❀ T H I R T Y T W O ❀

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Ich weiß nicht wie lange ich rannte, wie oft ich irgendwo abgebogen war, aber ich war nicht einmal aus der Puste, als ich irgendwann aufhörte zu rennen und stattdessen etwas langsamer über die dunklen Wege dieses Parks streifte. Meinen Verfolger hatte ich in der Zwischenzeit längst abgehängt, er würde mir wohl kaum mit dem Auto hier her gefolgt sein können... Aber was wollte er überhaupt? Ich kannte diesen Mann nicht, hatte ihn noch nie in meinem Leben gesehen. Warum kannte er meinen Namen?
Vielleicht war er derjenige, den Heather meinte, als sie sagte, er wird uns alle umbringen...? Womöglich war ich die nächste?

Himmel, jetzt wurde ich wirklich verrückt! Ich schob diesen Gedanken willig beiseite, als ich an der Bank vorbei kam, auf der ich schon einmal mit David saß. Da war alles noch irgendwie okay... Zumindest im Gegensatz zu jetzt. Es war nie wirklich okay, aber ich fühlte mich nicht verantwortlich für zwei Tode von Menschen, die ich über alles in meinem Leben geliebt habe. Das ist ein grundlegender Unterschied. Und jetzt war ich hier, fragte mich, warum sie beide sterben mussten und hoffte auf ein Wunder, was alles irgendwie einfacher machte. Aber das würde es wahrscheinlich niemals mehr werden und eigentlich war es das auch nie. Es war nie einfach. Doch so verdammt schwer auch nicht...

Ich ließ mich auf die Bank sinken, nachdem ich sie für einige Momente einfach nur angestarrt hatte und nachdachte. Irgendwie hoffte ich, ich würde mich dadurch David näher fühlen. Denn ich hätte ihn gerade gerne bei mir, er könnte mir sicher die Hand reichen und mich halten, wenn ich falle. Und auch, wenn ich mich eigentlich dafür hasste, dass er es war, den ich gerade so sehr vermisste, wusste ich doch auch, dass es keinen Sinn machte, mich dagegen zu wehren. Ich wusste zwar nicht wie er es geschafft hatte und so tief in mein Herz eindringen konnte, ohne dass ich es überhaupt richtig bemerkt habe, aber er war da und ich wollte ihn nie wieder loslassen. David ist mir wichtig, auch wenn ich tief im inneren weiß, dass er mir irgendwann wehtun wird, wenn er geht. Deshalb sollte ich diesmal die sein die geht, am besten, bevor er überhaupt die Chance hat mich zu verletzen...

Ich weiß nicht wie lange ich auf dieser Bank saß und mit den Augen in dem tiefen und dunklen See auf der anderen Seite des Wegs versank, aber es war sicher ewig. Auf die Uhr schauen konnte ich nicht, ich hatte schließlich kein Handy dabei und selbst wenn, es war leer. Aber irgendwie war es auch egal. Ich wollte jetzt mit niemandem sprechen, und ich wollte eigentlich auch nicht hier sitzen bleiben und warten bis mich meine Dämonen einholen, weshalb ich aufstand und weiter ging. Ein Fluchtweg war was ich brauchte. Einen Ort, an dem mir niemand hin folgt. Keine Menschen, keine Stimmen, kein einziges der Monster in meinem Kopf.

Keine Ahnung wie ich es geschafft hatte, oder warum ich hier war, aber irgendwann stand ich vor einem riesigen Bürogebäude. Meine Augen flogen an dessen Betonfassade entlang, es ragte so weit in den Himmel. Ich wollte auch da hoch...
Und dann fiel mir auf warum ich hier her gekommen war. Ich kannte diesen Ort. Das Gebäude, das endlos hohe Treppenhaus, welches geschuldet den Wänden einen feuchten Saum auf der Haut eines jeden hinterlässt, der dort wirklich hoch geht. Das Dach, von wo man dem Mond so nahe ist, wie beinahe nirgends sonst. Genau da wollte ich hin...

Also ging ich los. Die Türe schwang auf, als ich die Klinke in die Hand nahm und runter drückte. Sofort stieg mir der feuchte, leicht modrige Geruch in die Nase, welcher sich hier an den dunklen Betonwänden absetzte. Das Eisen des Geländers war eiskalt, wenn ich es berührte. Aber es war mir egal. Ich spürte diese Kälte nicht, genauso wenig wie die, als ich schließlich oben auf dem Dach stand und meinen Blick über die erleuchtete Skyline wandern ließ. Es war so schön, so ruhig, während da unten all das Schreckliche wartete. Die ganzen Probleme waren nicht bei mir, mein Herz stumm und die Stimmen in meinem Kopf auch.
Plötzlich war die Welt so leise...

Der Wind tänzelte durch meine Haare, brannte auf meinen tränenfeuchten Wangen, als ich auf die Dachkante zu lief. Je näher ich dem Abgrund kam, desto mehr Gedanken schossen durch meinen Kopf. Es waren so viele, die allermeisten waren belanglos und ohne irgendeinen Halt. Aber dann gab es auch welche dazwischen, die ich beiseite schob, bevor sie drohten mich zu erdrücken. Denn das durften sie jetzt nicht. Ich wollte mich nicht mit Dingen beschäftigen, die hier keinen Platz hatten. Ich war hier, lehnte mich über die Mauer, sodass meine Augen auf dem weit entfernten Boden auftrafen, und meine Probleme ganz weit weg. Sie hatten kein Recht darauf mir auch diesen Moment kaputt zu machen. Hier hatte ich meinen Frieden, die Ruhe, die ich gerade so sehr brauchte...

Ich verlor mich völlig in den farblosen Erinnerungen an früher, während meine Beine über dem Abgrund baumelten. Ich spürte die Freiheit in meinen Adern fließen. Ob sich Heather wohl auch so gefühlt hatte? Diese Frage stellte ich mir ständig. Wie hat sie sich wohl gefühlt, an was hat sie gedacht, bevor sie sich selber in die Tiefe gestürzt hat? Hat sie die Augen geschlossen, ehe sich die Schwerkraft das zurückgenommen hatte, was ihr zuvor geklaut wurde? Bereute sie ihr Handeln noch im selben Moment, in dem sie losgelassen hat, bereute sie es überhaupt?

Ich ließ meinen Blick in den Himmel gleiten. Es waren nur ein paar wenige Sterne zu sehen, die es trotz den ganzen Lichtern geschafft hatten zu strahlen. Und ich war mir sicher, dass einer von ihnen Heather, und ein anderer Carol war, die jetzt auch von oben auf mich acht gab. Sie freute sich sicher ihren Bruder zurück zu haben... Ach, wenn sie bloß wüsste, wie schrecklich er wirklich war. Was er seinen Kindern angetan hat, wie sehr wir alle wegen ihm leiden mussten. Das werde ich ihm nie verzeihen, aber er hat sein Karma schon bekommen...

Es war sicher schon mitten in der Nacht und ich war noch immer hier. Keine Ahnung warum, aber ich wollte nicht mehr weg. Ich schätze, ich traute mich einfach nicht, deshalb. Hier oben könnte mir nichts passieren, zumindest nichts, was nicht in meiner Hand liegt. Und auch, wenn ich wusste, dass ich nicht für immer vor meinen Problemen wegrennen konnte, tat ich es. Ich floh trotzdem, so wie schon damals und ich würde es wahrscheinlich auch immer wieder tun...

Mit angezogen Knien saß ich da, lehnte an der Mauer auf der ich vorhin noch saß und schaute in den Himmel, während meine Augen immer Scherer wurden. Meine Muskeln hatten längst aufgehört zu zittern, ich fühlte mich schwach, so unendlich ausgelaugt, aber ich schob es auf die Müdigkeit. Dass ich seit Stunden in der Kälte hocke und kurz vor einer Unterkühlung stand kam mir dabei nicht in den Sinn. Dafür reichte meine Kraft zu denken nicht mehr, genauso wenig dafür, den Teil meines Gehirns einzuschalten, der mir eigentlich schon längst hätte sagen sollen, dass ich aufhören sollte mich zu verstecken. Dabei musste ich mich doch eigentlich gar nicht verstecken...? Ich war glücklich, fühlte mich frei und je mehr ich aufhörte wahrzunehmen, was um mich herum geschah, desto leichter kam mir alles vor. In eine Bewusstlosigkeit würde mir keins meiner Monster folgen, dann wäre ich alleine. Ganz alleine, endlich...

Und dann war es dunkel. Pechschwarze Stille. Die Ruhe, nach der ich mich so lange gesehnt hatte. Hier wollte ich nie wieder weg...

Promised Love - the stranger in my bed | LH FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt