Yōsukes Wohnung
25. August 2021, 19:31 Uhr
Auf dem Weg in sein Apartment brach das Verlangen immer wieder durch. In den kurzen Momenten, in denen sie sich sicher waren, keinem Menschen zu begegnen, gaben sie ihren Gefühlen nach. Am Ende erreichten sie die schützende Wohnung, in der niemand ihre Anziehung aufeinander ahndete. In einer Gesellschaft, in der körperliche Intimität im öffentlichen Raum nicht gern gesehen war. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, gab es nur noch sie beide und den Kuss, der sie nahtlos miteinander verband. Schwer atmend löste sich Yōsukes Begleitung und legte ihm ihre Hand auf die Brust. Mit sanften Druck brachte sie Abstand zwischen sich. „Lass uns kurz unter die Dusche springen. Der Tag war lang."
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Er richtete sich auf und gab den Weg frei. „Geh schon mal vor. Ich check vorher meine Mails." Mit knappen Schritten durchquerte Yōsuke das Apartment und stand an seinem Schreibtisch.
„Sag mir, ob das Geld eingegangen ist. Ich habe es gestern überwiesen", rief sie ihm zu, bevor die Tür zum Badezimmer ins Schloss fiel.
„Geht klar." Rasch öffnete er eine kleine Figur, die hinter ihm das Regal dekorierte. Den Schlüssel, der im Innern lag, nutzte er, um die unterste seiner Schreibtischschubladen zu öffnen. Mit gekonntem Griff aktivierte er das Smartphone, das dort ruhend wartete. Nachdem er die Pin eintippte, informierte ihn das unablässige Vibrieren des Gerätes über eingehende Nachrichten und verpasste Anrufe. Rasch überflog Yōsuke die Mitteilungen. An einer blieb er hängen und öffnete sie mit einem Doppelklick.
Saiyans_xoxo: Ich habe jemand Neues an Land gezogen. Hoffentlich kannst du über ihr Alter hinwegsehen. Sie ist 60, aber gut in Schuss. Ohne Frage hat sie einen talentierten Chirurgen.
Yōsuke entfuhr ein Schnauben, als er das Bild betrachtete. Eine Frau räkelte sich lasziv auf einem Sofa. Er wischte über das Foto, um darauf zu antworten.
Yasuo-xy: Geht klar. Er scrollte nach oben und las weiter.
Saiyans_xoxo: Sonst habe ich für kommende Woche die Hotels und Restaurants gebucht. Und wir sollten mit Kazuko/SaverforLife-1983 langsam das Ende einläuten. Ich schreib ihr den üblichen Kram, damit du Bescheid weißt.
Die Dusche im Bad verstummte. Yōsuke spitzte die Ohren. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Rasch schloss er den Chat und widmete sich der Mailbox. Die ersten drei Sprachnachrichten löschte er, nachdem einzelne Worte an sein Ohr gedrungen waren, postwendend. Es handelte sich um die obligatorischen Nachfragen seiner Exfreundinnen. Die Anrufe erinnerten ihn daran, dass er eine neue Nummer benötigte. Langsam häuften sich diese Art der Gespräche. Die vierte Aufzeichnung bannte jedoch seine Aufmerksamkeit.
Misaki: Hallo Liebling. Ich habe dir, wie versprochen das Geld besorgt. Es gab kein Problem dabei, den zweiten Kredit aufzunehmen. Sobald sie mir die Summe überwiesen haben, schicke ich es an dich weiter. Ruf mich zurück! Kuss.
Seine Mundwinkel zuckten unter den Worten. Yōsuke liebte diese Augenblicke. Erschloss die Augen und genoss das wohlige Gefühl des Erfolges, welches ihn durchfuhr.
Jäh unterbrach ihn die Stimme seiner Begleitung aus dem Bad: „Sollen wir unsnoch etwas zu essen bestellen?" Seufzend hob er die Augenlider und vermisste das erfüllende Gefühl, bevor es komplett aus seinem Körper verschwunden war. „Wenn du magst." Er richtete seinen Blick wieder auf das Smartphone, öffnete abermals den Chat mit Saiyans-xoxo.
Yasuo-xy: Kontrolliere in zwei Tagen das Konto. Misaki hat das Geld beschafft. Er schaltete das Smartphone aus. Mit einstudierten Bewegungen glitt das Gerät auf seinen Platz in der Schublade zurück. Yōsuke schloss ab und positionierte den Schlüssel wieder in seinem Versteck. Die Klinke der Badezimmertür bewegte sich. Ruckartig drehte er sich um und zog sein zweites Android-Handy aus seiner Hosentasche. Mit dem Oberkörper gegen das Regal gelehnt öffnete er die App des Lieferdienstes.
„Bist du schon fündig geworden?"
„Noch nicht. Hast du auf etwas bestimmtes Lust?"
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Verbrannte Träume
Historia CortaBei einer Reihe von Bränden sterben Männer, die scheinbar nichts miteinander zutun haben. Yosuke misst dem nicht viel Bedeutung bei und genießt sein Leben, bis der Grund der Brände sein tiefstes Geheimnis offenbart.