Erkenntnis

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In der Pause entschied ich mich dazu es nochmal zu versuchen. Irgendwie musste man doch mit dem Riesen ins Gespräch kommen. Noch bevor Yamaguchi es zu uns schaffte, tippte ich Tsukishima auf die Schulter. Er drehte sich direkt zu mir um. Seine berüchtigten Kopfhörer trug er zum Glück noch nicht. "Unser Treffen gestern war ganz schön überraschend, oder?", fang ich mit Smalltalk an. "Naja, nicht wirklich, wenn man bedenkt, dass die Schule so nah an der Stadt ist.", erklärte er. "Stimmt, stimmt ... sag mal auf welcher Schule warst du vorher?", will ich weiter wissen und stütze meinen Kopf auf meine Hände. "Ich habe dir doch gesagt, du sollst mich nicht so ausfragen, Stalkerin.", verdrehte er die Augen. Ich lachte leicht. "Sorry~ Hast du den neuen Teil schon durch?", will ich jetzt wissen. "Ah, ja hab ich. Fand ihn nicht so gut.", gab er zu. "Echt? Ich bin erst bei der Hälfte und ich liebe es!" Yamaguchi kam zu uns. "Worüber redet ihr?" "Nichts.", der blonde Junge stand auf. "Lass uns gehen.", Tsukishima sah mich nicht an, als er mit Yamaguchi ging. "Dann bis gleich!", rief ich ihm noch hinterher. Keine Reaktion. "Du solltest ihn echt in Ruhe lassen.", hörte ich eine weibliche Stimme neben mir. Erschrocken drehte ich mich zu Hana. "Gott, wie lange stehst du da schon?" "Lange genug.", sie zog mich leicht am Arm hoch. "Komm jetzt, sonst sind die guten Sachen ausverkauft." "Komme~", meinte ich laut und wir machten uns auf zum Kiosk. "Gibst du mir wieder die Onigiri mit Bohnenpaste?", frage meine Freundin, um sicher zu gehen, nicht zu viel zu kaufen. "Yes! Kaufst du mir dafür ein Melonenbrot?", bettel ich mit großen Augen. "Ja, ja. Bis gleich.", mit den Worten stürzte sich die mutige Sportlerin in die Menschenmenge aus hungrigen Schülern. Gib dein Bestes! Schrie ich innerlich. Yamaguchi und Tsukishima schienen schon fertig zu sein, ich konnte sie nirgendwo sehen, aber ich erspähte ein anderes bekanntes Gesicht. Der große Typ mit Kinnbart, ich glaube, er hieß Asahi und sein Teamkollege mit den braunen Haaren. Dabei war auch noch einer mit grauen Haaren und einem freundlichen Lächeln. Ob die Jungs mit meinem Sitznachbarn befreundet sind? Wie freundet man sich mit so jemanden denn an? Vielleicht könnten sie mir helfen? Wäre das komisch? Schon ein bisschen. Die Idee verwerfe ich mal lieber wieder. Yamaguchi könnte mir vermutlich auch besser helfen.

Plötzlich spürte ich einen kräftigen Ruck und ich wurde nach hinten gezogen. Im selben Moment rannte eine Gruppe Jungs aus der Oberstufe mit einer mega Geschwindigkeit direkt an mir vorbei. "Pass doch auf, wo du stehst!", höre ich eine genervte Stimme und drehte mich zu meinem Retter. Yamaguchi sah uns fassungslos an, als Tsukishima meine Bluse losließ. Ich spürte meine Wangen rosa werden. "Du hast mir das Leben gerettet!", ich hielt mir die Hände vor den Mund. "Jetzt übertreib mal nicht.", winkte er ab und die Jungs gingen wieder ins Klassenzimmer. Mein Herz raste wie verrückt und ich glaube, ich hatte meine Frage, wieso Tsukishima mich so interessierte, gerade beantwortet. "Ich glaube, ich mag Tsukishima.", sage ich ganz ruhig. "Och ne bitte nicht.", stöhnte Hana, welche gerade wieder neben mir auftauchte. Erschrocken wich ich zur Seite. "Du musst aufhören dich so anzuschleichen.", tadelte ich sie. Mit ihrer freien Hand schnippste sie gegen meine Stirn. "Spinnst du eigentlich? Den Idioten magst du?" "Aua.", ich rieb meine Stirn und nickte. Sie verzog angewidert das Gesicht. "Unmöglich.", gab sie mir zu verstehen und ging dann einfach an mir vorbei. "Hey! Mein Melonenbrot!", rief ich und rannte ihr schnell hinter zurück in die Klasse.

Die restliche Stunde konnte ich meine Augen kaum von dem blonden Riesen abwenden. Immer wieder verlor ich mich in der Erinnerung, wie er mich im Flur rettete. Mochte er mich also doch? Nach dem Unterricht wollte ich ihn wieder ansprechen, aber noch bevor ich meinen Kopf heben konnte stand Hana zwischen unseren Plätzen. "Komme wir gehen heute zum See.", schlug sie vor. Mein Kopf schnellte hoch. "Wirklich?" Sie nickt und reicht mir meinen Kugelschreiber. Bei den Spinden zogen wir beide unsere Schuhe an. "Musst du heute nicht helfen?", frage ich meine Freundin. "Ne, mein Vater macht heute alleine. Wir zwei haben schon lange nicht mehr rumgehangen. Außerdem gibt es da etwas worüber wir reden sollten, findest du nicht?", sie sah mich nicht an. "Achso?", wunder ich mich. Es waren locker 38 Grad draußen. Man könnte denken, der Asphalt schmilzt gleich. Am See gab es zum Glück eine große Wiese mit ein paar Bäumen, welche tollen Schatten warfen. Früher waren wir fast jeden Tag hier. Manchmal auch mit unseren Familien. Über die Jahre wurde es aber immer weniger, deshalb ist es für mich immer eine große Sache wieder hier zu sein. Hana verstand nicht, was ich an dem See so toll fand. Man konnte hier nichtmal mehr schwimmen, wegen so komischen Algen. Mir ging es aber um die Atmosphäre und die Erinnerungen.

"Weißt du Yuu...", leitete meine Freundin das Gespräch ein, als wir an ein paar kleinen Wohnhäusern vorbeigingen. "Manchmal weiß man nicht richtig was man fühlt.", fuhr sie fort. Ich hörte ihr aufmerksam zu. Keine Ahnung worauf sie hinaus wollte. "Die Sache ist doch die: Du kennst Tsukishima seit 2 Wochen. Ihr habt 2 Mal miteinander geredet. Das reicht nicht, um sich zu verlieben. Nichtmal um als Freunde zu zählen." Ihr Blick schweifte ab. "Sagt wer?", will ich wissen. Gab es bei sowas etwa Regeln? Musste ich ihn mindestens eine Monat kennen, um befreundet zu sein? Wenn es sowas gab, musste mir Hana alles ganz genau erklären. "Na, dass ist einfach so. Das weiß man auch einfach.", versuchte sie mir verständlich zu machen. "Ich finde das aber gar nicht "einfach"", musste ich zugeben. "Du findest Tsukishima bestimmt gutaussehend wegen seiner Größe und weil er dich im Flur beschützt hat, bewunderst du ihn. Das hat aber nichts mit mögen zu tun." Ich nickte. "Und was muss ich tun, damit ich ihn mag?", wollte ich wissen. "Was ist das denn für eine Frage? Man muss nichts tun, man mag jemanden eben. Das ist ein Gefühl.", lachte sie leicht. Wir kamen am See an und setzten uns. "Aber so interessant fand ich noch nie irgendwen.", möchte ich Hana deutlich machen. "Also findest du ihn interessant und magst ihn nicht.", stellte sie richtig. "Achso. Das ergibt schon Sinn. Aber was ist mit meinem Herzklopfen?", ich sah sie direkt an und ihre Augen weiteten sich. "Sowas hast du in seiner Nähe?" "Zumindest hatte ich es bei der Rettung.", gab ich zu. Ihr Blick entspannte sich wieder. "Das war nur Aufregung." "Ah, ja okay. Und wenn ich Tsukishima gerne mögen würde?" "Man kann jemanden nicht gerne mögen wollen. Man mag eine Person, oder eben nicht." "Aber ich möchte gerne mehr mit ihm reden." "Wieso denn?" Ich überlegte. Es war, wenn Hana recht hatte, nicht die Tatsache, dass ich ihn mochte, was war es dann? "Vielleicht weil ich ihn interessant finde.", sage ich ihr. "Du interessierst dich doch sonst auch nicht für Jungs. Hast du noch nie." Da hatte sie recht. Bisher waren Jungs für mich ein Phänomen. Ich war noch nie mit einem befreundet und mochte auch noch nie einen. Mir hat auch nie jemand seine Liebe gestanden. Ich war irgendwie nicht der Typ für sowas, aber meine Mutter sagt, da wachse ich noch rein. Vielleicht bin ich jetzt ja reingewachsen. "Würdest du es hassen, wenn ich mich mit Tsukishima anfreunden würde?", frage ich geradeheraus. "Dann tue ich es nämlich nicht." Hana lächelte mich an und schnippste dann wieder gegen meine Stirn. "Ich entscheide nicht, mit wem du dich anfreundest, Yuu. Aber ich glaube nicht, dass Tsukishima Lust auf Freunde hat. Er wird sicher nur total ekelig und gemein zu dir sein und du wirst am Ende enttäuscht." Es war einige Zeit still. Dann fand ich meine Stimme wieder. "Ich möchte es versuchen!", verkündete ich laut. Hana sah mich überrascht an und nickte dann. "Alles klar, glaub aber nicht, dass ich mich mit einem von den Beiden anfreunde. Unterstützen werde ich dich trotzdem wo ich kann."

Begeisterung Tsukishima x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt