❀ T W E N T Y E I G H T ❀

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...Meine beste Freundin. Der Mensch, mit dem ich Pläne fürs Leben hatte. Sie hat sich in den Tod gestürzt, und du hast ihr nicht geholfen... Ich wollte schreien, meinen Kopf gegen irgendeine Wand schlagen, bis Sie endlich leise ist. Ich wollte Sie nicht mehr hören, nie wieder am besten. Ich wollte nicht mehr hören, dass Sie da war und mir die Wahrheit sagte, wenn ich doch schon längst am Boden liege. Womit hatte ich das verdient?!

Was eine dumme Frage...

Und dann plötzlich Stille. Da war nichts. Nichts, außer dieser Weg und der dämmrige Mondschein zwischen den kahlen Baumkronen. Ich blieb stehen, meine Lunge zitterte, als ich versuchte die eisige Luft zu inhalieren. Nicht einmal das konnte meine schrecklichen Hirngespinste von mir fern halten... Ganz im Gegenteil sogar. Die Bilder schossen an mir vorbei. Wie sie da oben stehen musste, wahrscheinlich sogar meinen Namen sagte, als sie nach Hilfe bettelte. Und wie sie viel. Wie sie in die Tiefe stürzte, nachdem sie gemerkt hat, dass ich ihr nicht helfen werde.

In diesem Moment war es egal, dass sie vielleicht verrückt war, irgendeinen Drogentrip hatte oder sonst irgendwas. Sie war tot. Und ich war schuld. Hätte ich sie aufgehalten, wäre sie vielleicht noch hier. Ich hätte sie vor den Gespenstern in ihrem Kopf bewahren müssen, genau wie sie es bei mir damals gemacht hat. Das wäre das mindeste gewesen, ich wäre es ihr schuldig gewesen...

Eine kurze Weile, keine Ahnung wie lange es wirklich war, stand ich da. Mit jedem verstrichenen Moment wich ein kleines Stück von den selbstzerstörenden Gefühlen und Gedanken aus meinem Kopf und Körper, Leere ersetzte diese. In diesem Augenblick interessierte es mich nicht, dass das eigentlich gar keinen Sinn ergab, weil das Gefühl der tiefen Leere und der Taubheit normalerweise vor der Trauer und der Wut kommt, aber irgendwie schien es einen Sinn zu ergeben.

Ich hörte auf zu fühlen, weil gerade eben auch ein Teil von mir selber gestorben ist. Ein Teil, von dem ich nie wusste, wie sehr ich ihn eigentlich vermisst hatte. Als ich damals von Zuhause weg musste habe ich mir immer fest vorgenommen zu Heather zurück zu gehen, wenn ich achtzehn bin. Ich habe es nie getan. Stattdessen bin ich zu meiner Mutter nach London, und von dort aus hier her. Vielleicht hätte ich ihr schon damals helfen können, womöglich hatte sie schon damals Probleme...

Ich wollte diesen Gedanken eigentlich gar nicht haben, weil er rückführend nichts mehr verändern kann. Man kann nicht rückgängig machen was bereits geschehen ist...

Ein Rascheln riss mich augenblicklich zurück in die Realität. Ich drehte mich um, nichts als Dunkelheit.
„Hallo?!" Meine Stimme zitterte noch immer. „Ist da jemand?" Ich war alleine, auch wenn ich mich nicht so fühlte. Eher wie beobachtet von tausend Augen, umgeben von Hunderten Monstern. Jetzt war ich diejenige die verrückt wurde...

Als ich dachte das vibrieren meines Handys gehört zu haben, zweifelte ich noch mehr an meinem psychischen Zustand. Aber nein, ich war nicht verrückt. Zumindest nicht was das anging, denn mein Handy vibrierte tatsächlich. Mit zittrigen Händen kramte ich es aus meiner Jackentasche hervor, insgeheim hoffte ich, dass es David war, der mich anrief. Seine Stimme war das einzige was ich gerade hören wollte. Aber er war es nicht.

Carol. Noch mehr Tränen flossen über meine Schläfen, als ich ihren Namen auf dem Display sah. Ich atmete einmal tief durch, legte den Kopf in den Nacken und blinzelte in den Nachthimmel. Ich konnte da jetzt nicht rangehen, das war unmöglich...

Als ihr Name verschwand und mein Bildschirm von selber ausging packte ich das Handy wieder weg. Ich nahm mir fest vor, sie morgen früh zurück zu rufen, aber jetzt gerade ging es wirklich nicht...

Zurück zuhause wankte ich das Treppenhaus hinauf. Wie eine Leiche, genauso fühlte ich mich. Meine Tränen waren getrocknet, überraschenderweise konnte ich nicht mehr weinen. Vielleicht weil ich all meine Tränen aufgebraucht hatte, vielleicht weil ich selber nicht wusste was ich fühlte. Ich wusste nur eines, und das war die Tatsache, dass ich es nie wieder gut machen könnte...

Stufe für Stufe ging ich hoch, schwerlich, langsam. Vor meiner Tür blieb ich stehen, konnte meinen Augen kaum trauen, doch als ich mich runter kniete und den Blumenstrauß aufhob wusste ich, dass ich nicht träumte. David war hier gewesen?! Nein, aber er hat ihn mir geschickt. Weiße Rosen, wie immer, wenn er nicht da war.

Wieder sammelten sich Tränen in meinen Augen und ich konnte nichts tun, als sie mein Gesicht hinab strömten. Womit hatte ich das verdient? Ich drückte den Strauß gegen meine Brust, umklammerte ihn mit beiden Armen sanft und kniff die Augenlider zusammen, doch das Wasser rannte trotzdem zwischen ihnen hervor.

„Warum kannst du gerade nicht einfach hier sein?" Meine Stimme war ein Hauch von nichts. Ich rümpfte die Nase, schluchzte leise und stellte mir vor, wie er mich auffing. Wie er die Scherben meines Herzens aufsammelte und Stück für Stück zusammensetzte. So lange, bis es wieder eins ist. Wie er ein Lächeln auf mein Gesicht malte, bevor die Farbe von meinen Tränen verwischt wurde. Und er würde es noch einmal malen, immer wieder, bis es nicht mehr verschwindet.

Promised Love - the stranger in my bed | LH FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt