Perdido y encontrado... Verloren und gefunden ...

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{Funfact: Diese Szene habe ich bereits vor 6 Jahren geschrieben :D}



Falcon Grand Hotel, Falconwood, London

Spätherbst 2016 | Pablo ist 22 Jahre alt


Perdido y encontrado

... Verloren und gefunden ...

Leise schniefend wischte sich Pablo den Regen aus dem Gesicht, der noch immer von seinen nassen Haaren tropfte. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so durchnässt gewesen zu sein. Aber das Geld hatte nicht mehr für ein Zimmer in der Unterkunft gereicht. Er hatte gehofft, wegen der paar Pfund würden sie ihn bei diesem Wetter nicht vor die Tür setzten, er hatte sich ja nichts zu Schulden kommen lassen. Sie hatten ihn vor die Tür gesetzt. Er war von Bushäuschen zu Bushäuschen gelaufen, um wenigstens nicht die ganze Nacht im Regen stehen zu müssen. Mal hatte er vor der Polizei verschwinden müssen, dann weil ihn ein Betrunkener angepöbelt hatte und ein anderes Mal, weil ihm ein Obdachloser gedroht hatte, er würde ihn abstechen, wenn er nicht von seiner Bank ging.

Am Morgen hatte er dann so lange vor dem Hotel gewartet, bis er der Meinung gewesen war, dass man, wenn man so aussah wie er, an den Empfang gehen konnte, ohne noch auffälliger zu wirken. Die rothaarige, blasshäutige Dame sprach Spanisch, was es ihm einfacher machte, ihr mitzuteilen, was er wollte. Auch wenn er nicht wusste, wie viel er sagen konnte. Wussten alle Bescheid? Wusste sie Bescheid? Mit bemitleidendem Blick wollte sie ihn wegschicken – "Nein, tut mir leid, Se­ñor, ich kann Ihnen nicht weiter helfen ..." – aber er konnte nicht so einfach aufgeben, nicht jetzt schon. Egal, ob er hier finden würde, wonach er suchte, er brauchte Arbeit und irgendeinen Anhaltspunkt; sein Leben würde nicht lang genug sein, um ganz England abzusuchen.

"No ... no entendéis ... Señora, quiero trabajar como un ... compañero del vampiro.", brachte er schließlich heraus. Sofort wurde das Gesicht der Frau blass, aber letztendlich nickte sie und griff nach dem Telefon. Würde sie ihm nun weiterhelfen oder nicht? Mit klopfendem Herzen wartete er, bis sie auf Englisch fertig gesprochen hatte und mit jedem zweiten Schlag löste sich ein kleiner Tropfen von seinen Haarsträhnen.

Die Dame hatte ihn danach tatsächlich in ein Büro geführt. Die Gänge auf dem Weg kamen ihm so lang und alle gleich vor, er bezweifelte, dass er allein wieder hinausfinden würde.

"Einen Moment bitte", war alles, was sie zu ihm gesagt hatte. Und jetzt wartete er allein in dem geräumigen Büro. Es war modern, aber nicht auf diese kalt-sterile Art, in deren Umgebung man sich nie wohl fühlen konnte. Das lag sicher zu einem großen Teil daran, dass man sich darum bemühte, die Geschichte des Gebäudes nicht mit aalglattem schwarz-weiß-grau Design weg zu renovieren. In ähnlichem Stil schien das komplette Gebäude ausgestattet zu sein.

Dann öffnete sich eine Tür. Nicht die, durch die Pablo gekommen war. Eine andere Frau kam herein, klein und zierlich, enges Kleid, schwarze Haare und weiße Haut. Er wusste nicht, wer sie war, aber er hatte gehofft, mit seiner Bitte an jemand anderes zu kommen. Immerhin kümmerte sich um sowas doch bestimmt das Oberhaupt selbst – oder nicht? Die Frau bewegte sich schnell und elegant und als sie einen Wimpernschlag später wenige handbreit vor ihm stand, wich er unbewusst einen Schritt zurück.

"Bist du dir im Klaren darüber, worum du gebeten hast?", fragte sie ihn ohne große Umschweife. Auf Spanisch. Bevor er darauf einging, stellte er eine Gegenfrage. Man hörte ihm nicht an, dass er unsicher war und wusste, er könnte sich genauso gut irren.

„Ist Sir Indriðason hier?"

Auch, wenn er den Namen schon oft auf der Straße gehört hatte, hätte er lieber den Vornamen genannt, da war er sich sicher, ihn richtig auszusprechen. Er hatte sich die Wochen, seit der Minute, in der er in London angekommen war, auf der Straße und in Gegenden umgehört und durchgefragt, die man normalerweise lieber mied. Um einen Mann zu finden, der ihn zu seiner Schwester führte. Er wäre nicht hierhergekommen, wenn er sich nicht sicher wäre, dass dieser Clanführer ihm weiterhelfen konnte. Ja, er hatte Angst gesehen in den Gesichtern der Leute, die ihm vom Clan erzählt hatten ... aber vor allem Respekt. Der Mann schien kein Monster wie aus den Geschichten zu sein.

Entre Corazones - The Homes We BecomeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt