three - but first, coffee

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Mit dicken, dunklen Augenringen und einem halbvollen, aber bereits kalten Thermobecher voller Kaffee in der einen und ihrer Handtasche in der anderen Hand, eilte Summer am nächsten Morgen die überfüllten Straßen New Yorks entlang und schlängelte sich durch riesige Menschenmassen und wütende Auto- und Taxifahrer, die hupend hinter dem Steuer saßen und sich vermutlich gegenseitig aufs Schlimmste verfluchten.

Am liebsten würde sie es ihnen gleichtun, doch ihre Wut konnte sie an niemanden richten außer an sich selbst. Obwohl Summer nach dem gestrigen Gespräch mit Hannah Stover direkt das Gebäude verlassen und sich auf den Heimweg gemacht hatte, hatte sie nicht damit gerechnet, so früh noch einmal von ihrem Vater zu hören. Nachdem sie beinahe eine Stunde lang miteinander geredet haben – wobei Summer nicht einmal die Hälfte seiner Worte verstand – und sie dank des stockenden Verkehrs und ganzen zwei Unfällen an diesem Abend erst weit nach Sonnenuntergang in ihre Straße bog, sah sie bereits die geschlossenen Jalousien des asiatischen Schnellimbiss um die Ecke. Ihr Kühlschrank gab nicht viel her, außer einem Glas Essiggurken, einer Flasche Weißwein und zwei Zitronen, die vor sich hinvegetierten. Also schob sie sich die letzte Tiefkühlpizza in den Ofen, die sie normalerweise für Notfälle aufhob (und die sie eigentlich auch gar nicht mochte – wer aß schon gerne Kapern?), doch kaum hatte sie sich mit ihrer Pizza auf das Sofa gesetzt, überfiel sie die Müdigkeit. Die letzte Zeit bei ihrem Vater war nervenzerreißend und auch der heutige Tag war nicht gerade leicht, weshalb sie sich zeitnah ins Bett legte.

Es war jedoch nicht verwunderlich, dass Summer auch diese Nacht kaum ein Auge zubekam. Das Gespräch mit Hannah Stover geisterte ihr noch durch den Kopf und allein die Vorstellung, wie sie sie bei Jonathan Black anschwärzte, trieb ihr ein unbehagliches Gefühl in die Magengegend. Ihre schlechte Laune zog sich wie ein roter Faden durch den nächsten Morgen. Den Wecker, der jeden Morgen um Punkt 4:30 Uhr klingeln sollte, hatte sie an diesem Morgen aus Versehen ungünstig auf den Boden geschmissen, woraufhin sie eine gute Stunde verschlafen hatte. Ihr blieb gerade mal genug Zeit, eine Feuchtigkeitscreme und etwas Wimperntusche aufzutragen, sich die Haare erneut nur provisorisch hochzustecken und etwas Deo aufzutragen. Währenddessen tröpfelte in der Küche der Kaffee in den Thermobecher, der allerdings bereits kalt war, bevor Summer überhaupt fertig war. In aller Eile schnappte sie sich den Kaffeebecher und polterte geradezu die Treppenstufen hinunter, an deren Ende sie eine ziemlich unschöne Begegnung mit ihrer Vermieterin hatte. Sie wollte Summer nur freundlich darauf hinweisen, dass sie sie schon seit Monaten nicht mehr dabei gesehen hatte, wie sie das Treppenhaus kehrte – wie es ja die Pflicht eines jeden guten Mieters war, schließlich wohne sie in keinem Luxus-Appartement, wo sich eine Reinigungskraft um diese Angelegenheiten kümmern würde; ihr wütendes Gezeter konnte man vermutlich bis ans Ende der Straße hören. Und als wäre dieser Morgen nicht schon mies genug, sah sie, wie der Bus, den sie an diesem Morgen noch hatte erwischen wollen, an ihr vorbeifuhr, als sie gerade die Kreuzung erreichte. Also machte sie sich per Fuß auf den Weg und hoffte, dass ihr Deo sein Versprechen trockener Achseln und frischem Blumenduft hielt.

Wie gesagt: Das Leben konnte wahrhaft unfair sein.

Vollkommen außer Atem kam Summer an ihrem ersten Ziel des Tages an. Die dicken weißen Buchstaben, die über der großen Eingangstür des Backsteingebäudes hingen, forderten sie gerade dazu auf, das Gebäude zu betreten und sich in die altbekannte angenehme Hülle aus Schutz und Geborgenheit zu flüchten. Erleichtert trat Summer durch die doppelte Glastür und der vertraute und intensive Duft von warmem Kaffee stieg ihr in die Nase. Für einen kurzen Augenblick vergaß sie all die Hektik und den Stress, der sie schon seit dem Aufwachen verfolgte. Oh wie gerne würde Summer nur einen Morgen ausschlafen können, um sich danach bei der blonden Frau hinter der Theke einen großen Kaffee mit einem Schuss Haselnusssirup und einen Bagel mit Frischkäse und Kräutern zu bestellen und sich dann in die hinterste Ecke des Cafés zu setzen und ihr Frühstück zu genießen, während sie in aller Seelenruhe die Menschen um sie herum beobachtete, sich entspannte und über das Leben philosophierte. Was für ein Luxus das wäre.

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