Der Unfall. - Dizzi

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Ich steige ins Taxi und schaue auf mein Handy. Felix hat mir geschrieben.
,Hey Alex. Wie geht es dir?'
,Ganz in Ordnung soweit.'
,Hör' zu. Es tut mir so unendlich leid.'
,Mach' dir keine Sorgen. Es war halt ein Unfall.'
,Doch, tue ich. Ich möchte es wieder gut machen.'
,Musst du nicht.'
,Ich will aber. Können wir uns irgendwie treffen?'
,Ja klar.'
,19 Uhr am Dom? Ich denke, du willst dich erst einmal ausruhen.'
,Ja, ok, geht klar.'
,Super. Bis dann! :)'

Ich komme zu Hause an und lasse mich direkt auf mein Bett fallen. Trotz meiner extremen Schmerzen am Hinterkopf, schlafe ich sofort ein. Der ganze Trubel heute, vor allem im Krankenhaus, hat mir jegliche Kräfte geraubt.

Mein Wecker klingelt. Es ist 18:00 Uhr. Schnell stehe ich auf und ziehe mich an. Ein Hemd und eine schlichte Jeans. Zum Schutz der Naht, setze ich auch eine Mütze auf, was ich sonst eigentlich nie mache. Doch ich merke, dass es eine unglaublich gute Entscheidung ist, als ich das Haus verlasse. Es sind gefühlte -10 °C. Mein Handy sagt mir, dass es -3 °C sind. Ja ok. Doch als ich beim Sperren die Uhrzeit lese, merke ich, dass ich viel zu früh dran bin. Ich verlangsame meinen Gang und denke über alles nach, was heute passiert ist.

Felix und ich waren Longboard fahren. Wir hatten uns seit langem mal wieder getroffen und waren zusammen frühstücken. Er hat mich eingeladen. Bei diesem Gedanken muss ich schmunzeln. Und dann, ist er auf dem Rückweg aus versehen natürlich, in mich hinein gefahren und ich bin mit dem Hinterkopf auf etwas aufgeschlagen, ich weiß nicht mehr, was das war... Es hat geblutet und geblutet und Felix ist richtig ausgetickt. Ich will nicht wissen, wie groß die Schuldgefühle waren, die ihn geplagt haben, als ich ins Krankenhaus gefahren wurde. Die Wunde musste mit einigen Stichen genäht werden. Aber das war es eigentlich schon. Ich wurde wenige Stunden später schon wieder aus dem Krankenhaus entlassen und muss mich jetzt ausruhen und vorsichtig sein, bis die Fäden gezogen werden. Jetzt will Felix sich mit mir treffen. Ich hoffe für ihn, dass er nicht denkt, dass ich sauer auf ihn bin. Das könnte ich gar nicht.

Dafür liebe ich ihn viel zu sehr.

Am Dom angekommen sehe ich ihn schon. Obwohl es erst 18:45 Uhr ist. Wie lange er schon auf mich wartet? 100 Meter trennen und nur noch voneinander, aber es kommt mir vor, wie 1000 Meter.
,,Hey Felix.", sage ich, als ich fast bei ihm angelangt bin. ,,Alex!", ruft er beinahe und geht auf mich zu. ,,Alex, es tut mir so unendlich leid!" Er nimmt mich in den Arm. ,,Muss es nicht.", erwiedere ich, als ich mich lösen will. Aber er hält mich fest. ,,Doch, muss es. Nur weil ich wieder so ein Volltrottel war." Seine Stimme klingt traurig. Er lässt mich immer noch nicht los. Obwohl es langsam merkwürdig ist, fange ich an, seine Nähe zu genießen. ,,Das kann jedem mal passieren." Ich spüre, wie meine Stimme fast versagt. ,,Aber nicht bei mir. Wenn ich durch meine Dummheit unsere Freundschaft auf's Spiel setze." ,,Warte mal, glaubst du echt, dass ich dich wegen so einer Sache nicht mehr mögen würde? Sauer auf dich sein würde?" Ich schaue ihm eindringlich in seine wunderschönen Augen. ,,Ja, das habe ich geglaubt." ,,Niemals würde ich soetwas tun. Niemals." Er lächelt leicht. ,,Ich hatte so eine Angst um dich..." ,,Hättest du nicht." Jetzt löst er sich und streift mir vorsichtig meine Mütze vom Kopf. Noch immer sind wir uns ganz nahe. Jede Berührung von ihm lässt mir einen Schauer über den Rücken fahren. Dank ihm und meiner Jacke, friere ich aber kein bisschen. Er lässt seine Hände vorsichtig über meine Haare fahren. Um die Narbe herum ist noch alles kahl. ,,Oh Gott. ... Scheiße. ... Jetzt fühle ich mich noch schlechter." ,,Felix, ich bitte dich. Hör' auf damit." ,,Nein! Kann ich nicht! Schau dir diese riesen Narbe an! Und ich bin daran Schuld." Er tritt ein paar Schritte zurück und vergräbt sein Gesicht in seinen Händen. ,,Felix! Schau' mich an!" Er blickt vorsichtig zu mir. ,,Lass', das jetzt! Sofort!" Ich gehe erneut ganz nah an ihn heran. Langsam werde ich sauer. ,,Die Fäden werden noch gezogen, das verkleinert die Narbe! Ich empfinde auch kaum noch Schmerzen. Es war vorhin schlimmer, aber wird schon immer weniger. Die Haare wachsen auch wieder nach!" Er hört sich alles kommentarlos an. Ich, ich werde wieder leiser. ,,Und das wichtigste ist: Ich bin nicht sauer auf dich! Das könnte ich gar nicht. Niemals. Wegen so etwas. Nie. Mals. Vor allem auf dich..." In meinem Redefluss merke ich gar nicht, was ich ihm gerade alles preisgebe. ,,Du bist das Beste, war mir je passiert ist. Du hast mich aus einem Loch herausgeholt, welches tiefer nicht hätte sein können. Du machst mich jeden Tag glücklich, aber gleichzeitig auch traurig, wenn du dich nicht bei mir meldest. Was ich ja auch nicht erwarte, ich meine wir sind ja kein Paar." Ich höre mich selber überhaupt nicht. Nehme Felix' Reaktionen nicht wahr. ,,Und ehrlich gesagt macht es mich traurig, dass du denkst, dass du mir nicht so wichtig bist, was auch wiederum bedeutet, dass du in unserer Freundschaft wohl weniger siehst, als ich." Und wie ich meine Gedanken zu Ende geführt habe, merke ich, was ich gerade getan habe. Schockiert sehe ich ihn an und drehe mich um. ,,Alex, meintest du das gerade ernst?" ,,Jetzt ist es ja auch zu spät, um zu leugnen... Mehr, als das." ,,Mehr?" ,,Was ich gesagt habe, klang so, als ob ich nur sehr starke, freundschaftliche Gefühle für dich hätte. Aber das ist schon lange nicht mehr so."
Stille.
,,Ich habe noch deine Mütze.", bricht Felix sie. Ich strecke meine Hand nach hinten, zu ihm aus. Doch anstelle der etwas kratzigen Wolle, spüre ich eine Hand. Seine Hand. Er schiebt seine Finger zwischen meine. Mein Puls rast. Nun hat er sie komplett umschlossen. Langsam zieht er mich an sich heran. Ich schaue ihm in die Augen. Er lächelt. ,,Du bist so süß." Geschockt und ungläubig starre ich auf ihn. Er lächelt immer noch. Dann beugt er sich zu mit herunter und schließt seine Augen. Ich verstehe was jetzt passiert. Ich verschränke meine Arme hinter seinem Hals. Dann lasse ich es passieren. Seine perfekten Lippen legen sich auf meine. ,,Passiert das gerade wirklich?", flüstere ich und lächel. ,,Ja.", sagt er und ich spüre seine Zunge. Es ist perfekt. Nach einigen Minuten lege ich meinen Kopf in seinen Hals und lache. ,,Ich kann kaum glauben, was gerade passiert." ,,Ich auch nicht." Er legt seine Arme um meinen Bauch. ,,Aber ich weiß, dass es perfekt ist."

↣Dizzi OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt