7 Jahre vorher, Detroit, Michigan
"Jetzt hör schon auf, Nancy, das ist totaler Quatsch. Es war nur ein Kuss auf einer Party wegen eines Trinkspiels, ehrlich mal. Bei sowas findet man seine 'große Liebe' höchstens in Filmen. Außerdem, es ist Carter."
Wir sitzen unter einem Baum am Rand des Footballfelds. Es gibt das einzig wirklich Leckere was unsere Kantine zustande bringt zu Mittag: Schokopudding. Die Gemüsesuppe mit aufgeweichten Brotstücken darin, die sich in Luft auflösen, wenn man sie auch nur anschaut, haben wir aus Erfahrung übersprungen. Was uns nur möglich war, weil wir mittlerweile echte Profis sind, uns an der Köchin vorbeizudrücken, die einen immer alles 'zumindest probieren' lässt.
An sich wäre alles friedlich und wie immer, würde Nancy damit aufhören, über Carters und meine 'märchenhäfte Liebe auf den ersten Blick' zu fachsimpeln.Was ich nämlich am Schlimmsten daran finde ist, dass sie mich damit sehr gut daran erinnert, wie sich der Kuss angefühlt hat und ich seitdem das Bedürfnis habe, ihn zu wiederholen.
"Typisch Schütze", seufzt sie jetzt. "Immer alles abstreiten und es völlig abwegig finden, dass es 'ausgerechnet der' sein muss. Was ist dein Problem mit ihm? Er sieht megamäsig gut aus und ist supernett. Und er mag dich ziemlich sicher auch nicht wenig."
"Hör mir lieber mit deinem Horoskopzeugs auf, ich denke lieber rational. Und das ist mir ganz sicher nicht mehr möglich, wenn du mich die ganze Zeit an ihn und seinen Hypnose-Blick erinnerst. Oder mich der Hypnose-Blick trifft", grummle ich.
Kopfschüttelnd lässt Nancy sich der Länge nach ins Gras fallen. "Also hast du eigentlich rein gar keine Argumente gegen ihn. Warte nur, spätestens morgen, wenn er dich fragt, ob du mit ihm zum hundertsten Mal 8 Mile gucken willst, bist du ihm völlig verfallen."
"Klar doch."
"Nein, wirklich! Ich sehe es schon vor mir: 'Allerliebste Jessica, willst du mit mir 8 Mile, das größte filmische Meisterwerk aller Zeiten, den ich genau wie du schon x mal gesehen habe, schauen?' 'Aber klar doch, allerliebster Carter!' *schmacht*..."
Ich stoße ihr mein Knie in die Rippen, weil das praktischer ist, wenn sie liegt und ich sitze. "Ach, halt doch die Klappe."
Zwanzig Minuten später schlendere ich gedankenverloren den Gang entlang, bis mich Nancy schmerzhaft in den Unterarm zwickt.
"Au", zische ich. "Willst du das zum Ritual machen? Jedes Mal wenn er irgendwo in Sichtweite auftaucht fügst du mir auf irgendeine Art Schmerz zu?"
Carter steht ein paar Meter weiter gegen die Spinde gelehnt und unterhält sich mit Nate.
"Gleich fragt er dich, ziemlich sicher", kiekst Nancy und irgnoriert meinen bösen Blick geflissentlich.
"Falsch. Ich frage ihn.", erwidere ich und gehe entschlossen auf ihn zu. Zumindest bis er sich umdreht und ich wie angewurzelt stehen bleibe. Ups.
"Heeyy", sagen wir beide und werden wie auf Kommando rot. Das fängt ja gut an.
"Umm...",sage ich im gleichen Moment, in dem Carter "Ich wollte dich fragen...", sagt.
"Jaah ich dich auch..." Damn it.
"Hast du 8 Mile schon gesehen?", fragen wir beide gleichzeitig. Kurz stehen wir beide ziemlich überrascht da, dann müssen wir lachen.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Nate Nancy, die ein Stück hinter mir steht, zuzwinkert. So ist das also. Auch Carter, der offenbar Nancys Reaktion gesehen hat, geht ein Licht auf und er zuckt mit einem Lächeln in meine Richtung die Schultern.
"Aber ja, habe ich", meine ich und zucke ebenfalls die Schultern.
"Tja, ich auch", er nickt.
Klar ist das so, denke ich. Schließlich ist der Film schon recht alt.
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Letting down
Teen FictionJessie ist 21 Jahre alt, will Illustratorin werden und hat sich den Traum erfüllt, in New York, der Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten zu leben. Und außerdem ist sie seit einem Jahr Mutter von Zwillingen. Mit ihrer besten Freundin Nancy und ihren...