8 Kapitel Verbandszeug

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So erleichtert war ich noch nie Herrn Fautsch zu sehen und werde es vermutlich auch nie wieder sein. Gleich nachdem er in die Klasse gestürmt kam, hieß es Hausaufgaben raus. Da viel es mir wieder ein, ich hatte meine Hausaufgaben nicht gemacht. Das war das erste Mal dieses Schuljahr. Und dann noch bei Herrn Fautsch. Wie konnte ich das nur vergessen? Mir wurde immer schwindeliger, denn er kam immer näher und näher zu unserem Tisch. Dann stand er dort vor unserem Tisch mit einem fordernden Blick.

„Na Skylar, wo sind denn deine Hausaufgaben?",  fragte er verwundert.
Ich sagte nervös: „ Ich.. ich habe sie vergessen."
Auch ohne zu ihm zu sehen merkte ich wie enttäuscht wurde.
„Also Skylar..", er räusperte sich, „ von dir hätte ich das nicht erwartet! Ich hoffe du kommst zu Besinnung und das bleibt ein Einzelfall! So etwas kannst du dir nicht erlauben."

Herr Fautsch wandte sich der Tafel zu und schrieb etwas Unleserliches an, das keiner entziffern konnte. Amaya gab mir einen Mitleidigen Blick. Sie konnte sich echt gut in andere hineinversetzen. Das war ihre Stärke und das bewunderte ich an ihr. Ihr Mitleid half etwas, doch ich fühlte mich immer noch schlecht. Ich versuchte mich auf den Unterricht zu konzentrieren, doch mir kam nur noch Jaro in den Sinn. Er nahm meinen Verstand ein. Er, sein Lächeln, seine Augen und seine Stimme. Auf Schule konnte ich mich nur noch schwer konzentrieren, denn welchen Wert haben gute Noten, wenn man mit jemanden Zeit verbringen kann. Mit jemanden, der mein zerbrochenes Herz zusammenflicken kann. Das Verbandszeug hatte er schon parat. Jetzt fehlten nur noch ein paar kleine Schritte, die mein Herz heilen ließen.

Sobald es zum Ende des Schultages klingelte war ich schon auf dem Weg nach Hause. Heute ließ ich mich nicht ablenken. Ich öffnete unser Gartentor und ging durch, da hörte ich eine mir bekannte Stimme.

„ Sky?", rief Jaro.
Als ich mich umdrehte, strahlten mir schon zwei wunderschöne,grüne Augen entgegen.
Er begann weiter laut zu reden: „ Hey, ich wollte mich entschuldigen, dafür, dass ich gestern einfach so abgehauen bin. Ich war leicht irritiert von dem, was gestern...."

Wenn er nicht bald seine Stimme senkte würde uns meine Mutter bemerken. Ich lief zu ihm und hielt ihm den Mund zu: „ Entschuldige dich bitte leiser, sonst hört dich noch meine Mutter!"

Er fing an zu lachen und bewegte seinen Mund so als würde er etwas sagen, doch brachte keinen Mucks raus.
„So meinte ich das nicht.", ich fühlte mich ein wenig hilflos.
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich ruckartig und starrte zum Küchenfenster: „ Da, deine Mutter!"
Ich drehte mich erschrocken um, doch da war niemand. Er hatte mich auf den Arm genommen.
„ Nicht lustig. Wenn du mir nur das zu sagen hast, dann gehe ich jetzt rein. Tschüss!", sagte ich etwas genervt.

„ Hey, hey.. warte doch mal.", er griff nach meinem Arm, „ Tut mir leid, der Witz war schlecht, aber ich bin nicht deswegen hier. Ich wollte dich fragen, ob du mit zum See kommen willst. Ich habe Langeweile und keiner von meinen Freunden hat heute Zeit."

Ich wusste, was ich mir geschworen hatte, ich wollte heute Hausaufgaben machen. Doch so eine Einladung konnte man nicht ablehnen, war das eine Art Date?
„ Na gut. Ich komme mit. Ich muss nur kurz meiner Mutter schreiben.", sagte ich unbeeindruckt.

Schnell schrieb ich meiner Mutter, dass ich mich mit meinen Freunden verabredete und etwas später nach Hause käme. Ich musste mir ein lautes Kreischen verkneifen. Jaro und ich, alleine am See. Jaro schien verunsichert, da ich so wenig Interesse zeigte. Er tat mir leid, dennoch wollte ich meine Gefühle noch nicht preisgeben.

Wir gingen ein weites Stück zum See. Ich erinnerte mich nur dunkel an den See, denn das letzte Mal, dass ich dort war, lag schon einige Jahre in der Vergangenheit. Es war wunderschön dort, fast wie in einem Traum. Der See war umringt von großen, grünen Bäumen und einer großen Wildblumenwiese. Er führte mich zu einer hölzernen Bank, die etwas versteckt war. Wir setzten uns nebeneinander auf die Bank und ich stellte meinen Rucksack ab. Die Aussicht war traumhaft schön. Wir schwiegen schon eine ganze Weile, da drehte er sich zu mir und schaute mir wieder tief in meine Augen.

Illusion- Was ist echt?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt