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𝑫𝒆𝒓 𝑮𝒓𝒖𝒏𝒅, 𝒘𝒂𝒓𝒖𝒎 𝒊𝒄𝒉 𝒆𝒊𝒏 𝒎𝒊𝒆𝒔𝒆𝒓 𝑬𝒊𝒏𝒃𝒓𝒆𝒄𝒉𝒆𝒓 𝒘𝒂̈𝒓𝒆 ...

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Eine weitere Nacht vergeht, in der ich kaum ein Auge zumachen kann. Zu viele wirre Gedanken kreisen unaufhörlich in meinem Gehirn wie in einem Karussell umher. Zu viele überwältigende Gefühle überschlagen sich in meinem Körper wie Loopings bei einer Achterbahn. Was ist das gestern nur für ein Tag gewesen? Und was wird mich in der nächsten Zeit noch erwarten? Ich habe keinen blassen Schimmer ... Was ich allerdings weiß, ist, dass die Zeit drängt und ich sie nicht unnötig verschwenden möchte.

Der Gedanke daran, dass Doras und mein Vater eine Verbindung zueinander hatten, lässt mich einfach nicht mehr los. Dann noch die auffälligen Parallelen zu Gugus Geschichte. Das kann alles unmöglich ein Zufall sein. Deswegen musste ich natürlich wissen, ob es bei Dora und mir auch so ist. In ihrem Geldbeutel habe ich schließlich die Antwort gefunden: Sie wurde am 14. November 1992 geboren. Mein Geburtsdatum. Damit habe ich zwar eine Gewissheit, aber zugleich kommen wieder neue Fragen hinzu.

Eine davon geistert besonders penetrant in meinem Hirn herum und drängt sich in den Vordergrund: Hat mein Vater auch einen Körpertausch inklusive Zeitreise mit Leonard Runge erlebt?

Doch mit Denken allein werde ich zu keiner Lösung kommen. Es lassen sich damit lediglich Vermutungen aufstellen. Was ich brauche, sind Beweise. Und ich hoffe, sie in meinem Zuhause zu finden. Ich weiß, dass Papa wie Dora Tagebuch geführt hat. Wenn ich also Antworten finden möchte, dann muss ich wohl oder übel nach Hause und sie in seinen Tagebüchern suchen ...

Ich schlage die Augen auf und meine immer noch anhaltende Hoffnung, dass doch alles nur ein Traum gewesen ist, schwindet mal wieder bei dem Anblick der Pflanzen, die sich um mich herum tummeln. Hoffentlich brauchen die alle keine Pflege. Bei meinem grünen Daumen sterben sie, sobald ich sie länger als zehn Sekunden anschaue. Ich könnte ja im Internet nach Anleitungen suchen, wie man sich um die Teile kümmert, aber dafür müsste ich erst einmal wissen, mit was ich es überhaupt zu tun habe. Zu blöd, dass es noch nicht diese eine App gibt, bei der man jegliches Grünzeug abfotografieren kann, damit es dann Vorschläge ausspuckt, um was es sich genau handelt. Aber dazu bräuchte ich ohnehin erst mal ein Handy.

Na ja, wenn Dora stirbt, kümmert sich sowieso niemand mehr um das Tropenparadies ...

Mein Puls schießt unkontrolliert hoch, wenn ich daran denke, dass es nur noch wenige Tage bis zu ihrem bevorstehenden Todestag sind. Diese Tatsache schenkt mir schließlich die nötige Motivation, um aufzustehen. Ich öffne den Kleiderschrank und starre wie auch jeden Tag zuvor auf die Kalenderübersicht. Heute ist Donnerstag. Der Tag, der zuvor immer mit einem roten Kreuz markiert wurde. Was es damit auf sich hat, ist mir nach wie vor schleierhaft. Genauso wie diese Pfeile ... Vielleicht finde ich in Doras Tagebuch einen helfenden Hinweis?

Ich schüttele den Kopf, verwerfe den Gedanken schnell und wende mich stattdessen der Kleidung zu. Heute entscheide ich mich doch tatsächlich für ein Top mit Blümchen darauf. Es ist sogar etwas Glitzer mit eingearbeitet. Vor dreizehn Jahren hätte ich das eventuell sogar auch getragen — vermute ich.

Nicht mal eine halbe Stunde später verlasse ich das Haus und hole das Fahrrad aus der Garage. Als ich zum Tor hinaustrete, sehe ich auf und erstarre. Durch den Garten des Hauses gegenüber spaziert gerade Paul. Zumindest sieht ihm die Person von hinten verdächtig ähnlich. Er hält etwas in der Hand — könnte eine Tageszeitung sein. Zielstrebig geht er auf die offene Tür zu und verschwindet schließlich im Haus. Wohnt er etwa hier? Waren Dora und Paul Nachbarn und hatten deswegen so ein vertrautes Verhältnis zueinander?

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