𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟕

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Michael saß auf dem Krankenhausbett und schaute dabei zu wie sich die Infusion Tropfen für Tropfen ihren Weg in seine Vene bahnte.

Lisa hatte auf einen Stuhl neben dem Bett Platz genommen. Sie hatte ihre Beine übergeschlagen und kaute gedankenverloren auf ihren Fingern. 

Michael beobachtete sie eine Weile, schaute auf ihre langen Finger. Natürlich trug sie ihren Ehering nicht mehr. Etwas anderes hätte ihn auch überrascht. 

Michael hatte ihn nach der Scheidung noch lange getragen, bis er dazu gezwungen war, Debbies zu tragen. 

Lisa im Gegensatz hatte ihn wahrscheinlich sofort abgelegt, als die Papiere unterschrieben waren.

 ,,Du weißt, dass das nicht gut ist oder? Bist du nervös?"

Lisa schaute ihn an. ,,Vielleicht mag ich es einfach auf meinen Fingern herum zu kauen. Schonmal daran gedacht?", meinte sie und lächelte leicht.

Wann hatte er sie das letzte Mal lächeln gesehen? Es war viel zu lange her.

,,Es ist dennoch nicht gesund."

,,Du meinst wie Schmerztabletten zu schlucken als wären sie Smarties?" Ihr Gesichtsausdruck wurde wieder etwas ernster. ,,Du weißt, dass die Kirche dir mit den Drogen helfen könnte."

Michael sah sie einfach nur eine Weile an. Als ihr Vater starb, war Lisa gerade einmal neun Jahre alt. Elvis hatte Scientology gehasst. Er würde sich vermutlich im Grab herumdrehen, wenn er wüsste, dass Priscilla seine Tochter mit nur elf Jahren der Kirche überlassen hat. Mit 20 hatte Lisa dann Danny Keough geheiratet. Ebenfalls ein großer Anhänger von Scientology.

Lisa hatte Michael manchmal über die Reinigungen erzählt, die eigentlich nur daraus bestanden stundenlang über die traumatischsten Momente seines Lebens zu erzählen. Immer und immer wieder.

Sie hatte manchmal Stunden danach noch in seinen Armen geweint, bis sie zum Alkohol griff.

,,Das erklärt natürlich, warum du trinkst. Du bist wieder im eisernen Griff von Scientology, nicht wahr?"

Lisa rollte mit den Augen. ,,Ein einfaches nein hätte gereicht."

,,Du kennst meine Meinung dazu. Ich bin kein Fan von Sachen, die dich ins Krankenhaus bringen."

Er sprach von diesen fragwürdigen Flüssigkeiten, die man Lisa verabreicht hatte. Angeblich sollten sie den Körper von sämtlichen giftigen Stoffen reinigen. Sie hatte sich davon so lange übergeben, bis sie ins Krankenhaus eingeliefert wurde.

Er räusperte sich bevor er weiter sprach. ,,Außerdem erinnere ich mich gut daran, dass du sehr viel geweint hast und naja angefangen hast zu trinken. Ich glaube einfach, dass es dir mehr schadet als, dass es dir hilft, Lise."

Lisa schaute ihn an. Mutig von ihm über Sachen zu sprechen, die ihr schadeten oder halfen. Nach der Scheidung hatte Lisa wirklich Raum für sich selbst gebraucht. Sie hatte Zeit ohne ihn gebraucht, um ihr einiges Leben wieder auf die Reihe zu bekommen.

Dieses Mal hatte er sie wirklich in den Wahnsinn getrieben.

Dass Michael permanent versucht hatte anzurufen, hatte die ganze Sache nicht besser gemacht. Eher im Gegenteil.

Sie hatte sich gefühlt, als würde sie bald durchdrehen, bis sie irgendwann das Telefonkabel durchgeschnitten und sich ein neues Mobiltelefon gekauft hatte.

Sie hatte einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen durchlebt, bis auch ihre Körper nicht mehr mitspielte.

Ihr Herz hatte nach ihm geschrien und kein Alkohol und keine Drogen dieser Welt konnten dieses Gefühl betäuben. Sie war auf dem schlimmsten Entzugs ihres Lebens gewesen. Entzug von ihm. Ihrer ganz persönlichen Droge.

When you're cold insideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt