Entre Corazones - The Homes We Become

Aegir - Von Liedern im Nordwind

Lieder im Nordwind

Strophe 1

~ Am Anfang stehen zwei Brüder und die Braut im Wind.

Zwei Brüder, Hakon, der Ältere, und Aegir, der Jüngere, teilten sich nicht nur den Tag ihrer Geburt, obwohl Jahre zwischen ihnen lagen; sie teilten alles in ihrem Leben. Verbunden in brüderlicher Liebe gab es nichts, was sie hätte auseinandertreiben können. So wuchsen sie zu jungen Männern heran, immer wissend, mit dem Bruder an der Seite stärker zu sein als allein.

Doch dann wurde ihr Bund auf die Probe gestellt. Und sie scheiterten daran.

Snædís, eine Frau wie die Schneegöttin, war ihrer beider große und einzige Liebe. So sehr sie es versuchten, ihre jungen, vor Liebe blutenden Herzen ertrugen es nicht, sich ihrer Sehnsucht nach Snædís entgegenzustellen, um den Bruder nicht zu verletzen. Und das Herz der Frau schlug stärker für den einen als für den anderen ...

Sie versprach sich Hakon und ein Streit entfachte unter den Brüdern, die nun nichts mehr zusammenzuhalten schien. So sehr eingenommen von seiner Liebe, strebte Aegir danach, alles zu tun, um Snædís dennoch gewinnen zu können. Zum Krieger erzogen, in blinder Verliebtheit und in jugendlichem Übermut, versprach er, für sie in einen Kampf zu ziehen. Er wollte ihre größte Furcht besiegen: einen der mächtigsten und grausigsten Vampirfürsten des Kontinents.

So geschah es, und Aegir überquerte den Ozean, der ihm seinen Namen gebracht hatte, und kämpfte seinen bittersten Kampf.

Um welchen Preis? Er schaffte es, an das Herz des Vampirs zu kommen, nur saß es nun in seiner eigenen Brust – und all jene, die der erschlagene Fürst beherrscht hatte, gehorchten nun Aegir. Selbst zu einem Leben als Monster verdammt, schmerzte ihn nichts mehr als die unerfüllte Liebe der Frau, die an der Seite seines Bruders auf seine Rückkehr wartete.

So beschloss Aegir, zurückzukehren. Und sein sehnendes Herz schlug alle Warnungen in den Wind.

--- Inhaltshinweis am Ende (gilt nur bis Begleit-Song) ---

Strophe 2

~ Der gestohlene Sohn

Saudárkrókur, Island | 9. März 1998

| Aegir ist 30 Jahre alt und erst seit wenigen Monaten ein Vampir

Es ist kalt, die klirrende Luft lässt die feinen Schneeflocken zu Eis erstarren, das sich sanft auf die Erde legt. Wie eine Schicht aus Zucker sieht es im blassen Mondlicht aus. In London ist schon der Frühling angebrochen, aber nicht hier. Hier ist der Winter hartnäckig, würde am liebsten niemals gehen.
Von einem Hügel aus, an dessen Hängen vereinzelt Nadelbäume wachsen, die der Kälte tapfer strotzen, hat man einen guten Blick auf das Dorf. Es liegt in einem flachen Tal zwischen sanften Hügeln, aus allen Schornsteinen steigt der Rauch der Feuer auf, die die Bewohnenden warmhalten. Es ist eine stille und scheinbar friedliche Nacht, man hört nur den leisen Wind mit dem Frost flüstern.
Außer auf dem Hügel. Unbemerkt von den Menschen ist ein Mann dorthin geflohen. Er ist aus einem der Häuser gekommen, in das er sich zuvor heimlich geschlichen hat.
Er ist gekommen, um sie wieder bei sich zu haben. Er hat gehofft, sie würde es verstehen, ihn zurücknehmen.
Aber so ist es nicht gewesen.
Es ist schlimmer gekommen.