Kapitel Vierunddreißig: Boston

236 29 33
                                    

Vor einem Jahr

H E A T H

Mein Blick richtet sich auf das überdimensionale große Haus, dass eher einer Villa gleicht und viel zu riesig für eine fünfköpfige Familie ist. Früher habe ich es geliebt hier zu sein, hinten im Garten zu spielen und mit meinem Vater das Baumhaus zu bauen. Aber wenn ich es mir jetzt ansehe, dann empfinde ich nichts mehr davon. Eher schreckt mich der Gedanke ab, wieder hierherzuziehen.

Die weiße Fassade sticht mir ins Auge, wie auch die großen Fenster, die viel Licht hineinscheinen lassen, sodass die Räume innen größer wirken. Kurz sehe ich nach oben in den dritten Stock und bemerke, dass die Vorhänge zugezogen sind. Es ist dunkel und ich könnte mir vorstellen, dass seit Jahren niemand mehr mein altes Zimmer betreten hat.

Mein Blick wandert weiter zum Vorgarten, der im Sommer in allen prächtigen Farben erblüht und jedes Jahr wunderschön aussieht. Mein früherer Lieblingsplatz, wo ich mich stundenlang verkriechen konnte, um meine Ruhe zu genießen. Dieses Mal jedoch lässt mich dieser Anblick zusammenzucken.

Erinnerungen wollen an die Oberfläche gelangen, die ich krampfhaft versuche zu unterdrücken. Was würde das für einen Eindruck schinden, wenn der verlorene Sohn nach Jahren wieder zu Hause ist und von einer Panikattacke überwältigt wird?

Auch wenn mich das nicht interessieren sollte, was andere über mich denken, schmerzt es mich, wenn ich mich an diese vergangenen Momente erinnere. Eher möchte ich das vermeiden und hier ist kein Hunter James, der genau weiß, was zu tun ist, wenn mich eine dieser Attacken überrumpelt.

Ich höre das Wasser des Brunnens rauschen, was mich ein wenig verwundert und die Augenbrauen zusammenziehen lässt. Das ist sehr ungewöhnlich, weil er um diese Jahreszeit eigentlich immer ausgeschaltet ist.

Schulterzuckend kehrt mein Blick wieder zurück zum Haus. Auch wenn es auf den ersten Blick einladend aussieht, fröstelt es mich bis auf die Knochen.

Es scheint mir so surreal hier zu stehen und das Haus zu betrachten, in dem ich aufwuchs. Seit über sieben Jahren war ich nicht mehr hier und ich dachte echt, dass ich es nie wieder zu Gesicht bekommen würde. Dafür haben einige Situationen im Sudan gesorgt, die wirklich heikel waren und mich fast meinen Kopf gekostet haben.

Ich bemerke, wie jemand den Vorhang kurz zur Seite schiebt, bevor er ihn ruckartig wieder loslässt. In meinem Kopf beginne ich bis zu zehn zu zählen, jedoch ist Lynn bereits draußen, als ich erst die Hälfte durch habe.

»Heath!«, schreit sie in meine Richtung und rennt auf mich zu.

Gerade noch rechtzeitig breite ich meine Arme aus, um sie aufzufangen. Dabei muss ich einen Schritt nach hinten gehen, da sie mit voller Wucht in mich hineingerannt ist. Lynns Hände krallen sich in den Kragen meines Hemdes, ihr Körper zittert unaufhörlich und als ich ein Schluchzen vernehme, ziehe ich sie noch stärker an meine Brust.

»Du bist wirklich da. Dir geht es gut«, murmelt meine kleine Schwester mit bebender Stimme.

Durch ihren Schrei wurden die anderen nach draußen gelockt. Ich kann sogar unsere Nachbarn sehen, die uns einen prüfenden Blick zuwerfen, bis sie sich wieder ins Haus zurückziehen.

Meine Mutter hält die Hand vor ihrem Mund, die Augen so groß wie Tennisbälle und kann kaum glauben, dass ich wahrhaftig vor ihr stehe.

»Heath?«, flüstert sie voller Unglauben und tritt einen Schritt auf uns beide zu. »Oh mein Gott, Heath! Du bist zurück!«

Schnell löse ich mich von meiner Schwester, da unsere Mutter schwankend auf uns zukommt. Meine Hände greifen nach ihr, geben ihr den nötigen Halt, bevor sie in Tränen ausbricht und mich gleichzeitig mit einem kleinen Lächeln ansieht. »Du lebst, mein Sohn. Du bist wirklich wieder zurück.«

| L O V E B A T T L E | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt