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Pablos Elternhaus in La Paz, Bolivien
Spätherbst 2016 | Pablo ist 22 Jahre alt | Pilar ist 18 Jahre alt
Mi querido hermano ...
... Mein liebster Bruder ...
*Abends liegt plötzlich ein unadressierter Briefumschlag auf dem Bett in Pablos Zimmer; darauf steht nur: Mi callado*
Pablo, mein liebster Bruder:
Es geht mir gut. Eigentlich ist das alles, was du wissen musst. Weil du weißt, dass ich nicht lüge; schon gar nicht nach allem, was passiert ist. Und damit meine ich nicht nur die Dinge zu Hause.
Es geht mir jetzt gut, aber das war lange nicht so. Ich bin weg gegangen, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe. Nichts davon. Nicht einmal dich. Jetzt weiß ich, dass du nicht anders konntest, damals habe ich das nicht verstanden. Das tut mir sehr leid ... ich hätte nicht so gehen dürfen.
Aber ich habe es getan ... Und ich habe mich jeden Tag gefragt, wie ich das nur hatte tun können ... als mein "Freund" mir diese Arbeit besorgt hat, ich mich nachts verstecken musste oder vor der Polizei flüchten, als ich in Gefängnissen geschlafen habe oder jede Nacht an einem anderen Ort, als wir durch Flüsse geschwommen sind, um Grenzen zu überwinden, und auch noch, als ich als Mula in Nordamerika aus dem Flugzeug gestiegen bin. Jeden Tag habe ich an dich gedacht, Pablo. Mich gefragt, was du gerade machst, ob Vater wieder zuschlägt. Und ich habe geträumt, dass du mich findest und wir zusammen irgendwo hingehen, wo es uns gut geht.
Dann hat mich der Engländer gefunden. Er hat mir geholfen, er hat mich mit sich genommen, in sein Haus nach England. Er war von Anfang ehrlich zu mir, er ist ein guter Freund und ich war noch nie so glücklich. Und sicher.
Er ist nicht wie der Incubus aus den Geschichten, Pablo. Das ist nicht ihre Natur. Es ist eine Entscheidung. Und er hat seine getroffen. Aber er kann ohne Menschen nicht leben, das ist wahr. Er hat mir die Wahl gelassen, von Anfang an, aber egal, wie ich mich entschieden hätte, er hätte mich gerettet. Er hat mich gerettet. Und ich rette ihn, jeden Tag wieder. Wie Freunde das füreinander tun. Wie eine Schwester es für ihren Bruder hätte tun sollen ...
So ist es also jetzt, ich bin mit einem Mann in England. Und ich hoffe sehr, dass wir uns wieder sehen, dass es dir gut geht. Bitte verzeih mir für alles, was ich dir angetan habe.
Pilar
*Der Brief ist das erste und einzige Lebenszeichen seit Pilar drei Jahre zuvor von Zuhause abgehauen ist.*
~~~ Inhaltshinweise: kurze Erwähnung von Fluchterfahrung, Human Trafficking und häuslicher Gewalt. ~~~
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Entre Corazones - The Homes We Become
Romance~*~ Pablo lässt La Paz und seinen gewalttätigen Vater hinter sich, als er nach London aufbricht, um seine Schwester zu suchen. Was er dort stattdessen findet, ist ein Zuhause für das kommende Jahrzehnt; Leute, die ihn mit offenen Armen aufnehmen un...