Kapitel Vierzig: Las Vegas

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H E A T H

Vor sechs Monaten

Händchenhaltend schlendern wir durch die bunten Straßen von Las Vegas. Ein Casino nach dem anderen begrüßt uns in der ausgefallensten Architektur, die uns beide interessiert von links nach rechts schauen lässt. Alles hier wirkt verrückt und surreal, als wären wir abgeschieden und würden uns in einem Paralleluniversum aufhalten. Ein einziger Blick und mir ist sofort klar, wieso diese Stadt Sin City genannt wird.

Eng ziehe ich Faith an mich, die in ihrer linken Hand eine blaue Zuckerwatte hält und genüsslich daran knabbert, während sie alle Eindrücke neugierig aufsaugt. Ihre Augen leuchten dabei auf, derweil sie der Menschenmasse aus dem Weg geht. Trotzdem werden wir andauernd angerempelt, was mich langsam nervös macht. Ich mag es nicht, an einem Ort zu sein, der voll mit Menschen ist.

»Wollen wir etwas trinken, Zuckerdöschen?«, frage ich nach, weil ich eine kurze Pause benötige.

Nachdenklich runzelt Faith die Stirn und zeigt auf den gesponnenen Zucker, den sie in der Hand hält. »Ich habe meine Süßigkeit noch nicht gegessen.«

Mit einem Ruck nehme ich ihr den Stiel aus der Hand und verschlinge dieses fürchterliche Zuckerwerk in zehn Sekunden. Mit großen Augen blickt sie mich an, bevor sie den Kopf in den Nacken fallen lässt und laut loslacht. Der Klang, der aus ihrem Mund kommt, bringt mich selbst zum Schmunzeln und wieder einmal klopfe ich mir persönlich auf die Schulter, weil ich es erneut geschafft habe, mein eigenes Versprechen einzuhalten.

Ich brauche aber wirklich eine kurze Verschnaufpause, da wir bereits seit Stunden unterwegs sind und mir diese Straße endlos erscheint. Mit einem Nicken zeigt Faith auf eine Bar, mit einem glitzernden Ambiente. Mein Gesicht verzieht sich bei so viel Bling-Bling, aber es ist die nächstgelegene Kneipe, weshalb wir sie geradewegs ansteuern.

Sobald wir drin sind, lasse ich mich auf einen Hocker fallen und stütze meine Ellbogen auf dem Tisch ab. Am liebsten würde ich meinen Kopf ebenfalls auf dem Tisch fallen lassen, was mein Zuckerdöschen bereits ahnt, da ihr Blick anfangs Belustigung ausdrückt, bevor er sanft wird. Sie greift nach meiner Hand und verschränkt unsere Finger miteinander, bevor sie mit dem Daumen über meinen Handrücken streicht.

»Ist dir die Menschenmasse zu viel?«

Die Sorge, die in ihrer Stimme mitschwingt, kann ich ebenfalls in ihren Augen erkennen. Mein Zuckerdöschen sollte sich nicht um mich kümmern, da wir hier sind, um ihren Geburtstag zu feiern. Außerdem war es meine Idee und mein Geschenk an sie. Ich werde es überleben.

»Alles gut, Faith. Mach dir um mich keine Gedanken. Wie gefällt es dir bisher?«

Sofort funkeln ihre Augen, wie bei einem Kleinkind, auf. Mit einem breiten Grinsen sieht sie sich herum und wedelt dabei mit ihren Händen. »Wie es mir gefällt? Wir sind in Las Vegas. In der Stadt, wo Träume wahr werden«, ruft sie aus, weshalb mein rechter Mundwinkel zu zucken beginnt. »Ich bin froh, dass wir hier sind, Schmuggelhase. Auch wenn ich gestehen muss, dass es mir genügt, einmal hier gewesen zu sein.«

Schräg lege ich meinen Kopf auf die Seite und mustere die Frau vor mir. In den letzten Tagen haben wir einiges in Las Vegas erlebt. Wir sind mit den Haien getaucht, was Faith sehr genossen hat, auch wenn ich eher Angst um sie hatte. Die Rennstrecke haben wir besucht, die mir unglaublich viel Spaß gemacht hat und so vieles mehr. Diese Stadt hat so viel zu bieten und unsere Liste ist lang, die Faith für diese Reise erstellt hat. Ich kann jetzt schon sagen, dass wir nicht alles erkundigen können. Trotzdem hat sich dieser Kurztrip gelohnt.

»Aber ich weiß, was wir noch nicht getan haben«, ruft mein Zuckerdöschen plötzlich laut auf, weshalb ich kurz zusammenzucke. Ihr Blick, mit dem sie mich ansieht, kann nichts Gutes bedeuten.

»Was denn?«, hake ich vorsichtig nach.

»Wir müssen in jeder Bar einen Shot trinken, die es in dieser Straße gibt.«

Ungläubig weiten sich meine Augen. Das ist nicht ihr Ernst. Oder etwa doch? »Dir ist schon klar, dass diese Straße über fünf Kilometer lang ist?«

Schulterzuckend winkt sie ab, als wäre das nichts. Als könnten wir heute nicht an einer Alkoholvergiftung sterben oder so. Das mulmige Gefühl in meinem Magen bleibt bestehen, da sowas nicht gut enden wird. Kann es gar nicht. Das ist verrückt und noch verrückter ist es, dass ich mich weichklopfen werden lasse, da Faith alle Geschütze aufzieht. Gegen ihren Hundeblick bin ich machtlos.

»Ach komm schon. Das wird witzig, Schmuggelhase und was ist schon dabei? Außerdem habe ich heute Geburtstag.«

Faith versucht mich mit ihren Worten vom Gegenteil zu überzeugen. Gleichzeitig schiebt sie ihre Unterlippe vor und schaut mich aus ihren treuen und großen Augen an. Sie hat mich bereits um den Finger gewickelt und als ich laut aufseufze, streckt sie ihre Hand in die Höhe, während sie leise vor sich hin jubelt. Trotzdem erregen wir die Aufmerksamkeit einiger Gäste auf uns, was mich nur den Kopf schütteln lässt.

»Hör schon auf, Zuckerdöschen. Du hast gewonnen.«

»Ich habe nichts anderes erwartet, Schmuggelhase«, lässt sie mich mit einem zuckersüßen Lächeln wissen.

Meine Hände wandern zu meinen Schläfen, die ich mit den Fingern anfange zu massieren. Nach einigen Sekunden winke ich dem Barmann zu und blicke Faith erwartungsvoll an. »Was willst du trinken?«

»Einen Tequila Shot.«

Der Kellner verlässt unseren Tisch, nachdem er unsere Bestellung aufgenommen hat. »Wir müssen uns unterhalten, Faith. Sobald wir wieder zurück sind, muss ich dir dringend etwas erzählen.«

Mein Themenwechsel ist abrupt, jedoch nagt dieser Gedanke an mir. Besser gesagt, seit ich das erste Mal bei meiner Familie war, denke ich, dass es das Beste ist, wenn ich ihr alles erzähle. Faith hat es verdient, die Wahrheit zu wissen.

Neugierig funkeln ihre Augen auf. Ich weiß auch, dass ich das hätte anders formulieren sollen. Aber wie soll ich das genau tun, wenn ich mich endlich dazu entschieden habe, den Mund aufzumachen? Ich habe wirklich lange darüber nachgedacht. Ich will unsere Beziehung auf die nächste Stufe bringen, mit ihr zusammenziehen und unseren Freunden endlich erzählen, dass wir zusammen sind. Auch wenn es die meisten bereits vermuten oder wissen. Eines ist klar, wenn mein Zuckerdöschen mich so akzeptiert, mit all meinen Fehlern, dann will ich nicht mehr warten und mein restliches Leben mit ihr verbringen.

Es wird zwar sehr schwer für mich, da mich die Erinnerungen in die Knie zwingen werden. Aber je länger ich über meine Zukunft mit dieser Frau vor mir nachgedacht habe, bin ich immer zu demselben Schluss gekommen.

»Oh, das hört sich sehr ernst an. Du machst aber nicht mit mir Schluss, oder?«

Meine Augen weiten sich geschockt. Wie kommt sie nur auf solche Gedanken? Sofort gehe ich meine Worte nochmals in meinem Kopf durch. »Nein, Faith. Das könnte ich nicht, dafür liebe ich dich viel zu sehr. Ich muss dir etwas Wichtiges aus meiner Vergangenheit erzählen. Etwas, dass du wissen solltest. Wie kommst du darauf?«

»Okay, Heath. Es ist nur so, dass ich diese Worte schon oft gehört habe«, flüstert sie leise und kippt den Shot sofort herunter, als der Barkeeper unsere Bestellung an den Tisch bringt. Anscheinend will sie den Gedanken wegspülen, der ihr in diesem Moment durch dek Kopf schwirrt. »Aber jetzt feiern wir erstmals und wenn wir zu Hause sind, werden wir darüber reden.«

Zustimmend nicke ich ihr zu und nehme ebenfalls das Glas in die Hand. Als ich die Flüssigkeit meinen Rachen hinabfließen lasse, fängt alles an zu brennen, sodass ich automatisch nochmals zwei Kurze bestelle. Jeder sagt doch, dass dieses brennen nach einigen Gläsern nachlässt. Mal sehen, ob das wirklich stimmt.

Das wird bestimmt ein interessanter Abend. Ich hoffe nur, dass wir es nicht allzu sehr übertreiben werden.

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