- Kapitel 6: Feind deines Feindes -

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Joska hielt Wort. Asavi sah weder am Morgen noch über den Lauf der nächsten zwei Tage irgendeine Menschenseele. Kein Wasser, kein Essen. Sie erleichterte sich in den Kübel, der immer noch in der Ecke stand und wenigstens schickte man ihr am Abend einen stummen Schatten, der ihn mitnahm. Als Asavi aber nach dem Verbleib von Csaba oder Joska fragte, beeilte sich der Schatten, das Zimmer wieder zu verlassen.

Asavi hatte festgestellt, dass die Türe zu ihrer Scheinzelle nicht einmal ein Schloss besaß. Jedoch aus einem sehr überzeugenden Gefühl der Angst heraus, wagte Asavi nicht, sie zu öffnen. Zwar schlich sie so nah wie möglich heran und lauschte, doch sie hörte immer ein paar Räume weiter Stimmen. Sie würde hier bestimmt sterben.

Sie schaffte es nicht einmal, in der Stille zu weinen. Sie fürchtete, dadurch ein wichtiges Geräusch zu überhören und wenig später erklangen Schritte vor dem Zimmer. Die Türe wurde geöffnet und wieder geschlossen.

Jemand stellte einen frischen Kübel in die Ecke und kam zu ihr herüber. Asavi hielt die Luft an, doch als Csabas Stimme erklang, ließ sie ihren Atem ausströmen.

»Das war wirklich sehr dumm von dir«, begrüßte er sie und setzte sich neben ihr mit dem Rücken zur Wand.

»Ach, wirklich?«

»Ja, war es wirklich.«

Asavi schluckte gegen das Gefühl von Sandpapier in ihrer Kehle an. »Das war Sarkasmus.«

»Ich weiß.«

Ihr mattes Lächeln war eindeutig der Beweis dafür, dass sie bereits mit ihrem Leben abgeschlossen hatte.

»Zar ist nicht tot«, durchbrach Csaba schließlich die Stille von sich aus und Asavi brauchte einige Augenblicke, um das zu verinnerlichen.

»Was?«

Csaba rückte sich zurecht und räusperte sich leise. »Ist er nicht.«

»Aber du hast gesagt-«

Csaba zischte durch die Zähne. »Weil es für alle beteiligten das beste ist, wenn er von der Bildfläche verschwindet. Auch um Joskas Willen. Leute wie Zar machen ihn krankhaft paranoid.«

»Armer Joska. Bitte«, beeilte sich Asavi, zu sagen, »das war ebenfalls Sarkasmus, du musste mich nicht berichtigen.«

Csaba schnaubte. »Hör zu. Ich weiß nicht, wer Zar für dich ist, aber er ist ein zäher Kerl. Leider genauso untreu. Wir tolerieren ihn nur wegen seines Talents, nicht, weil wir auf seine Loyalität zählen. Jedes Mal, wenn er durch unser Tor kommt, droht ein Gemetzel auszubrechen, Engelsköpfe hin oder her. Er ist ein schwer zu tragendes Risiko. Und das letzte, das wir brauchen«, sagte Csaba mit Nachdruck in der Stimme, »ist einen Bürgerkrieg innerhalb des Klans. Vor allem nicht, wenn uns die Varai genauso gerne tot sehen wollen, wie die Engel. Damit hat Joska nämlich leider Recht.«

Asavi schluckte. »Warum?«

Csaba rieb sich über die stoppeligen Wangen. »Weißt du, warum Zar die Engel jagt?«

»Weil er es kann«, meinte sie leise und hob die Schultern. Ihr Kopf fühlte sich an, als wäre er mit Watte gefüllt. Sie war so unsagbar durstig.

»Ja, aber er kann es, weil die Engel ihn nicht angreifen und er tut es, weil es seine Berufung ist.«

»Weil er ein Varai ist, richtig?«

Das Geräusch von sich hebenden Schultern erklang in dem kleinen Zimmer und Asavi wandte Csaba den Kopf zu. Sie erkannte seinen muskulösen Schemen in respektvollem Abstand zu ihr am Boden sitzen.

»Keine Ahnung was sein Ziel ist, mir ist in den vergangenen Jahren noch niemand begegnet, der von so viel dummem Glück gesegnet war wie er. Oder der mit so einem herzhaften Todeswunsch auszieht, um sie zu jagen. Aber er macht es regelmäßig und hilft uns, obwohl Joska jedes Mal droht, ihn umzubringen. Manche freuen sich, ihn zu sehen. Er bringt Neuigkeiten aus der Welt und schmeichelt sich bei sämtlichen Leuten ein. Hast du eine Ahnung, wie viele Engel um unsere Städte ziehen? Viel zu viele. Aber er scheint immer irgendwie da zu sein, wenn sie aufkreuzen.«

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