Für meinen Vater
Ich wusste nicht, warum Juri mir nicht gesagt hatte, dass sein Elternhaus in so einer wohlhabende Gegend lag. Dass die Buchsbäume im Vorgarten alle die gleiche Form hatten. Dass die Autos vor den Garagen glänzten, als wären sie erst tags zuvor gewaschen worden.
Vielleicht hatte es Juri mir nicht gesagt, weil er wusste, dass ich mich dann unwohl fühlen würde. Denn das einzig Unperfekte im Umkreis von fünf Meilen, schien ich zu sein. Dabei hatte ich meine lässige Jeans gegen eine Chino getauscht. Das Nasenpiercing lag auf dem Rand des Waschbeckens in meiner Wohnung und in meiner Hand hielt ich einen Blumenstrauß. Als ich aber nun die üppige Blumenbracht in den Vorgärten betrachtete, kam er mir nur noch klein und erbärmlich vor.
Doch dann erinnerte ich mich an Juris Worte vom Morgen. „Meine Eltern werden dich lieben." Juri hatte mich noch nie belogen. Okay, anscheinend verschwieg er mir so einiges, aber in den vier Monaten, die wir nun schon zusammen waren, war er nie unaufrichtig gewesen. Seine Eltern würden mich also lieben. Etwas, das meine eigenen Eltern nicht mehr konnten, seit sie herausgefunden hatten, auf was für abartige Dinge ihr Sohn stand. Nämlich Männer.
Ich schüttelte den Kopf, um die negativen Gedanken zu vertreiben. Also wie schlimm konnte dieses Zusammentreffen, mit den Eltern meiner großen Liebe, schon werden?
Bevor ich jedoch den akkurat gepflasterten Weg, der zu dem zweigeschossigen, weißen Einfamilienhaus führte, betrat, atmete ich nochmal tief durch. Dann betätigte ich beherzt die Türklingel und setzte mein strahlendstes Lächeln auf.
Ein Mann, der nicht Juris Vater zu sein schien, denn er sah Juri kein bisschen ähnlich, öffnete mit ernster Miene die Tür, sodass das Lächeln auf meinen Lippen nun etwas kleiner wurde und ich mir nur noch vorkam, wie ein Idiot.
Ich weiß nicht mehr, ob es genau so passierte, oder ob meine Erinnerung mir Streiche spielt, aber im nächsten Moment kam eine Frau auf mich zugestürmt, das Gesicht schmerzverzerrt. Sie schlang ihre Arme um mich und schluchzte ein „Es tut mir leid".
Diese vier Worte ließen meine komplette Welt in sich zusammenstürzen. Diese Worte hatten die Macht, mir alles zu nehmen.
Mir das zu nehmen, was mir am meisten auf der Welt bedeutete – Juri!
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Und dann kamst du
Romance„Trauer kommt in Wellen und manchmal sind sie so hoch, dass sie alle anderen mit unter sich begraben. Liebe hingegen ist allgegenwärtig und sie trotzt auch so manchem Sturm mit hohem Seegang." Oscars Welt bricht zusammen, als sein Freund Juri überra...