- Epilog -

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Izabelas hochhackige Stiefel dröhnten in der unterirdischen Stille des kaltfeuchten Korridors wie Gewehrschüsse. Und das war Absicht. Sie legte so viel Hass und Abneigung in ihre Schritte, wie es die dünnen Absätze zuließen.

Das Blut auf ihrem weißen Blazer war noch nicht getrocknet und trotzdem dürstete es ihr bereits nach mehr. Das nächste Mal erledigte sie die Aufgabe gleich selbst. Auf niemanden war mehr verlass, selbst ihre genetisch modifizierten Drohnen wandten sich gegen sie. Jurajs Verrat war ebenso unfassbar wie enttäuschend. Gut, sollte er eben seinen freien Willen bekommen. Dem Rest seiner Bagage würde sie diesen noch früh genug austreiben.

Vega zu züchtigen war eine gänzlich andere Angelegenheit. Aber das musste warten.

Sie entsperrte das Eisengitter am Ende des Korridors und stieß es fest auf. Ein heiseres Quietschen hallte durch den leeren Raum unter dem Gestein, doch wo es in Izabela einst Ehrfurcht und eine Gänsehaut hervorgerufen hatte, blieb nur noch genervte Resignation zurück.

»Was willst du, ich habe zu tun«, herrschte sie in die schummrige Stille und folgte dem dünnen Metallsteg in die Mitte der gigantischen Höhle. Vor ihr gähnte ein unendlicher Abgrund im Bauch der Erde und inmitten dieser Leere thronte der Körper des Mondes.

Luna-Majors vierzehn Augen starrten wie weiße Murmeln ins Nichts, doch die Aura dieses Monsters durchdrang weitaus mehr, als Haut und Fleisch. Izabelas Knochen knisterten unter der geballten Aufmerksamkeit dieses ätherischen Geschöpfs.

Du hast sie entkommen lassen.

Izabela seufzte tief und rieb sich über die gefurchte Stirn. »Ich habe sie nicht entkommen lassen, sie ist geflohen. Ich bin gerade dabei eine Suchaktion in die Gänge zu leiten, als du mich gerufen hast. Das hier ginge alles deutlich schneller, wenn du mir nicht dazwischenfunken würdest.«

Luna-Majors weiße endlos langen Haare wehten sachte in einer geräuschlosen Brise um seinen bewegungslosen Körper. Er drehte seinen Kopf kaum merklich. Von wem sprichst du?

Izabela stieß einen frustrierten Schrei aus. »Von wem ich spreche? Von Asavi natürlich! Die gerade von unserem Radar verschwindet, falls es dich überhaupt interessiert!«

Luna-Major richtete seine weißen Augen auf sie aus. Ich erinnere mich an sie. Sie wird zu mir zurückkommen. Doch mein Bedenken gilt nicht nur ihr.

Izabela atmete tief durch. Sie musste die Situation schleunigst unter Kontrolle bringen. Nicht nur, dass sie kommende Woche einen von Joskas Stützpunkten angreifen wollten, sondern auch, dass ihr dieses verfluchte Gör schon wieder durch die Finger gerutscht war wie ein schleimiger Fisch. Was um alles in der Welt hatte sie dazu verleitet, Großmut zu zeigen? Lächerlich. Bei Kindern half nur das, was auch Befehlsverweigerer zurück auf die richtige Bahn lenkte. Züchtigung und Bestrafung.

»Von wem zum Teufel sprichst du?«, fauchte sie ungeduldig und warf einen hektischen Blick auf ihre Uhr. Sie sollte seit zwei Minuten in ihrer militärischen Einsatzbesprechung sitzen.

Von dem Mann bei ihr.

»Juraj?«, schnaubte Izabela abschätzig und ließ ihren Arm demonstrativ ungeduldig fallen. »Er ist ein gescheitertes Experiment, entschuldige, das liegt nicht an deinem Gen, sondern an meiner Unfähigkeit mit Kindern umzugehen.«

Luna-Major sagte nichts darauf, sondern hob in Zeitlupe seine Hand, um sich damit an die gewölbte Brust zu fassen. Izabela schloss um Geduld ringend die Augen und stieß die Luft heftig durch die Nase aus.

Er hat sich gestern mit Arjan unterhalten.

Izabela rollte mit den Augen. »Auch das ist mir bewusst. Ich bin zwar nicht allwissend, wie du es manchmal vorgibst zu sein, aber ich weiß durchaus, was innerhalb meiner Basis vorgeht.«

Luna-Major legte den Kopf schief. Nicht allwissend. Vieles entgleitet mir, Erdenkind. Vieles bleibt nicht haften. Rutscht aus meinem Geist, wie Wasser im Sand versickert. So wie die Existenz dieses Mannes. Du hast ihn das erste Mal in mein Heim gebracht. Und seit Asavi hier ist, spüre ich schmerzen. Hat Arjan dir denn nicht gesagt, was er über ihn weiß? Du solltest ihn fragen. Ich glaube, mich zu erinnern, dass es wichtig war.

Izabela biss die Zähne fest zusammen. »Juraj weiß nichts.«

Der Körper des Mondes hob den Kopf und breitete seine Finger auf der Brust aus. Nicht Juraj. Der andere Mann, der bei Asavi ist. Arjan kann dir sicherlich erzählen, ob seine Forschungen Früchte getragen haben.

Izabela verspürte selten ein anderes Gefühl neben Unmut, Frustration ihren Untergebenen gegenüber und Resignation, aber in diesem Augenblick sickerte ein Rinnsal an keimender Furcht in ihren Verstand. Arjans Blut klebte immer noch auf dem Fliesenboden des Gefängnisses und schmückte ihr Revers. »Balthazar? Was für Forschungen hat Arjan damals durchgeführt?«

Hmm, summte die unendliche Stimme Luna-Majors durch die mächtige Höhle. Ich erinnere mich nicht.

Seine Fingerkuppen glitten über den weißen Stein seines Torsos und fuhren lautlos über den Riss in seiner Brust, aus dem scharlachrotes Blut sickerte, wie ein eisengesättigter Bach.


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