Zum Sonnenuntergang erreichten wir den Mangroven Wald hinter der Felgruppe. Der Regen hatte langsam aufgehört, zum Glück, doch es war bereits so dunkel, dass wir Schwierigkeiten bekamen den Weg zu finden. Aber wegen unserer nachtaktiven Augen ging es gerade noch. Spider hielt sich daher dich bei Kiri und ich schmunzelte, als ich sah wie sie seine Hand nahm.
"Müsste so 'ne nacht leuchtende Pflanze nicht eigentlich bestens zu sehen sein? Wie sieht die überhaupt aus?", fragte Lo'ak in die Stille hinein. Wir liefen unter den dicken Wurzeln der Bäume hindurch. Sie bildeten eine Art Gewölbe und seine Stimme hallte durch die Nacht. Der Boden war langsam trockener geworden. Nur noch an einzelnen Stellen gab es Tümpel und sumpfige Stellen. Das trockene Gras knisterte unter unseren Füßen.
"Keine Ahnung, Bro", erwiderte Neteyam. "Aber wir werden sie schon finden."Da hörten wir ein leises Knurren und wir alle fuhren herum. Bis auf Spider, der wie verstarrt vor uns stand. Wir starrten ihn an und er verzog das Gesicht zu einer Grimasse. "Tschuldigung. Ich hab seit heute Morgen nichts mehr gegessen."
Da mussten wir lachen. Lo'ak stieß seinem Freund scherzhaft gegen die Schulter und Spider fiel beinahe zu Boden. "Du kannst ja Pilze essen, davon gibt's hier genug!", keuchte Lo'ak und ich hielt mit vor Lachen den Bauch.Da fiel mir auf, dass Neteyam nicht lachte. Er starrte hinaus in die schummrige Dunkelheit, die weißen Punkte funkelten im fahlen Mondlicht. Ich kam nicht umhin zu bewundern, wie schön er aussah. Mit dem Messer in der Hand und dem Bogen über der Schulter sah er aus wie ein mächtiger Krieger. Was er ja auch war. Er war mein Krieger. Ich wäre gern zu ihm hingegangen und hätte ihn geküsst. Schade, dass wir jetzt nicht allein waren, dachte ich, denn ein urplötzliches Verlangen erfasste mich.
Doch sein hübsches Gesicht machte mir Sorgen. Seine Stirn hatte sich in Falten gelegt.
"Leute...", raunte er warnend, wärend die anderen weiter lachten.Plötzlich schoss etwas schlammig braunes auf uns zu und riss Spider zu Boden. Er schrie auf, stach mit seinem Messer zu. Kiri rief erschrocken seinen Namen, während Lo'ak und Neteyam das Vieh mit Pfeilen bombardierten. Darauf hin ließ es von Spider ab und sprang fauchend auf die beiden Na'vi Jungs zu. Ich machte alarmiert einen Schritt zurück.
Drohend knurrte das Tier uns an. Es sah aus wie eine Art Riesen-Otter und ging mit etwa bis zur Taille.Gigantische scharfe Klauen lugten aus seinen Pranken hervor und zwischen den vier Hinterläufen hatte es Schwimmhäute. Auf der Schnauze streckte sich ein Horn in die Luft, ähnlich die eines Nashorns. Es blickte die Brüder mit seinen stechend gelben Augen zornig an. Hinter ihm sah ich, wie Kiri Spider hoch half. Er hatte seinen Rucksack verloren.
Das Otter-Tier fing nun an, uns langsam zu umkreisen. Neteyam verlagerte sein Gewicht. Machte einen kleinen Schritt zur Seite, um mich zu schützen. Ich packte mein Messer fester, obwohl ich wusste, dass ich keine Chance hatte, wenn das Vieh mich angreifen würde. Ich hatte keinerlei Kampferfahrung.
"Lo'ak du gehts hinten rum. Pass auf Kiri und Spider auf!", zischte Neteyam und die beiden Brüder begannen ebenfalls das Tier einzukreisen. Es knurrte und die Muskeln unter seiner Haut spannten sich an.
Innerhalb einer Millisekunde, sprang es in die Luft und riss Lo'ak von den Füßen. Ich sah nur ein Knäuel aus Fell und blauer Haut. Mein Herz hämmerte bis zum Hals und meine Knie wurden weich. Ich spürte neben mir, wie Kiri mich am Arm packte und mich zu sich und Spider zog. Raus aus der Gefahrenzone."Lo'ak!" schrie Neteyam und spannte den Bogen. Er suchte nach einer passenden Gelegenheit es zu erschießen. Lo'ak brüllte etwas Unverständliches und plötzlich war das Vieh über ihm. Es stieß seine Pranke hinab und drückte mit vollem Gewicht auf Lo'aks Brustkorb. Der Jüngere schrie vor Schmerz auf.
Da ließ Neteyam den Pfeil los und das Tier zuckte zusammen. Es schrie in einer so schrillen Tonlage, dass ich mir die Ohren zu halten musste. Dann erschlaffte es und brach über Lo'ak zusammen."Lo'ak!" Wir rannten zu ihm. Neteyam stupste das Tier vorsichtig an, doch es war wirklich tot. Mit gemeinsamen Kräften, schoben und zerrten wir es von Lo'aks zerbrechlichen Körper. Dieser hustete und keuchte, als wir ihn befreiten. Sprampelnd stand er auf und Neteyam musste ihn an der Schulter festhalten, damit er nicht wieder umfiel. "Alles in Ordnung?"
Lo'ak grunzte und nickte. "Eywa sei dank!" Kiri fiel ihrem Bruder um den Hals. Lo'ak erwiderte ihre Umarmung erschöpft. Er warf Neteyam einen dankbaren Blick zu und dieser legte beschützend seine Hand auf Lo'aks Haar. Dann sah er zu Spider. "Ist bei dir auch alles okay?"
"Jah", er nickte schnell. "Mir geht es gut." Neteyam seufzte erleichtert. Kiri ließ von Lo'ak ab. Dieser schüttelte sich den Matsch vom Körper. "Lass uns diese bescheuerte Pflanze finden und dann nichts wie weg hier!"Wir liefen noch stundenlang durch den Sumpf. Und so langsam verloren wir die Hoffnung die Pflanze zu finden. Niedergeschlagen stapfte ich an Neteyam's Seite über den Matsch. Die Sonne war bereits verschwunden und dunkle Wolken hingen am Horizont. Mit einem Mal schob sich der Mond hervor und hüllte die Nacht in silbernes Licht. Ich seufzte. Vor uns lag eine Reihe gigantischer Felsen. Von weitem konnte man einen Höhleneingang sehen.
Mo'at hatte gesagt, die Pflanze wuchs in einer Höhle. Aber ganz ehrlich, wir hatten alle keine Lust mitten in der Nacht die Höhle zu erkunden.Soeben hatten wir beschlossen, die Nacht vor der Felsgruppe zu verbringen und am Morgen in die Höhlen zu gehen. Doch Eywa hatte einen anderen Plan. Wir hatten uns gerade erschöpft gegen die kalte Felswand gelehnt, als eine Bewegung im hohen Gras uns aufschrecken ließ.
Weißes Licht erschien und ein Waldgeist tanzte aus dem Gras empor. Dicht dahinter folgten drei weitere. Eywas Samen schwebten auf uns zu, umrundeten uns, tippten kurz auf Kiris Schulter und flogen dann fort. Auf Kiris Gesicht erschien ein Lächeln. "Wir sind auf dem richtigen Weg", sagte sie ermutigend. Ich sah zurück zu den Waldgeistern. Sie waren stehen geblieben. Mitten in der Luft schwebten sie auf der Stelle."Ich glaube, wir sollen ihnen folgen.", murmelte Spider. Wie sahen uns unschlüssig an und folgten dann den Samen. Eywa hatte bisher nie falsch gelegen. Die kleinen Waldgeister führten uns an der Felswand vorbei in Richtung des Höhleneingangs. Neteyam und ich warfen uns einen schnellen Blick zu. Er sah zu seinen Geschwistern und folgte dann mutig den Waldgeistern. Ich fasste mir ein Herz und lief ihm nach. In der Gesellschaft der Waldgeister fühlte ich mich irgendwie beschützt und geborgen. Ein kurzer Weg führte uns immer tiefer in die Höhle hinein. Es war kalt und feucht und unter meinen Füßen spürte ich den matschigen Fels. Vereinzelt flossen kleine Bäche die kahle Felswand hinab. Bunte Pilze leuchteten ab und zu auf und erhellten die Dunkelheit.
Plötzlich erregte etwas meine Aufmerksamkeit. Grünlich schimmerndes Licht erhellte den Gang vor uns. Die Waldgeister steuerten direkt darauf zu.
"Da! Leute seht mal!"
Aufgeregt liefen wir dem Schimmer entgegen. Als wir näher kamen, sahen wir, dass eine grünlich schimmernde Pflanze an der Felswand hing. Sie hatte sich am feuchten Gestein nach oben gerankt und bildete dort ihre Blüten. Kugelförmige Pollenblätter reckten sich zum Licht der Waldgeister hinauf und daneben entfaltete sich eine sechseckige Blüte. Sie sah eigentlich ganz normal aus. Nur dass sie leuchtete."Was ist an der so besonders, dass sie nur ein mal alle zehn Jahre blüht?", fragte Lo'ak abschütztig. "Wahrscheinlich gerade das", murmelte Kiri, als ich vorsichtig mit dem Messer eine Blüte abtrennte. Ehrfürchtig hielt ich sie in den Händen. Das Leuchten erlosch nicht. Eywas Waldgeister tanzten um uns herum, so als würden sie sich freuen. In meinem Kopf schickte ich ein Dankesgebet an Eywa. Neteyam trat näher zu mir. "Das ist sie?", fragte er. Ich nickte nur. "Anscheinend."
Ich sah zu ihm auf. Das Licht der Blüte schimmerte in seinen Augen. "Wir haben es geschafft.", murmelte ich. "Wir haben es tatsächlich geschafft!"
Er musste lächeln. "Du hast es geschafft. Du kannst jetzt unser Volk retten." Ich grinste ihn an. Euphorie durchströmte mich und ich hätte am liebsten vor Freude getanzt.Für diese Nacht schlugen wir unser Lager am Höhleneingang auf. Die Samen führten uns wieder heraus. Wir kamen nicht einmal dazu ein Feuer zu machen, so erschöpft waren wir. Ich legte mich neben Neteyam und ließ meinen Kopf auf seine Brust fallen. Dann war ich auch schon eingeschlafen.
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Salvation
FanfictionNeteyam x Reader Mein Leben auf Pandora war eigentlich ziemlich unspektakulär. Bis die Menschen kamen, bis ich Neteyam kennenlernte und der ganze Stamm in Gefahr geriet. Die neuen Himmelsmenschen bringen eine Seuche mit auf Pandora, die den Großtei...