Prolog

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Layla

Es war stockdunkel als ich mitten in der Nacht meine Sachen packen und das Haus verlassen wollte. Ich würde es in diesem Gefängnis keine Sekunde länger aushalten. Für kein Geld der Welt.

Mit dem Rucksack über meinen Schultern und meinen Schuhen in der Hand, weil ich auf Socken leisere Schritte machte, versuchte ich die Stufen ins Wohnzimmer runter zu gehen. Auf der Hälfte der Treppe hielt ich inne, als mich ein dunkles Paar Augen aus der Dunkelheit anstarrten.

„Fuck, Jasira!", fluchte ich flüsternd und hastete die letzten Stufen herunter. „Es ist nach Mitternacht. Solltest du nicht längst im Bett sein?"

„Sagt die Richtige.", fauchte meine kleine Schwester und verschränkte provokant die Arme vor der Brust.

Im Schatten der Dunkelheit konnte ich einen gräulichen Schimmer um ihren Mund erkennen und verdrehte unweigerlich die Augen. „Hast du schon wieder Eis genascht?"

Ertappt wischte sie sich mit ihrem Pyjamaärmel über den Mund, als hätte ich so nichts gesehen und schüttelte wild mit dem Kopf. „Hab ich gar nicht.", protestierte sie mit hoher Stimme, wobei ich ihren Schokoatem wahrnehmen konnte. Schokolade mit Brownie und Karamelsauce um genau zu sein. Denn dabei hatte es sich eindeutig um meinen Eisbecher gehandelt. Diese kleine Elster. Schlimmer als jeder Waschbär.

„Ich könnte dich das gleiche fragen." Jasira leckte sich gierig über die Lippen. Ich schien sie mitten in ihrer Fressattacke gestört zu haben, denn ihr Appetit war offensichtlich noch nicht gestillt.

„Ich bin erwachsen, Jas. Ich kann gehen, wann und wohin ich will."

Wieder zog sie eine schmollende Grimasse. „Das petze ich trotzdem Mama und Papa."

Jetzt verdrehte ich die Augen. „Tu, was du nicht lassen kannst. Aber lass endlich die Finger von meinem Eis, du Kleptomane. Du kriegst genug Taschengeld in den Arsch geblasen, um dir eigenes Eis zu kaufen."

Statt eines weiteren Arguments streckte sie mir die Zunge raus und stampfte absichtlich laut die Stufen zu ihrem Zimmer hoch. „Blöde Kuh!", rief sie oben angekommen und knallte die Tür hinter sich zu.

Dass sie dafür am nächsten Morgen eine Menge Ärger kassieren würde, war mir für den Moment eine Genugtuung, mit der ich mich zufrieden geben konnte.

Nervös schaute ich auf mein Smartphone und musste feststellen, dass mich dieses Unterfangen zu viel Zeit gekostet hatte.

Der Nächste, der mir eine Predigt halten würde. Klasse.

Beinahe lautlos ließ ich die Haustür ins Schloss fallen und rannte zu dem Auto, dass in der Finsternis unter der großen Eiche geparkt stand.

„Du bi-"

„Zu spät. Ich weiß.", unterbrach ich meinen besten Freund, der mich strafend ansah. „Jas ist mir entgegen gekommen und musste erst noch diskutieren. Die kriegt ihr Fett auch noch weg."

„Bei ihrem Zuckerkonsum glaube ich das eher weniger.", setzte Rafael an und startete den Motor seines Wagens.

„Vorsicht, Raf, du kennst die Geschwisterregel."

„Keiner darf sich an den Geschwistern vergreifen außer man selbst.", sprachen wir im Chor und Raf ließ seinen Motor aufheulen, gab Gas und preschte die Straße runter.

„Also, wo geht's hin?", wollte ich wissen und zog während der Fahrt endlich meine Schuhe an.

„Dafür, dass du keine Ahnung hast, hast du dich ganz schön rausgeputzt.", foppte er mich, doch sein charmantes Grinsen verriet, dass es ihm durchaus gefiel, was ich trug.

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