Déjà-vu...

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Saya POV

Meine Augen waren wieder geschlossen, als ich spürte, wie sich zwei Hände unter meinen Körper schoben und ich behutsam hochgehoben wurde. Meine Muskeln waren noch immer verkrampft und mein ganzer Körper schmerzte, die Wunde brannte durch das Ausspülen jedoch nicht mehr ganz so schrecklich wie zuvor. „Wir sehen uns in der Stadt", vernahm ich Kaeyas Stimme und kurz darauf schlug mir ein warmer Wind entgegen. Rhythmisch durchfuhren mich die sanften Erschütterungen von Xiaos langgezogenen Sprüngen während ich seinem gleichmäßigem Herzschlag lauschte. Dieser half mir mich etwas zu entspannen. „Keine Sorge,  wir sind in windeseile bei der Kathedrale", sagte er zwischen zwei Sprüngen. Déjà-vu... Ein frustriertes Seufzen ertönte. Ein Seufzen?...Damit habe ich jetzt wirklich nicht gerechnet. Wäre mein Körper nicht gerade gelähmt, hätte ich vermutlich ein Lachen unterdrücken müssen. Ich weiß es wäre vollkommen unpassend in der aktuellen Situation, aber dieses Verhalten passte so gar nicht zu seiner sonstigen Persönlichkeit. „Ist es so schwer, meinen Anweisungen zu folgen? Nrgh warum sind Menschen immer so töricht..." Er brach ab. Das sind wir wohl...aber ich konnte Shun einfach nicht im Stich lassen...

Der nächste Sprung war besonders kraftvoll und ich vermutete, dass wir gerade auf der Stadtmauer gelandet waren. Diese Vermutung bestätigte sich, als ich unter uns zahlreiche Stimmen hörte. Kurz darauf erklangen darüber hinaus die Hufschläge von Pferden, die über eine gepflasterte Straße trabten. Das muss Kaeya mit den Rittern sein. Ich hoffe, Shun, Hiro, Mio und Ayumi sind in Sicherheit. Wieder in Bewegung verriet mir das Klappern von Ziegeln, dass Xiao, um die belebten Wege zu meiden, die Dächer der Stadt nutzte. Die restliche Strecke legte er im nu zurück zurück und jagte einer Schwester, die gerade dabei war, die Kathedrale zu betreten, einen ordentlichen Schrecken ein, als er neben ihr landete. „Bei allen Archonten was..!" Sie verstummte. „Das sieht aber gar nicht gut aus. Folgt mir, ich bringe Euch zu einem der freien Zimmer." Sie hielt ihm die schwere Tür auf und lief anschließend eilig voraus. Das Klacken von Absätzen war für einige Sekunden das einzige Geräusch, das an meine Ohren drang, ehe ein Knarren folgte. „Hier, legt sie dort hin." Xiao platzierte mich wie angewiesen auf das Bett. „Ich werde Barbara holen" Die Schritte der Schwester verloren sich in den Weiten der großen Kirche. Einen Moment später setzte sich Xiao neben mich und ergriff sanft meinen Arm.

Ich öffnete die Augen und versuchte, meinen Kopf anzuheben. Zu meiner Überraschung gelang es mir, wenn auch mit großer Mühe. „Verzeiht. Ich dachte, Ihr würdet schlafen." Ich sah, dass sich der Verband bereits wieder rötlich verfärbte, ehe er den Arm zurück auf die Matratze sinken ließ. Unter Aufbringung meiner letzten Kraftreserven schüttelte ich den Kopf. Ein erleichterter Ausdruck legte sich über seine Gesichtszüge, doch die Sorge verschwand nicht gänzlich. Schließlich konnte ich meinen Kopf nicht länger heben und ließ ihn wieder auf das Kissen zurückfallen, denn mit jeder verstrichenen Sekunde nahm der Schmerz in meinen beanspruchten Muskeln zu. Seine Gegner kampfunfähig machen. Kann ich jetzt bestens nachvollziehen, vielen Dank. Jede verdammte Bewegung, wenn man es überhaupt schafft, schmerzt, als würde man ein heißes Eisen auf die Haut gedrückt bekommen. Vielleicht gelingt es mir wenigstens...mich zu entschuldigen.

Ich konzentrierte mich darauf, ein paar Worte zu formulieren. „Danke...das Du ge...kommen bist...", murmelte ich und bemerkte nicht einmal, dass ich anfing, ihn zu duzen. „Verzeih, dass...ich nicht...im Gasthaus gewartet habe...aber ich konnte Shun...nicht..." Ich hielt kurz inne, denn auch das Sprechen verursachte Schmerzen und gerade als ich erneut beginnen wollte, hielt mich Xiao zurück. „Ihr...Du hast mich vorhin also gehört." Wieder seufzte er. „Es stand mir nicht zu, über Dich zu urteilen. Ich weiß nicht warum ich...Es tut mir leid." Er fixierte mich mit seinen Augen. „Ich vermute, Du hast in diesem Fall auch mitbekommen, dass die Wunde genäht werden muss. Sie blutet noch immer und es wäre gefährlich, wenn Du noch mehr Blut verlierst. Das Problem ist, wir können sie nicht einfach heilen. Es wäre riskant, da wir nicht wissen, ob nun tatsächlich ein Gift verwendet wurde und wie dein Körper darauf reagiert. Barbara wird gleich hier sein und sich die Verletzung anschauen. Kaeya indessen erstattet Jean Bericht, sobald er den Schuldeneintreiber in eine Zelle verfrachtet hat." Ich nickte leicht und in eben diesem Moment hörte ich, wie sich ein weiteres Mal Schritte näherten. Wie angekündigt, tauchte Barbara in der Tür auf. „Saya! Was ist passiert?" Sie stürmte an meine Seite. In einer Tasche, die über ihrer Schulter hing, war allerlei medizinisches Material. Kurz darauf tauchte eine weitere Person im Türrahmen auf. Ein junger Mann in einem weißgoldenen Mantel stand vor dem Zimmer. Seine türkisgrünen Augen leuchteten interessiert und als er näher trat, hörte ich das leise Klirren von Ketten.

„Mein Name ist Albedo, ich bin der Hauptalchimist des Ordo Favonius. Rittmeister Kaeya hat Jean in seinem Bericht darüber informiert, dass ein Gift im Spiel sein könnte und sie bat mich, dies umgehend zu überprüfen." Er stellte sich neben Barbara und betrachtete mich. „Ich würde gleich eine Blutprobe nehmen, wenn Ihr es gestattet." Ich nickte abermals, um meine Zustimmung kundzutun. Albedo, der ebenfalls eine Tasche bei sich trug, holte sogleich alles daraus hervor, was er benötigte, um seine genannte Bitte ausführen zu können. Er platzierte das Material ordentlich neben mir auf das Bett, zog sich Handschuhe über und nahm ein Fläschchen mit einer durchsichtigen Flüssigkeit in die Hand. Den kleinen Korken, der es verschloss, zog er geschickt heraus und der Geruch nach starkem Alkohol schlug mir entgegen. Er desinfizierte meine Armbeuge, nahm die Spritze zur Hand und einen kurzen Augenblick später spürte ich einen Stich. Xiao beobachtete das Geschehen schweigend, ließ Albedo dabei jedoch nicht aus den Augen. „Das sollte genügen." Der Alchimist zog die Handschuhe wieder aus, verstaute die Blutprobe in seiner Tasche und versorgte die Einstichstelle.

„Ich melde mich, sobald ich genaueres weiß." Mit diesen Worten packte er seine Instrumente wieder zusammen und verließ den Raum mit einem höflichen Nicken in unsere Richtung. „Ihr könnt Euch auf Herrn Albedo verlassen. Sollte tatsächlich Gift in eurem Körper zirkulieren, findet er es heraus." Barbara schenkte mir ein herzliches Lächeln. „Aber jetzt wird es höchste Zeit, Eure Verletzung zu versorgen. Ich habe ein Medikament in Auftrag gegeben, welches Euch nun ja sagen wir etwas benommen machen wird. Somit habt ihr keine Schmerzen während ich mich um den Schnitt kümmere, denn angenehm ist so etwas bei vollem Bewusstsein nicht." Sie begann Nadel, Faden und neues Verbandsmaterial auf einem kleinen Holztischchen zu drapieren. „Herr Yaksha würdet ihr...", sie deute an, dass er meinen Oberkörper anheben sollte. Xiao erhob sich und wenige Herzschläge später spürte ich seine Hand an meinem Rücken. „Danke." Barbara breitete ein dickes Leintuch unter mir aus. Xiao nickte und ließ meinen Körper anschließend wieder langsam auf die Matratze nieder.

„So alles vorbereitet", sagte sie munter. „Ich werde jetzt die Medizin holen." Eilig verließ sie das Zimmer, lehnte die Tür, statt sie zu schließen, jedoch nur an. „Auf Jean ist Verlass. Sobald der Alchimist herausgefunden hat, welches Gift verwendet wurde, kann die Wunde geheilt werden. Gut. Ich gehe nun ebenfalls. Du brauchst Ruhe und ich..." Xiao drehte mir bereits den Rücken zu und wollte gerade loslaufen, da griff ich nach dem Saum seines Ärmels. Ich konnte nicht sagen, warum, aber ich wollte nicht, dass er ging. Den aufflammenden Schmerz ingnorierend starrte ich in seine überrascht dreinblickenden Augen. Schnell drehte er den Kopf zur Seite und murmelte: „Menschen..." Er wandte sich wieder um, eine leichte Röte zierte seine Wangen. Xiao ging zu einem der großen Fenster und lehnte sich gegen die Wand, während das bunte Glas farbige Lichtflecken auf seinen Körper zeichnete.

Barbara erschien wenige Minuten später, in der einen Hand eine Wasserkaraffe und in der anderen eine Phiole mit einer klaren Flüssigkeit sowie einem kleinen Glas. Sorgsam stellte sie alles auf den bestückten Tisch. „Ihr bleibt hier. Schön. Dann können wir ja anfangen." Sie füllte etwas Wasser in das Glas und gab anschließend den Inhalt aus der Phiole hinzu. Schaudernd kniff ich die Augen zusammen, als sich der Geschmack der Medizin in meinem Mund verteilte. Igitt... „Schmeckt nicht besonders was?", sagte sie amüsiert. „Es wird noch ein Augenblick dauern, bis die Wirkung einsetzt." Barbara lief das leere Glas in der Hand zurück zum Tisch, schnappte sich im Austausch dafür das leere Medikamentenfläschchen und strebte die Tür an. „Ich bin gleich wieder zurück." In den ersten zwei Minuten geschah nicht viel, doch dann erfassten mich plötzlich ein starkes Schwindelgefühl und eine stählerne Müdigkeit. Ich hatte nicht mit so einer starken Wirkung gerechnet und Angst machte sich in mir breit. Unwillkürlich streckte ich eine Hand in Xiaos Richtung. Meine Lider fielen zu, doch bevor ich endgültig die Besinnung verlor, spürte ich, wie sich seine Finger um meine schlossen.

Träge blinzelte ich einige Male, um meine Sicht zu schärfen, merkte aber sofort, dass etwas nicht stimmte. „Wo bin ich? X-xiao?" Verwirrt richtete ich mich auf und sondierte meine Umgebung. Moment mal, ich...kann mich bewegen? Träume ich etwa... Ich schielte auf meinen Oberarm. Der Verband bedeckte noch immer meine Haut. Sehr merkwürdig. Ein dichter Nebel umgab mich, man konnte nur wenige Meter weit sehen und als ich schließlich aufstand, bemerkte ich, dass der Untergrund von schwarzen Linien durchzogen war. Dünne, filigrane, aber auch dicke und breite wanden sich über ihn hinweg und verloren sich im Nichts. Sie schienen jedoch nicht willkürlich angeordnet zu sein, denn je länger ich das Muster anstarrte, desto vertrauter wurde es mir. Woher.... Ich lief einen der Striche entlang und dachte nach. Woher kenne ich das.... Ich erreichte gerade sein Ende, da begann der Riss in einem fahlen Lila aufzuleuchten. Erschrocken wich ich in die Mitte der Abbildung zurück und mir wurde klar, wo ich das Ganze schon einmal gesehen hatte. Das...das ist das Mahl auf meinem Rücken! Zusammen mit dieser Erkenntnis ertönte plötzlich eine Stimme in meinem Kopf. „Komm...zurück...Komm zurück..." Der Nebel vor mir ballte sich zusammen und bildete eine Gestalt. Sie reckte die klauenähnliche Hand empor, die glühenden Augen auf mich geheftet.

Ich stolperte weiter zurück und fiel in meiner Hast zu Boden. „Das ist nicht echt! Wach auf! Wach auf! Wach auf!!" Mein Herz hämmerte mir in der Brust, etwas packte meine Finger und dann verschluckte mich eine Woge der Dunkeltheit. Unerbittlich zog sie mich in ihre unergründlichen Tiefen, drang in Mund und Nase. Ich riss die Augen auf und erst als ich statt des undurchdringlichen Nebels die Decke des Krankenzimmers erkannte, wagte ich es Luftz zu holen. „Saya!" Xiao! Mit seinem Ausruf kehrte der dumpfe Schmerz und das Pochen in meinen Oberarm zurück. Mein Atem ging schnell und flach. „Ganz ruhig, es ist alles in Ordnung. Du hast schlecht geträumt, mehr nicht", sagte er eindringlich und drückte meine Hand. Er sprach weiter: „Barbara hat die Wunde versorgt und neu verbunden. Sie kommt später nochmal vorbei, um nach Dir zu sehen." Der Klang seiner Stimme beruhigte mich. „Die endgültige Wirkung des Medikaments wird sich in der nächsten halben Stunde verflüchtigen. Jean war ebenfalls hier. Sie meint, der Alchimist habe bereits Fortschritte bezüglich der Blutanalyse gemacht." Xiao hatte immer schneller gesprochen, hielt nun aber ruckartig inne. „Entschuldige. Ich...du solltest dich noch ein wenig ausruhen." Ein schwaches Lächeln zupfte an meinem Mundwinkel und ich schüttelte langsam den Kopf um ihm zu zeigen, dass es mir nichts ausmachte.

Kurz darauf fielen mir die Augen wieder zu, doch schlafen konnte ich nicht, denn das Bild des schwarzen Mahls hatte sich regelrecht in mein Gedächtnis eingebrannt.

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Was mag es wohl mit dem geheimnisvollen Zeichen auf sich haben... >.<
Habt noch einen schönen Tag ^^/

Am Abgrund zwischen Licht und Finsternis |  Genshin Impact FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt