Von Traum zu Wirklichkeit

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Xiao POV

Es waren ein paar Minuten vergangen, als Xiao aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung wahrnahm. Er sah zu Saya hinüber, die eine Hand nach ihm ausstreckte. Er zögerte einen Moment stieß sich dann jedoch von der Wand ab. Innerhalb eines Wimpernschlages war er an ihrer Seite. Sayas Lider waren bereits geschlossen, daher setzte er sich vorsichtig neben sie und umfasste ihre Finger. Er betrachtete ihr Gesicht, das schneeweiße Haar und ohne es richtig wahrzunehmen, berührten wenig später seine Fingerspitzen sanft ihre Wange. Er erstarrte und zog seine Hand zurück. Stumm ballte er sie zur Faust und schloss die Augen.

Er bemerkte Barbara, die den Raum gerade hatte betreten wollen, nicht. Diese wiederum hatte sich mit hochrotem Kopf schnell aus dem Zimmer zurückgezogen. Ein gequälter und zugleich trauriger Blick verschleierte Xiaos Augen, als er sie wieder öffnete. Es klopfte und sein Kopf fuhr herum, zugleich rückte er ein Stück von Saya ab, hielt ihre Hand jedoch fest umschlossen. Bevor Barbara beim Bett ankam, hatte Xiao seine Gefühle wieder im Griff und es war nichts mehr davon zu sehen. Er nickte ihr lediglich kurz zu, als sie sich an die Arbeit machte. Sie prüfte zuerst, ob das Medikament seine volle Wirkung entfaltet hatte und stellte zufrieden fest, dass Saya tief und fest schlief. Als nächstes zog sie sich Handschuhe über und entfernte den bereits wieder blutigen Verband. Mit geschickten Fingern machte sie sich daran, ihre Wunde zu versorgen. Nachdem sie fertig war, desinfizierte sie den Bereich um die Verletzung erneut und legte einen frischen Verband an. „In Ordnung, das war's fürs Erste", sagte Barbara und zog die jetzt blutbefleckten Handschuhe aus. „Sie dürfte bald wieder aufwachen und in einer halben Stunde etwa, sollte die Wirkung des Mittels komplett verflogen sein." Sie räumte alles zusammen und bat Xiao, bei ihr zu bleiben. „Es wird sie freuen, wenn jemand bei ihr ist, den sie kennt und dem sie vertraut." Er wollte protestieren, doch sie verließ den Raum bereits.

Zur selben Zeit erklangen sich nähernde Schritte. „Hallo Schwesterher...ähm Jean. Du suchst bestimmt Saya. Sie ist in diesem Zimmer dort untergebracht." Barbaras Stimme verhallte. „Wie geht es ihr?", fragte Jean einen Augenblick später. „Sie hatte einen tiefen Schnitt im Oberarm und dadurch eine gewisse Menge an Blut verloren. Dazu kommt, wie du weißt, die Lähmung. Ich hoffe wirklich Herrn Albedo kann uns schnellstmöglich sagen, mit was wir es hier zu tun haben. Ansonsten geht es ihr den Umständen entsprechend gut." Jean schien nicht ganz überzeugt, denn Barbara ergänzte noch: „Keine Sorge, sie wird schnell wieder fit sein, sobald wir sie heilen können." Die Großmeisterin bedankte sich leise und kurz darauf erschien sie im Türrahmen. Sie ging auf das Bett zu und wandte sich direkt an Xiao. „Ich danke Euch, dass ihr sie sicher hierher zurückgebracht habt." Ein harter Ausdruck legte sich über seine Gesichtszüge. „Ich hätte sie erst gar nicht zurückbringen müssen, wäre ich am Abend zuvor mit ihr gegangen. Ich hätte sofort bemerkt, dass sie jemand beo..."

Jean unterbrach ihn: „Es spielt keine Rolle, was gewesen wäre, wenn. Der Abgrund hat sie nicht in die Hände bekommen und sie lebt." Ein leises Schnauben war alles, was er erwiderte. „Ohne Eure sofortige Hilfe würde es ihr jetzt viel schlechter gehen. Wir können von Glück reden, dass sie es noch geschafft hat, Kontakt mit Euch aufzunehmen. Das konnte sie nur, weil ihr so bedacht wart ihr mitzuteilen wie." Sie fuhr fort: „Bevor ich mich auf den Weg hierher gemacht habe, habe ich kurz mit Albedo gesprochen. Er konnte anhand seiner bisherigen Forschung feststellen, dass tatsächlich ein Gift verwendet wurde und auch schon eingrenzen, um welches es sich handelt. Es wird nicht mehr lange dauern und er hat ein endgültiges Ergebnis."

Kurz nach diesen Worten entschuldigte sich die Großmeisterin, sie musste erneut zu einer Besprechung und ließ ihn mit seinen Gedanken alleine. Xiao starrte auf seine Hand, die nach wie vor Sayas Finger umschloss und bemerkte plötzlich, dass sich ihre Atmung beschleunigte. Ein Zittern erfasste ihre Glieder. Eine seltene Empfindung befiel seinen Körper, Angst. Irritiert und verwirrt versuchte er nichts desto trotz, eine Verbindung zu ihren Träumen aufzubauen, stieß dabei jedoch auf eine undurchdringliche, mentale Mauer. Die Medikation verhinderte ein Eindringen in ihren Geist und er konnte somit nichts gegen den sie beherrschenden Albtraum tun. Reflexartig packte er ihre Hand fester und in ebendiesem Moment riss sie die Augen auf. „Ganz ruhig, es ist alles in Ordnung. Du hast schlecht geträumt, mehr nicht", sagte er eindringlich. Sie blinzelte einige Male, drehte ihren Kopf in seine Richtung. Ihr Atem ging flach und schnell. Xiao wusste nicht, was er tun sollte und begann daher einfach zu erzählen, was geschehen war, nachdem die Medizin begonnen hatte zu wirken. Nach ein paar Augenblicken hielt er seinen Redefluss zurück. „Entschuldige. Ich...du solltest dich noch ein wenig ausruhen." Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln und er wandte sich verlegen ab.

Saya POV

„Es hat zwar die ganze Nacht gedauert, doch mit Hilfe der Blutprobe konnte ich ein Gegengift herstellen. Beim Luhua-Teich und in einigen anderen Gegenden ist diese Spezies durchaus noch anzutreffen. Solche Spinnen bauen ihre Nester gerne in Ruinen oder Höhlen. Sie gelten als aggressiv und es ist mir schleierhaft, wie ein Schuldeneintreiber der Fatui an solch ein Gift kommt, dennoch besteht kein Zweifel daran." Geweckt durch die gedämpften Stimmen, die hinter der schweren Holztür zu vernehmen waren, öffnete ich meine Augen. Schlaftrunken drehte ich meinen Kopf und fand den Platz, an dem Xiao gesessen hatte, leer vor. Was habe ich auch erwartet, dass er die ganze Zeit hier sitzt. Ein Knarren ertönte, als die Zimmertür geöffnet wurde. Albedo und Jean betraten den Raum. „Guten Morgen. Ich hoffe, wir haben Euch nicht geweckt", begrüßte mich die Großmeisterin und kam zu mir, dicht gefolgt von Albedo. „Wie ich sehe, hat Barbara es doch noch geschafft, Xiao zu verscheuchen. Er wäre wohl, laut ihrer Aussage, sonst die ganze Nacht hier gesessen." Fast die ganze... Während mein Gehirn diese Botschaft noch verarbeitete, platzierte Albedo bereits den Inhalt seiner mitgebrachten Tasche auf dem angrenzenden Holztischchen.

Einen Wimpernschlag später unterbrach Jean meine Gedanken: „Albedo ist es gelungen, ein Gegengift zu entwickeln und er wird es Euch gleich verabreichen. Sobald das Gift in eurem Körper neutralisiert ist, können wir die Wunde ohne Probleme heilen. Anschließend, wenn Ihr wieder fit seid, lasse ich Euch das hiesige Bad zeigen." Erleichterung durchströmte mich und mein Blick wanderte zu dem kleinen Tisch zurück. Der Alchimist hatte gerade eine Spritze aufgezogen: „Ich wäre soweit." Die Ampulle mit dem Gegengift stand bereits wieder verkorkt neben ihm. Jean trat zur Seite und er setzte sich zu mir auf die Bettkante. Behutsam drehte er meinen Arm in die richtige Position und desinfizierte, wie beim ersten Mal, die Einstichstelle mit Alkohol. Albedo setzte die Nadel an und ich fühlte einen kurzen Schmerz, als sie meine Haut durchdrang. Er sah mir in die Augen. „Es wird nicht lange dauern und ihr könnt Euch wieder ungehindert bewegen. Ich werde jedoch zur Sicherheit im Laufe des Tages immer wieder überprüfen, ob noch Restbestände des Giftes in Eurem Blutkreislauf vorhanden sind. Noch etwas, die Neutralisation oder anders gesagt, der Kampf gegen das Gift ist für den menschlichen Organismus eine Menge Arbeit, daher werdet Ihr euch noch eine Weile kraftlos fühlen. Überanstrengt Euch also nicht." Mit diesen Worten erhob er sich und wenig später war ich wieder allein.

Mit jeder Stunde, die daraufhin verging, spürte ich, wie ich nach und nach die Kontrolle über meinen Körper zurückgewann. Die Schmerzen, bis auf die in meinem Arm, verebbten ebenfalls und obwohl ich den Tag weitestgehend verschlief, ließ es sich Jeans Schwester nicht nehmen, mich während dieser Zeit ausgiebig mit Essen und Trinken zu versorgen. Am frühen Nachmittag schreckte ich aus einem eher unruhigen Schlaf hoch, setzte mich auf und lehnte mich an das Kopfteil des Bettes. Ein Luftzug strich mir über das Gesicht und ich bemerkte, dass jemand, vermutlich Barbara, eines der Fenster geöffnet hatte. „Ihr habt es überstanden", verkündete Albedo der gerade ein weiteres Mal das mir mittlerweile bekannte Prozedere wiederholte. Blut abnehmen, hier und da etwas hinzugeben, das Reagenzglas gegen das Licht halten, schütteln und auf eine Reaktion warten. „Wirklich?!", rief ich erfreut. „Wirklich", bestätigte er mit einem Lächeln. „Ich werde gleich jemanden zu Barbara schicken."

Es dauerte nicht lange und die Schwester der Großmeisterin betrat das Zimmer. „Ein Bote hat mich eben darüber informiert, dass sich kein Gift mehr in eurem Körper befindet und ich habe daher beschlossen, die Verletzung umgehend zu heilen." Vorsichtig entfernte sie den Verband. „Es kann sein, dass das Ganze gleich ein wenig kribbelt." Barbara streckte ihren linken Arm aus, drehte die Handfläche nach oben und überraschte mich, als sie anfing zu summen. Ich sah, wie sich Wassertropfen über ihrer Hand bildeten. Erst ein paar wenige, doch dann wurden es immer mehr und mehr. Das Wasser funkelte im Licht der bereits untergehenden Sonne und mir fiel auf, dass es die Form von Notenlinien annahm. Ein kleiner Kreis formte sich über ihrer Handfläche und dieser enthielt tatsächlich auch winzige Noten, die immer dann aufleuchteten, wenn Barbaras Melodie von vorne begann. Sie führte die Hand zur Wunde und mit einer geschickten Bewegung platzierte sie den Notenkreis um den genähten Schnitt.

Das angekündigte Kribbeln setzte ein und ich verfolgte staunend das Geschehen. Bevor sich die Verletzung jedoch endgültig schloss, entfernte Barbara geschickt die Fäden und einige Herzschläge später sah mein Arm aus, als wäre nie etwas passiert. „Wow. Ich danke Euch!" Sie schenkte mir ein herzliches Lächeln. „Keine Ursache. Dann werde ich mal Jean informieren. Oh, fast vergessen. Ich kann Euch gleich noch zeigen, wo sich das Bad befindet, falls Ihr nicht zu müde seid. Bei ihrem letzten Besuch hat meine Schwester nämlich Kleidung für Euch dagelassen." Ich nickte begeistert, denn ich wollte die blutverkrusteten Klamotten keine Sekunde länger als notwendig tragen. Ich rutschte zur Bettkante, stellte meine Füße auf den Boden und erhob mich. Nach ein paar ungelenken Schritten geriet ich aus dem Gleichgewicht und wäre beinahe umgefallen, doch Barbara stützte mich, ehe es soweit kommen konnte. Ich lächelte sie entschuldigend an und lief eine Runde durch das Zimmer, schlüpfte anschließend in meine Schuhe und war somit startklar. „In Ordnung ich denke jetzt geht es", sagte ich zu ihr. „Also gut, dann folgt mir." Wir verließen den Raum und liefen gemütlich durch einen der langen Gänge.

Ein paar Minuten waren verstrichen, als Barbara die Stille durchbrach. „Ähm...dürfte ich fragen, was eigentlich passiert ist? Ich meine...warum seid Ihr erneut zum Windstieg gegangen?" Instinktiv legte ich meine Finger an den Hals und blieb abrupt stehen. Moment...wo?! „Mein Schal! Wisst Ihr wo mein Schal ist?" Daraufhin zeigte sie mir den Inhalt einer Tasche, die sie aus dem Zimmer mitgenommen hatte. „Alles hier drin, auch die Kleidung zum Wechseln." Beruhigt setzte ich mich wieder in Bewegung und begann zu erzählen. „Wartet, wartet, wartet, Ihr habt das Pyro-Element verwendet und dann hat sich auch noch ein Schwert in Eurer Hand materialisiert?!" Dieses Mal war sie es die stehen blieben und mich mit offenem Mund anstarrte. „Das ist unglaublich. Das müsst Ihr dringend meiner Schwest...Jean erzählen! Es würde mich nicht wundern, wenn das einer der Gründe ist, warum der Abgrund Euch so verzweifelt in die Hände bekommen will. Ihr habt, wie es aussieht, die Euch innewohnende Energie mit reiner Willenskraft in das Pyro-Attribut umgewandelt." Kopfschüttelnd schloss sie wieder zu mir auf und grinste. „Ihr steckt voller Überraschungen. Schieben wir das Ganze aber erstmal beiseite, denn hier ist das Bad." Sie verwies auf eine Tür vor uns und überreichte mir die Tasche. „Ich hole Euch wieder hier ab, sobald ich Bericht erstattet habe." Ich nickte. „Ich weiß nicht, wie ich Euch allen danken soll." Sie winkte ab, winkte kurz zum Abschied und ging.

Die Tür vor mir führte in einen ausladenden Raum, der mit allem ausgestattet zu sein schien, was man sich für ein Bad nur wünschen konnte. Ich schloss ab, schälte mich eilig aus den Klamotten und betrat die Dusche. Das Wasser unter mir färbte sich rostrot, als ich den Hahn aufdrehte und ich beobachtete, wie das Blut langsam im Abfluss verschwand. Ich genoss das Prasseln des Wassers auf meiner Haut und schloss wohlig die Augen. Der Schmerz, der kurz darauf hinter meinen Schläfen explodierte, traf mich völlig unvorbereitet. Ich kniff die Lider zusammen und sank auf die Knie. Wie beim letzten Mal drückte ich meine Hände gegen die Seiten meines Kopfes, in der Hoffnung, es würde helfen, doch vergebens. Das Stechen war intensiver als zuvor und plötzlich blitzten weitere Erinnerungen in meinem Gedächtnis auf. Ich sah ein zerstörtes Haus. Alles war in sich zusammengebrochen und einige der großen Holzbalken ragten wie Speere in den Himmel.

Sind das...meine?
Ein Windstoß fegte durch die bergige Landschaft und weiße Haarsträhnen wehten in mein Sichtfeld. Nein...das, das kann nicht sein! Woher...?! Ich hob meine Arme, sah an mir hinab. Blut befleckte meine Haut und die Kleider, die ich trug. Was mich jedoch noch mehr schockierte, war die Tatsache, dass ich den Körper eines kleinen Kindes besaß. Ich schlug die Augen auf und schnappte nach Luft. Ich war zurück in der Dusche und noch immer prasselte das Wasser auf mich herab. Benommen starrte ich auf die Fliesen vor mir. „Was bei allen Archonten..." Ich erhob mich langsam, während die Schmerzen nachließen. Meine Beine zitterten und geistesabwesend drehte ich den Hahn zu. Was war das...Woher kam das ganze Blut und warum kann ich mich an nichts von alledem erinnern... Ich stieg aus der gefliesten Kabine, tappte zu den Handtüchern, trocknete mich und zog anschließend die bereitgestellten Kleider an.

Den Schal mit der Brosche wickelte ich mir dieses Mal um die Hüfte. Das Oberteil war jenem, welches ich während dem Kampf mit dem Schuldeneintreiber getragen hatte, sehr ähnlich. Nur die Hose reichte dieses Mal bis über die Knie. Grübelnd stand ich vor dem Spiegel, der über dem Waschbecken hing und trocknete meine Haare, bis ich seufzend innehielt. Warum passiert das alles...Langsam habe ich das Gefühl, mich selbst nicht mehr zu kennen. Resigniert senkte ich für einige Sekunden den Blick und als ich wieder aufsah, erstarrte ich. Das Handtuch glitt mir aus den Fingern und fiel zu Boden. Ein nahezu schwarzer Dunst in Form einer menschenähnlichen Silhouette ragte hinter mir auf, reflektiert von dem Glas vor mir. Die dunkelviolett leuchtenden Augen brannten sich in die meinen. „I-ich träume...das, das ist nicht real...", murmelte ich leise.

„Ich befürchte, ich muss dich enttäuschen, meine Liebe", erwiderte eine tiefe, melodische Stimme, die jede Faser meines Körpers durchdrang. Ich wirbelte herum und stand der Gestalt aus meinen Träumen gegenüber. „Wer seid Ihr und was wollt Ihr von mir?", rief ich misstrauisch. „Wer ich bin? Daran wirst Du dich früh genug erinnern. Was ich will? Ganz einfach, dass Du zurückkommst." Ein beinahe liebevoller Ton begleitete die Worte des Wesens. „Dieser schlechte Scherz eines Schuldeneintreibers, war zu nichts nutze...außer einer Sache..." Es folgte eine kurze Pause, ehe die Gestalt fortfuhr. „Durch das Gift und die Schwächung deines Körpers sowie deines Geistes, konnte ich die Verbindung..." Ich unterbrach mein Gegenüber. „Das heißt, Ihr habt mir den Abgrund und die Fatui auf den Hals gehetzt und somit alle um mich herum in Gefahr gebracht!" „Korrekt." Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten. Ich spürte, wie die Kraft in mir zu brodeln begann, streckte instinktiv den Arm aus und ein weiteres Mal erschien das elegante Schwert in meiner Hand.

„Du wirst also nicht freiwillig mit mir kommen...nagut." In einer blitzschnellen Bewegung hob der Schatten ebenfalls den Arm und mein Körper gefror in seiner Bewegung. „Was...!" Meine Stimme versagte und meine Augen weiteten sich. Nein, nein! Verschwindet aus meinem Kopf! Ich versuchte verzweifelt, den Einfluss des Fremden abzuwehren, stemmte mich mit vollem Bewusstsein dagegen. Mach es dir nicht unnötig schwer. Lass es einfach zu. Wie er bereits angedeutet hatte, war ich noch nicht wieder im Besitz meiner vollen Kräfte und konnte mich dem psychischen Angriff nicht länger als ein paar Herzschläge widersetzen. „N..ei...n." Es fühlte sich an, als würde ich aus meinem eigenen Körper verbannt werden. Gegen meinen Willen ließ ich den eben noch erhobenen Schwertarm sinken und sah in der Spiegelung eines Fensters, wie sich die Iris eines meiner Augen ebenso violett färbte wie die des Schattens. So ist es gut und jetzt...Aaah, ich spüre deine kleine Freundin. Einige Sekunden nach dieser Feststellung klopfte es bereits und Barbaras Stimme ertönte: „Saya? Seid Ihr schon fertig?" Ich finde, wir sollten sie nicht warten lassen. Was meinst du? Die nebelhafte Gestalt meines Peinigers verschwand und wie eine Marionette bewegte ich mich zur Tür. „Ich komme." Die Worte verließen meinen Mund, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen konnte.

Mit einem leisen Knarren bewegte sich die Tür in ihren Angeln und Barbara lächelte mir entgegen. Lauft weg! „Da bin ich, wie versprochen. Jean ist informiert. Sie möchte, wie ich vermutet habe, schnellstmöglich mit Euch sprechen. Ich..." Sie stockte. „Eu-euer Auge, Saya was..." Wie eine Gefangene in ihrer Zelle konnte ich nur hilflos mit ansehen, was geschah. Die Klinge in meiner Hand glänzte im Licht des verbliebenen Tages und eine Träne lief mir über die Wange. Ein Schrei erklang. Jeans Schwester sank auf die Knie. Sie war dem tödlich geführten Hieb im letzten Moment ausgewichen, doch mein Schlag hatte sie noch am Oberschenkel erwischt. Blut tropfte von der Spitze meiner Schneide und füllte die feinen Ritzen des Gesteins. Verwirrt und zugleich besorgt, rief sie: „Was ist passiert!? Kommt zu Euch, bitte!"

Meine Schritte hallten unheilvoll durch die leeren Gänge der Kathedrale, als ich auf sie zulief. „Ich muss zurück nach Hause..." Meine Stimme klang leblos und dumpf. „Geht mir aus dem Weg und ich werde Euch nicht weiter verletzen." Barbara kämpfte sich, mit vor Schmerz glänzenden Augen, zurück auf die Füße, während sich ihre Strumpfhose dunkelrot verfärbte. Sie zögerte nicht, vollführte eine kleine Drehung und ein leuchtender Notenkreis aus Wasser bildete sich um ihren Körper. Die Wunde heilte und sie sah mich entschlossen an. „Nein! Ich weiß zwar nicht, wer oder was Euch hierzu zwingt, aber ich flehe Euch an, kämpft dagegen!" Barbara... Ein paar Meter vor ihr blieb ich stehen, hob das Schwert und machte mich bereit für einen erneuten Angriff. Ich fixierte einen vitalen Punkt ihres Körpers. Aufhören! Ein Zucken durchlief meine Muskeln und dieses Zögern gab ihr die Chance, die Kraft ihrer Hydro-Vision zu bündeln und meinen Vorstoß zu blocken, wenn auch nur um Haaresbreite. Doch mein geistiger Widerstand hielt nur kurz und ein Schwertstreich folgte dem nächsten. Ich drängte sie ohne Mühe weiter und weiter zurück.

Schwer atmend sah sie mich an und so sehr ich es mir auch wünschte, sie machte keinerlei Anstalten beiseite zu treten oder aufzugeben. Zwischen meinen nächsten zwei Hieben bemerkte ich auf einmal eine Veränderung. Der Stein in der Brosche nahm unvermittelt ein helles Blau an und Eisblumen kristallisierten sich auf dem Metall meines Schwertes. Ein kühler, weißer Dunst umhüllte die Klinge und ich schrie innerlich auf, kämpfte wiederholt gegen den mentalen Käfig, der mich gefangen hielt. Barbara bemerkte den elementaren Wechsel nicht und das Wasser, welches sie abermals zum Schutz heraufbeschwor, gefror augenblicklich zu Eis. Die Druckwelle, die durch das Aufeinandertreffen der beiden Kräfte entstand, ließ das Glas in unserer Nähe mit einem lauten Krachen in tausende Teile zerspringen. Jeans Schwester fiel rücklings zu Boden und riss ihre Arme empor, um sich vor den herabfallenden Splittern zu schützen. Blutige Schnitte und Kratzer zeichneten unsere Haut, doch die neuerlichen Verletzungen kümmerten mich nicht und mein Blick wanderte zu einem der zerstörten Fenster. Ohne zu zögern sprang ich mit einem gewaltigen Satz durch die Öffnung.

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Ein weiterer Tag ein weiteres Kapitel o^^o

Am Abgrund zwischen Licht und Finsternis |  Genshin Impact FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt