ich davon noch nichts gewusst hatte.

„Oh entschuldige. Du wusstest-ich. Der Arzt hat mir bevor du eingeliefert worden bist, erzählt, dass wir dieselbe Krankheit haben", stammelte sie und blickte mich unsicher an.

„Das muss ein Schock für dich sein, ich weiß. So ging es mir auch, aber deine Familie wird dich bestimmt unterstützen und wir sind stark. Wir schaffen das", versuchte Elisha mir Mut zu machen.

„Ich glaube nicht, dass meine Familie das toleriert und akzeptiert", erklärte ich ihr traurig und konnte keinem fremden Menschen erzählen, wie es in meiner Familie zuging, denn es würde mir alleine beim erzählen schon in der Seele wehtun.

„Das glaube ich nicht, Leonardo. Die Frau und die Männer die dich vorhin hier hergebracht waren total besorgt. Es gibt immer jemanden, dem man sehr nahe steht und dieser jemand liebt dich so sehr, dass er jede Sekunde darauf hofft, dass es dir besser geht."

„Bei mir nicht, mon chéri", versuchte ich ihr zu erklären.

„Hm, dann hast du eine traurige Familie", murmelte sie und blickte mich nachdenklich an.

„Du tust mir leid", fügte Elisha hinzu und warf mir einen mitleidigen Blick zu.

„Ich kenne es nicht anders", versuchte ich es mit einem Lächeln zu überspielen und griff nach der Wasserflasche, welche auf dem Tablett neben mir stand.

„Aber dafür bist du mir nicht egal. Ich interessiere mich für dich. Ich möchte dich kennenlernen und mir ist es auf jeden Fall nicht egal, was mit anderen Menschen passiert. Also sehe mich als diese eine Person, die sich Gedanken um deine Gesundheit macht", meinte sie lächelnd und es wurde mir ganz warm ums Herz.

„Ich danke dir, Elisha."

„Gern geschehen. Falls wir doch sterben sollten, dann sterben wir eben zusammen", sagte sie beiläufig als wäre es das normalste auf der Welt.

Ich musste meinen Kopf über diese Frau schütteln aber sie schaffte es mit wenigen Worten mir ein Lächeln auf den Mund zu zaubern, was zuvor eigentlich noch keine Frau jemals geschafft hatte.
Mit mehreren Seitenblicken zu Elisha fiel mir auf, dass sie eine Frau war, die ich sehr bewunderte und das ich damit nicht ihren Körper meine, sollte klar sein.
Ihre Art ist wundervoll und die junge Frau zieht mich damit förmlich in ihren Bann, sodass auch die Atmosphäre in diesem Raum sehr locker ist.

Ich schnappte mir die Fernbedienung, welche auf dem Tisch zwischen uns lag und spielte gedankenverloren an den Knöpfen herum.
Grinsend betrachtete sie mich.

„Du kannst den Fernseher ruhig an machen, vielleicht kommt endlich mal was gescheites", erklärte sie mir und ich drückte den An-Knopf.

Es war viel zu lange her, dass ich mal wieder die Ruhe und die Zeit gehabt habe, zum Fernsehe schauen und es fühlte sich sofort ungewohnt an.
Ein Kindersender war eingestellt und ich blickte auf die Blondine, welche sich einer geheimnisvollen Tür näherte.
Gespannt wartete, was dann passiert und blickte dann Elisha wieder fragend an.

„Möchtest du das sehen? Oder soll ich lieber umschalten?", hakte ich nach.

„Du kannst gerne Barbie mit mir schauen", murmelte sie und hatte sich schon wieder dem Film zugewandt.

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