Henry
Eigentlich wollte ich den Nachmittag mit lernen verbringen. Aber mein Bruder hatte andere Pläne. Jamie war an diesem Dienstag aufgekratzter als üblich und ich entschied mich dazu, mich in unserem Wintergarten niederzulassen und in einem meiner Bücher zu schmökern. Meine Berge von Büchern, die ich noch zu lesen hatte, wurden immer größer und hatten längst die Kapazität meiner Bücherregale gesprengt. Ich würde auf kurz oder eher lang meine eigene kleine Bibliothek ausbauen und auf den Rest unseres Hauses erweitern müssen, wenn ich nicht wollte, dass wild auf dem Boden alles herumlag.
„Ich geh in den Garten.", rief Jamie mir auf dem Weg durch den Wintergarten zu und wedelte dabei mit einem Seil in seiner Hand. „Vielleicht drehe ich danach noch ein paar Runden im Pool. Willst du nicht auch lieber mit raus kommen? Es ist so ein schöner Sommertag heute."
Ich sah nicht weiter von meinem Buch auf und vertröstete meinen Bruder mit den Worten: „Danke, aber ich bleibe bei meinem Gehirnjogging." Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie er gleichgültig mit den Schultern zuckte und die Tür langsam hinter ihm zufiel.
Die Tür war nicht ganz zurück ins Schloss gefallen, als ein Rufen zu mir durchdrang. „Henry!", konnte ich Jamie rufen hören. „Komm schnell!"
Reflexartig ließ ich mein Buch auf den Sessel fallen, sprang auf und sprintete aus dem Wintergarten auf die Wiese. Zu meiner Linken befand sich unser Pool, an dem Jamie stand. Er rührte keinen Muskel.
„Was ist denn los?", fragte ich, bevor ich die Situation überschauen konnte.
„Layla, was machst du hier? Ich dachte, du bist noch zu Hause und erholst dich." Jamies Stimme war ein Schatten seiner selbst, als ich das Mädchen am Beckenrand entdeckte.
Layla saß an der Kante und ließ ihre Beine in dem warmen Wasser baumeln. Das wäre nur halb so schlimm, hätte ich nicht gewusst, wie ihr Verhältnis zu weitem oder tieferen Gewässern war. Sie konnte kaum richtig schwimmen und nach dem Unfall mit ihrer Schwester hatte sie panische Angst vor Wasser.
„Hey, Kleine, was machst du da?" Vorsichtig näherte ich mich dem Pool und blieb neben Jamie stehen. „Was ist passiert?", flüsterte ich meinem Bruder zu und wagte es nicht den Blick von Layla zu nehmen, die wie selbstverständlich mit den Füßen im Wasser plantschte.
Jamie zuckte mit den Schultern. „Sie saß einfach da, man. Hat kein Wort gesagt. Sie sieht uns nicht mal an."
„Shit.", entwich es mir, als ich sie mir genauer ansah. Ihre Augen waren gerötet und blutunterlaufen. Sie hatte offensichtlich geweint und wusste nicht, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen soll.
„Was machen wir jetzt?", wollte Jamie wissen. Ich hatte ihn noch nie so angespannt gesehen. Panik stand in sein Gesicht geschrieben, weil er Angst um dieses Mädchen hatte. Ich konnte ihn nur zu gut verstehen. Layla war eine unserer besten Freundinnen und wir konnten es beide nicht ertragen, wenn einem unserer Liebsten wehgetan wurde.
An dem Abend, als die Vergewaltigung war, hatte Jamie in seinem Zimmer alles kreuz und klein gehauen. Er ging hoch wie eine Bombe, weil er sich nicht anders zu helfen wusste. Diese Unfähigkeit etwas tun zu können, machte uns beide rasend.
Ohne den Blick von Layla zu nehmen, zog ich mir die Hose aus und setzte mich in Boxershorts an den gegenüberliegenden Beckenrand. Hastig wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen und versuchte ihre Tränen zu verbergen.
„Möchtest du darüber reden?", versuchte ich es erneut. Ich bemühte mich, so ruhig und besonnen wie möglich zu klingen. Keine unnötige Angst oder Druck aufbauen. Sie musste von sich aus auf uns zu kommen.
„Ich..." Ihre Stimme war durch das Wasserplätschern mit ihren Füßen kaum zu hören. Ihre Finger krallten sich an dem steinernen Rand fest, bis ihre Knochen weiß hervorstachen.
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Hurricane
RomanceNach einem Vorfall auf einer Studentenparty ist für Layla nichts mehr, wie es vorher war. Doch einer ihrer Professoren bietet seine Hilfe an. Ohne zu wissen, was diese Zusammenarbeit für Konsequenzen verursachen könnte, geht die Studentin auf den De...