Prolog

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Wie jeden Tag stand ich an der Bushaltestelle, um zur Arbeit zu fahren.
Wie jeden Tag stand ich dort mit mit einer älteren Dame, die die Straße runter wohnte und wie jeden Tag hatte der Bus sieben Minuten Verspätung.

Wie jeden Tag stieg ich in den Bus ein und setzte mich auf den Platz neben der Tür, von wo man einen guten Ausblick über den Bus hatte.
Wie jeden Tag war der Bus halb voll, manche Leute, die ebenfalls zur Arbeit fuhren oder Kinder, die in die Schule mussten.
Alles war wie immer.
Auch der Mann mit der Maske, der wie jeden Tag eine Haltestelle vor mir ausstieg.
Der Mann, den ich schon seit Ewigkeiten ansprechen wollte, mich aber bisher noch nicht getraut hatte.

Doch das würde sich heute ändern. Heute würde ich ihn fragen, ob er mit mir auf ein Date gehen würde.
Das hatte ich gestern Abend beschlossen, als ich erfuhr, dass die Firma, für die ich arbeitete, pleite gegangen ist und deswegen am Ende des Monats schließen müsste.

Was für mich hieß, dass ich einen guten Grund zum Wegziehen hatte. Schließlich brauchte ich einen neuen Job, nur gab es hier im Umkreis einfach nichts mehr.
Falls ich also einen Korb bekommen würde, könnte ich einfach wie geplant wegziehen. Wenn er mir aber zusagen würde, dann keine Ahnung. Das wäre dann das Problem meines zukünftigen Ichs.

Zwei Haltestellen bevor der Mann aussteigen würde, stand ich auf und ging auf ihn zu. Immer irgendwo festhaltend.
Was ich nie verstand, war, dass er nie Platz nahm. Dabei waren noch genug Sitze frei.
Aber das sollte mich jetzt nicht so kümmern. Schließlich stand ich bereits vor ihm.
Er schaute weiterhin einfach aus dem Fenster und schien mich fast gar nicht wahrzunehmen.

Nach einem kurzem, inneren Konflikt mit mir selbst räusperte ich mich einmal leise. Daraufhin drehte er seinen Kopf zu mir und schien mich jetzt richtig bemerkt zu haben.
„Ehm, ich will Sie nicht stören, aber ich habe sie jetzt schon eine Weile immer beobachtet und wollte fragen, ob Sie mit mir auf ein Date gehen wollen würden", rasselte ich herunter und lief kurz darauf rot an. Was hatte ich da denn bitte gesagt? Dass ich ihn beobachtete? Das klingt so, als würde ich ihn stalken!

Ich machte mich immer kleiner und senkte meinen Kopf. Von außen sah es bestimmt so aus, als würde er mich runtermachen. Mit seinen 1,90 m war er sowieso der Größte hier im Bus, auch wenn ich mit meinen 1,75 m nicht super klein war.

Immer noch hielt ich meinen Kopf gesenkt und wartete auf eine Antwort. Doch er blieb einfach still. Ich schaute etwas nach oben, um an seinen Augen vielleicht seinen Gesichtsausdruck zu erraten.
Oh wow. Das funktionierte ja mal gar nicht. Wenn ich jetzt irgendwas sagen müsste, würde ich Überraschung und Verwirrung vermuten. Nur konnte man einfach nicht so viel sehen, weil er ja eine Maske trug.

Langsam wurde es echt unangenehm. Besonders, weil auch noch dazu kam, dass mich die anderen Leute im Bus anschauten, als hätte ich auf einmal angefangen mit der Luft zu reden. Warum konnten die sich nicht einfach um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern?

„Natürlich versteh ich es, wenn du das nicht willst! Nur wollte ich einfach mal fragen. Ich geh dann mal zu meinem Platz zurück", lachte ich verlegen und drehte mich um, um schnell zurück zu meinem Sitz zu gehen.

Daran wurde ich gehindert, indem sich eine große Hand um meinen Arm schloss. Nicht fest, aber trotzdem bestimmt.
Ich wurde wieder umgedreht und schaute jetzt zu ihm auf.

Bevor ich mich dazu entschlossen hatte, ihn nach einem Date zu fragen, war ich viele mögliche Antworten von ihm durchgegangen. Auch das Schweigen war eine gewesen. Die meisten endeten damit, dass er straight war und schon eine Freundin hatte, oder dass er einfach kein Interesse hätte.

Doch keine einzige von meinen 133 Antwortmöglichkeiten kam dem in irgendeiner Weise nah, was er jetzt zu mir mit einem finsteren Blick sagte.

„Eigentlich solltest du nicht in der Lage sein, mich zu sehen."

𝐂𝐨𝐥𝐥𝐢𝐬Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt