❊ 2 ❊

406 59 661
                                    

𝑫𝒆𝒓 𝑮𝒓𝒖𝒏𝒅, 𝒘𝒂𝒓𝒖𝒎 𝒊𝒄𝒉 𝑹𝒂𝒖𝒑𝒆 𝑵𝒊𝒎𝒎𝒆𝒓𝒔𝒂𝒕𝒕 𝒅𝒆𝒏 𝑲𝒂𝒎𝒑𝒇 𝒂𝒏𝒔𝒂𝒈𝒆 ...

━━ ❊ ━━

Streichen wäre hier mal wieder 'ne Idee. Kann ich mir mal für das Feedback am Ende merken.

Ich starre das Weiß über mir an. Beobachte, wie sich die klitzekleinen Risse hin und wieder berühren. Dicker und dünner werden. Sich verzweigen und auflösen. Dabei blende ich alles andere aus. Lausche nur dem leisen Geklimpere von »Comptine d'un autre été: l'après-midi«. Weiß Gott, wie lange ich das schon mache.

Und vermutlich hätte ich das noch weiter getan, wenn nicht mit einem Mal das besorgte Gesicht meiner Mutter in mein Sichtfeld gerückt wäre. Sofort richte ich mich auf, schaffe es gerade so die Kopfhörer aus den Ohren zu nehmen, da erfasst mich eine feste Umarmung.

»Was machst du nur für Sachen? Was ist passiert? Wie gehts dir?« Das altbekannte Fragen-Bombardieren — eine wahre Spezialität meiner Mutter.

»Das musst du meinen Körper fragen. Mein Date ist nämlich wegen ihm ein Fiasko geworden. Aber sonst gehts mir gut«, antworte ich ihr brav und ringe nach Luft, da sie mich immer noch derart stark drückt, als müsse sie mich zusammenhalten, weil ich sonst in kleine Splitter zerfallen würde.

Nach einer geschlagenen Minute lässt meine Mutter dann doch los, um mich mit ihrem streng-besorgten Blick zu fixieren.

Auweia, Kreuzverhör lässt grüßen.

»Du weißt, was ich meine. Was sagen die Ärzte?«

Meine Augen wandern nach unten zu meinen Händen, die in ihren liegen. Bleiben bei meinem rechten Zeigefinger hängen, an dem das Pulsoximeter angebracht ist.

Ich schaue auf den Bildschirm rechts neben mir, der verschiedene Kurven aufzeichnet. Unter anderem auch meine Herzfrequenz.

Dann höre ich die Tür aufschwingen und auf mich zukommende Schritte, die meine Aufmerksamkeit nach links richten lassen.

Es ist Dr. Fiedler, wie immer mit einem sanften Lächeln auf den Lippen. Dieses Mal ist er ohne ärztliche Verstärkung gekommen. Er greift sich einen der beiden Stühle im Raum, ehe er ihn neben mein Bett platziert und sich setzt. Seine Mappe legt er mitsamt dem Stift auf seinem Schoß ab. Daraufhin streicht er sich eine der grauen Strähnen seines vollen Haares aus dem Gesicht.

»Frau Schulz, wie geht es Ihnen heute?« Seine Stimme klingt stets beherrscht und ruhig, so auch jetzt.

Wie geht es Ihnen heute? Eine Standardfrage von Ärzten und medizinischem Personal. Dabei müsste er doch am besten wissen, wie es mir geht, schließlich hat er die Fakten vorliegen — denke ich zumindest nach den vielen Body-TÜVs, denen ich mich unterziehen musste.

»Danke, Dr. Fiedler, so weit ganz gut. Haben Sie denn auch gute Neuigkeiten für mich?« Ich lächele ihn erwartungsvoll an.

Und zum ersten Mal erlischt das Strahlen in seinem Gesicht. Plötzlich sieht es fahl aus, als hätte er einige Nächte durchgemacht. Seine Wangenknochen treten markant hervor, die Ringe unter seinen Augen wirken größer und mehr lila als sonst.

Ich schlucke den Kloß in meinem Hals herunter. »Was haben die Untersuchungen ergeben?«

Dr. Fiedler räuspert sich kurz, lässt den Blick auf seine sich faltenden Hände auf dem Klemmbrett sinken, ehe er dem meinen wieder begegnet. Eigentlich kann er sich seinen Vortrag sparen, denn man sieht es ihm so schon an, dass meine Lage überragend sein muss.

So viele Gründe, warum ...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt