Kapitel 32- Eddas Ratschlag

61 10 74
                                    

Eigentlich gehörte dieses Kapitel noch zum Kapitel zuvor. Aber es erschien mir dann zu lang.

Der Raum oder besser gesagt Höhle, in die mich Edda gezerrt hatte, war ebenfalls aus Rosenquarz. Ich sah mich um. Hier erschien es mir um einiges freundlicher als im Raum zuvor, denn ich entdeckte ein paar helle Holzregale, befüllt mit: diversem Tongeschirr, verschieden großen Einmachgläsern und ein paar, nach dem Aussehen des Nutzungsgrades zu urteilen, sehr oft gelesenen Büchern. Außerdem gab es hier einen Tisch und zwei kleine Hocker. Eine Vase, mit einem trocknen Blumenstrauß, war in der Mitte des Tisches platziert und gegenüber hing ein Kessel über einer kleinen Feuerstelle, worin etwas langsam vor sich her köchelte und ein würziger Geruch die Luft erfüllte. Ich glaube, es war eine Art Küche.

Edda stellte drei Terrakottafarbene Schälchen auf dem dunklen Holztisch ab, welcher durch seine niedrige Höhe perfekt auf ihre kleine Person abgestimmt war. Über dem Tisch hingen getrocknete und zusammengebundene Kräuter - und Blumenbündel. Sie nahm eine ründliche Teekanne vom Regal und klatschte dynamisch mehrere Male in die Hände, worauf hin aus dem Ausguss der Kanne ein weißer Dampf emporstieg. Erstaunt beobachtete ich das Geschehen weiter.

"Hmhmhmmhh", räusperte sich Edda auffällig laut, als sogleich aus dem Nichts eine hölzerne Leiter erschien. Diese kippte nicht um, sondern blieb beeindruckender Weise stehen, ohne gegen etwas gestützt werden zu müssen. Edda kletterte für eine alte Frau, recht flink die Leiter hinauf und zupfte von ungefähr sechs verschiedenen Pflanzenbündeln etwas ab, während das Gestell von einem Bündel zum anderen Hin und Her hüpfte. Dann legte Edda die trockenen Pflanzenstängel und Blätter in ein Körbchen, das von dem Regal hinter ihr geschwebt kam. Wieder am Boden stopfte sie die Pflanzen in die dampfende Kanne. Ich beobachtete Edda fasziniert weiter, als ein großes, dunkles Glas in ihrer Hand wie durch Zauberei zum Vorschein kam. Nein, nicht wie. Es war Zauberei!

„Wie machst du das?", fragte ich großäugig.

„Zwei Jahrhunderte Übung", antwortete sie stolzen Blickes, während der Deckel des Glases zwischen ihren Fingern laut knackte. Ein schwarzblauer Falter, so groß wie meine Handfläche, war dabei, aus dem Glas herauszuklettern.

„Hiergeblieben", murmelte Edda und packte das Insekt geschickt an den Flügeln.

Dann, aus heiterem Himmel riss sie dem Falter, mit den flauschigen Füllern, die Flügel aus und streute die Überbleibsel davon in die heiße Teekanne, während etwas schwarze Farbe mit blauem Schimmer an ihren Fingern haften blieb. Vor Ekel zog sich in mir alles zusammen, während der arme Falter flügellos auf der Tischplatte herumkroch.

„Armselig, nicht wahr?", meinte sie mit einer Genugtuung, die mir Angst einjagte.

Angespannt sah ich dem kleinen Falter zu, wie er verzweifelt einen Ausweg suchte.

„Eben war es noch ein prächtiger Nachtfalter, nun nichts mehr als ein lästiges Ungeziefer", meinte Edda und drückte das Insekt mit ihrem Daumen gegen die Tischplatte.

Entsetzt wandte ich mich ab.

Verdammt, das soll eine Teezubereitung sein?

„Iva die Seelenlose hat Mitleid mit Ungeziefer? Dass ich das noch erleben darf", spottete Edda.

Ich sah sie an, sah in das undurchschaubare Gesicht der Alten.
„Hätte Iva kein Mitleid?", fragte ich ungewollt zaghaft.
Dabei entging mir nicht der abstoßende Anblick, des Falters, dessen zerquetschter Körper am Tisch kleben blieb. Seine langen Beinchen regten sich noch immer.
"Kanntest du mich etwa?", versuchte ich nochmal, dieses Mal mit Pepp in der Stimme. Sie sollte wissen, dass ich mir nicht alles gefallen lasse.

„Ich? Nein. Ich lebte vor deiner Zeit in Taurius. Aber mein Neffe hat ab und an von dir erzählt. Wenn ich ihn mal zu Gesicht bekam, diesen undankbaren Bengel."

„Was ... was hat er erzählt?", stotterte ich nervös.
Verdammt reiß dich zusammen, sonst endest du auch ohne Beine und Arme auf diesem Tisch!

„Elvar? Nur Gutes! Nur Gutes", wiederholte sie mit sich verfinsternder Miene.

„Wirklich? Was war Iva... Ich meine, ich. Was war ich für ein Mensch? ", wollte ich von ihr wissen und stotterte wieder nervös.

„Mensch? Menschen sind deiner nicht ebenbürtig, mein Kind. Du bist eine Vollblütige", korrigierte sie. „Du und ich sind von derselben Art. Durch unsere Adern fließt altes Blut. Wir sind Schwestern. Es sollte dich nicht scheren, was einst war."

Ich nutzte den Moment: „Du sagst, wir sind Schwestern. Das wir gleich sind. Dann sag mir doch bitte, was du über mich weißt."

„Die Wahrheit zu wissen, könnte es verhindern, dass du die Seelenlose in dir weckst. Ich muss dem elenden Hund recht geben: Die Zeit dafür ist nicht reif."

„Die Seelenlose ... Ihr nennt mich alle Iva die Seelenlose. Warum?"

„Es ist dein Name", meinte sie nur und zuckte mit den Schultern.

„Doch warum Seelenlose? Habe ich keine Seele? Kein Herz? Ihr nennt meinen Namen und doch verweigert ihr es mir, den Rest über mich zu erfahren. Warum?"

„Lass die Fragerei", wimmelte sie mich ab. „Begreif es, Mädchen: alles zu seiner Zeit."

Ich verstummte, versuchte, mir meinen Frust und meine Enttäuschung gegen Edda und Alex nicht anmerken zu lassen. Edda sollte mir wohlgesinnt bleiben. Dennoch durchschaute mich die Alte sofort.

„Verurteile mich nicht allzu eifrig, Mädchen. Ich bin wie du. Ich kann dir nur eins raten: Traue niemandem. Denn wer vertraut, wird getäuscht. Und wer getäuscht wird, verliert seine Flügel, verliert seine Freiheit", sagte sie und kratzte die Reste des schwarzen Falters vom Tisch. „Am Ende bist du nichts weiter als Ungeziefer für den einen. Für den, dem du dein Herz in die Hände gelegt hattest ", sprach sie mit gedankenverlorenen Blick weiter und rieb dabei ihre immer noch von den Falterflügeln schwarz verfärbten Fingerkuppen aneinander.

Meine Haut kribbelte unangenehm, nachdem was sie mir gesagt hatte.

„Können wir jetzt bitte zurück?", bat ich und spürte ein Unwohl in mir hochsteigen.

„Aber sicher doch", murmelte sie immer noch etwas verträumt und ließ die Wand wieder verschwinden. Alex stand nervös auf der anderen Seite. Sein Blick besorgt. Ich war sowas von erleichtert, ihn zu sehen. War so froh, nicht mehr allein mit der sonderbaren Frau zu sein. Alex schien es ähnlich zu gehen; er warf mir ein warmes Lächeln zu.

Schnips, Schnips, hörte ich Edda ihre Finger zücken.
Mit einer lockeren Handbewegung ließ sie die drei Schälchen und die dampfende Kanne in den Raum von vorhin schweben, während ich ihr folgte und mich zügeln musste, nicht zu Alex zu flüchten. Sie sollte nicht wissen, wie sehr sie mir Angst einjagte.

Edda räusperte sich. „Nach der kleinen Plauderei mit unserem Gast, habe ich mich umentschieden, Schwager. "

„Umentschieden? ", fragte Alex und warf Edda einen skeptischen Blick zu.

Sie nickte. „Sie soll erfahren, wer wir sind."

„Du warst dagegen. Woher diese plötzliche Einsicht?"

„Mein Gefühl hat mich noch nie getäuscht", sprach sie und klopfte sich auf die Brust.

„Ich hatte von Anfang an dieses Gefühl", meinte Alex.

„Ich gebe mir nichts, auf die Instinkte eines Menschen", belächelte sie seine Aussage, was Alex stumm mit einem Augenrollen erwiderte.

Edda forderte uns auf, sich auf dem Boden aus Rosenquarz niederzulassen. Ich tat wie geheißen. Gespannt auf das, was sie zu erzählen hatte, hing ich förmlich an ihren blau unterlaufenen Lippen.

Sie sah mich an, hob etwas überheblich ihr Kinn hoch und sagte: „Glaub ja nicht, dass ich es dir erzähle, um dein Vertrauen zu gewinnen. Nein, das habe ich, Prinzessin Eddaora nun wirklich nicht nötig."

„Prinzessin?", wiederholte ich irritiert.

Sie nickte und verzog ihre Lippen zu einem Lächeln, während die schwebende Kanne von selbst Tee in die kleinen Schalen verteilte.

Hey meine Lieben, mich würde interessieren, zu erfahren, ob es euch überraschte, dass sie eine Prinzessin ist oder hat noch jemand den Prolog im Kopf, da erfährt man ja schon bissel über sie als Kind und später, als junge Frau. Aber das ist halt schon ewig her und ich frage mich, ob der Prolog so Sinn macht?

Twin Flames - Der AbhängigkeitsfluchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt