Kapitel 2 | Cam

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Mit leerem Blick starre ich zu ihm runter. Meine Kehle fühlt sich bei seinem Anblick staubtrocken an und innerlich bete ich, ironischer Weise, zu Gott, dass ich niemals so enden werde, dabei befinde ich mich auf dem allerbesten Weg dorthin.

„Hey", ich stupse ihn mit meiner Hand an, aber mehr als ein tiefes Schnarchen kommt nicht von ihm. „Hey, Dad!"
Ich rüttle an seiner Schulter.
Keine Chance - dieser Mann ist knocked out.
Na toll.

Man sollte meinen, ich hätte mich schon daran gewöhnt ihn so zu sehen, aber das hab ich nicht. Ich glaube, ich werde mich nie daran gewöhnen ihn so betrunken zu sehen. Ich werde mich auch niemals an dieses Gefühl meiner zerspringenden Kinderseele gewöhnen, das mich bei jedem neuen Schlag überkommt. Immerhin bin ich mittlerweile einigermaßen stark genug, um mich zu wehren.

„Dad!"

„Hm?", schreckt er endlich hoch...mein Gott, das hat ewig gedauert. „Was ist los?"
Ich hab keine Zeit für so einen Mist.

„Ich hau ab."

„Zu Jackson?"

„Nein", knurre ich zurück, während ich zur Haustür laufe. Ich hasse diese Wohnung. Jede einzelne Ecke dieser Bruchbude ist vergilbt, schimmelig oder erinnert mich an die Dinge, die er mir hier angetan hat.

Wenn ich könnte würde ich gehen. Ich würde abhauen, so weit ich nur könnte, mich irgendwo in Sibirien niederlassen und dort so lange leben bis ich dann irgendwann sterbe. Könnte auch ein anderes Land sein, mir ganz egal, Hauptsache es liegen mindestens tausend Kilometer zwischen ihm und mir.

„Warte!" Ich halte an der Haustür inne und sehe ihm aus dem Augenwinkel heraus an. Er reckt seinen Kopf in meine Richtung, seine glasigen grünen Augen sehen mich an. Sie sind so rot unterlaufen, dass sie mich schon fast an das Blut erinnern, das ich die letzten Tage noch ins Waschbecken gespuckt hab. „Kannst du mir Whiskey mitbringen?!"

Augenrollend knalle ich die Haustür hinter mir zu. Einen Dreck werde ich tun.

Meine Stiefel hallen im leeren Treppenhaus. Die Wände sind mit Graffiti beschmiert und an jeder Wand steht mindestens ein FUCK geschrieben. Entweder ein Fuck für sich, Fuck the System oder ein typisches Fuck the Police, welches sich unten neben dem Eingang zwischen Pärchennamen und Zitaten breit macht.
Ich hasse dieses Haus genau so sehr wie die Wohnung. Wenn ich könnte, dann-
Ich würde ausziehen und einfach abhauen.
Ich würde Dad zurücklassen und es sollte mir egal sein was mit ihm passiert, nach allem was er mir angetan hat.
Ich würde einfach einen neuen Namen annehmen und hoffen, dass mich niemals jemand findet, aber das kann ich aus mehreren Gründen nicht machen, und Dad ist der absolut kleinste.

Mein bester Freund, Jack, wäre der zweitgrößte Grund. Ich könnte ihn nicht einfach hier lassen, immerhin kennen wir uns seit wir 5 Jahre alt sind. Unsere Mütter waren gute Freundinnen und Jack ist mit mir aufgewachsen, oder eher ich mit ihm. Wir sind irgendwie miteinander aufgewachsen und auch so gewachsen. Ich wüsste nicht, was ich ohne diesen Trottel machen würde.

Ich fahre mit dem nächsten Bus bis in die Nähe der Innenstadt. Dort wartet Grund Nummer 1, wieso ich nicht einfach abtauchen kann.
Mein verdammter Boss, Damian.
Wie ich diesen Kerl verabscheue.

Ich atme aus, lange, mein Puls hämmert jedes Mal wie bescheuert, wenn ich Damian sehe. Er ist ein Bastard. Scheiße, er ist der Bastard der Bastarde, wenn man so will. War 15 Jahre im Knast wegen Schlägereien, bewaffneten Raubüberfällen, Drogendelikten. Dieser Mann wird von der Polizei gesucht wie ein bunter Hund, aber auch davon kann ich mich nicht ausschließen. Die Cops suchen mich seit Wochen wegen ein paar Einbrüchen, und ich weiß selber noch immer nicht ganz wie ich es geschafft habe, dass sie mich noch nicht haben.

TOUCHED - der Tanz ums VerderbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt