- Kapitel 29: Verhandlungsmaterial -

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Csaba verlangsamte erst, nachdem sie auf die löchrige Landstraße auffuhren und die Lichter Mischkolz' hinter dem Regenschleier erloschen waren.

»Meinst du, sie verfolgen uns?«, fragte Jazmin über das klägliche Stöhnen des Motors und das extraterrestrische Wimmern Erbses hinweg.

Csaba warf einen unnötigen Blick in den Rückspiegel und verzog den Mund. »So, wie ich Joska kenne, auf alle Fälle. Wenn er vorher nicht alle anderen umbringt.«

»Szloa-?«

»Sie kann froh sein, wenn sie den Morgen überlebt«, unterbrach er sie und verstärkte den Griff ums Lenkrad. Seine Schuld. Seine verdammte Schuld.

Zur Sicherheit schaltete er das Licht ab und verlangsamte, bis der Motor vom Regen übertönt wurde. »Wir sollten auf jeden Fall bis zum Morgengrauen weiterfahren. Das sind noch«, er schob seine fingerlosen Handschuhe ein Stück zurück und prüfte seine Armbanduhr, »zwei Stunden.«

Jazmin presste sich beide Hände aufs Gesicht. Dann brach sie in Gelächter aus, das unterlegt mit Tränen Erbse erneut zu einem klagevollen Aufjammern bewegte.

»Reiß dich zusammen«, murmelte Csaba befangen und warf ihr einen Seitenblick zu.

Jazmin stieß ein lautes Schluchzen aus und holte tief Luft. »Sorry. Joska hat mich beinahe umgebracht, da verliert man schon mal die Nerven. Wir wären beinahe draufgegangen. Wir sind desertiert«, schnappte sie, sobald ihre Lungen wieder ihr normales Fassungsvermögen zuließen. »Wir sind heimatlos.«

Csaba presste die Lippen zusammen und nahm eine Hand vom Lenkrad, um Jazmin damit unbeholfen die Schulter zu tätscheln. »Aber wir leben noch und Heimat in diesem Sinne wird überbewertet.«

Die Heimat, die Joska ihnen geboten hatte – und ihm im Speziellen – sah nicht vor, dass man zur Ruhe kam. Oder sich amüsierte. Oder Freude empfand. Seinem Halbbruder ging es immer nur um Zahlen. Am besten in Form von Todesopfern, Engelsleichen und Zähnen. Munition, Benzin, Hubschrauber. Je weniger in seiner Umgebung von organischer, beseelter Natur war, desto besser. Hätte er die Hoheit über die Engel in die Finger bekommen, hätte er sie ebenso für seine Rachepläne verwendet. Stattdessen ließ er sie in seinen Solarkraftwerken verglühen, um seine Welt mit Strom zu versorgen, Waffen zu produzieren und Forschung zu betreiben. Oder das, was er als Forschung bezeichnete.

Der Gestank nach schmelzendem Stein, vermischt mit stechend saurem Geruch, der einem die Nasenhaare wegätzte, begleitete ihn selbst einige Tage nach seinen Kontrollgängen in den Kraftwerken irgendwo in den Tiefen seiner Nebenhöhlen verankert, wie ein ungebetener Gast. Und die Schreie. Csaba verzog das Gesicht beim Gedanken an die schrille Kakophonie sterbender Engel, die, wie ihr Todesgestank, in seinem Innenohr einem Tinnitus gleich nachhallte.

Jazmin gluckste durch ihre Tränen und rieb sich die feuchten Wangen. »Tut mir leid. Das alles ist wohl meine Schuld.«

Csaba schüttelte den Kopf und warf paranoid immer wieder einen Blick in den Rückspiegel, aber die Nacht blieb finster. Immer wieder holperten sie in ein Schlagloch und die Reifen knarzten ungesund. Zumindest war die Tankanzeige noch in Takt und versprach die nächsten Tage durchzuhalten.

»Ist es nicht. Wenn, dann ist es meine. Mit den Konsequenzen müssen wir so oder so leben. Kannst du nachsehen, wie viel Proviant und Verpflegung wir dabei haben?«

Jazmin starrte ihn durch nasse Augen an und schmunzelte. »Du bist immer bei der Sache, oder? Dich bringt nichts aus der Fassung.«

Csaba warf ihr einen Blick zu und wollte etwas erwidern, aber Jazmin löste bereits ihren Gurt und kletterte zu Erbse auf die Rückbank. Einer musste schließlich bei der Sache bleiben und einen kühlen Kopf bewahren. Erfahrungsgemäß war das seine Aufgabe gewesen, seit Joska ihm den Praktikumsplatz in Izabelas Genlabor verschafft hatte. Daran war weder etwas Verwerfliches, noch etwas Belustigendes, aber er ließ es unausgesprochen, weil er ahnte, dass Jazmin gar nicht meinte, was sie sagte.

[Sci-Fi/Fantasy] Starfall - Wenn der Himmel fällt ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt