La fotografía ... Das Bild ...

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Funfact: Auch diese Szene habe ich bereits vor 6 Jahren geschrieben; es sind außerdem ein paar Perspektivenwechsel drin, ich hoffe, es stört nicht allzu sehr den Lesefluss.

~~~ Inhaltshinweis: (Internalisierte) Queerfeindlichkeit, häusliche Gewalt (nicht explizit ausgeschrieben, aber Beschreibung der Angstgefühle und Gedanken) ~~~


Pablos Elternhaus, La Paz, Bolivien

Sommer 2011 | Pablo ist 16 Jahre alt | Pilar ist 12 Jahre alt


La fotografía

... Das Bild ...

„... Und dann werde ich mir eine Glatze rasieren und alle meine Haare in deine Unterhosen stopfen. Gute Idee..?" Pilar hatte mittlerweile zu tanzen aufgehört und stand mit verschränkten Armen und amüsiertem Blick in ihrem Zimmer vor dem Bett, auf dem ihr Bruder halb liegend an der Wand lehnte. Eigentlich um sich von ihr zeigen zu lassen, wie gut sie jetzt schon auch die schwierigen Cha Cha Schritte konnte, aber das zierliche Mädchen hatte an seinem bald eher abwesenden Gesichtsausdruck gemerkt, dass er nicht ganz bei der Sache war.

Sowohl ihren scherzhaften Einwurf als auch das Schweigen danach schien er nicht mitzubekommen und Pilar zog leise durchatmend eine Augenbraue hoch, legte den Kopf schief und starrte Pablo weiterhin wortlos an; sie schaffte es ziemlich lange, dabei nicht zu blinzeln. Aber auch das half nicht, seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen, er war irgendwie weg, als würde er schlafen, nur mit offenen Augen, die durch ihr Zimmer ins Leere sahen. Nein, nicht wirklich...

Das Mädchen drehte sich um und ließ dann seufzend die Arme fallen, schaute zu ihrem Bruder und wieder an die Wand zurück. Jeps, er blickte tatsächlich die sorgfältig aufgehängten Bilder ihres Lieblingsschauspielers an, die ihn quer durch das Zimmer anlächelten. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht hopste sie dann von einem Moment auf den anderen neben Pablo aufs Bett und riss ihn damit aus seinen Gedanken.

Ávido, find ich auch...", meinte sie, während sie sich wie er an die Wand lehnte, und warf ihrem großen Bruder einen vielsagenden Blick zu. Auf Pablos Gesicht stahl sich zuerst für einen ganz kurzen Moment Röte auf seine Wangen, dann wurde er blass, als er seine Schwester anblinzelte und sich dabei gerade hinsetzte. Pilar konnte nicht anders als bei diesem Anblick leise zu kichern.

Wenn er sich sonst immer gut retten konnte, heute war Pablo auch klar, dass sie ihn ertappt hatte; trotzdem geschah es fast wie ein Reflex, dass er sie fragend ansah, als würde er ganz und gar nicht verstehen, was sie meinte.

„Na –", sie zeigte auf die Bilder an der Wand und stieß Pablo dann sanft mit dem Ellenbogen in die Seite. „Kann ich verstehen, dass du da lieber hinschaust als zu mir, wenn ich so vor mich hin trampel..." Natürlich wusste sie, dass ihr Bruder eine Vorliebe für Männer hatte... Er war der Mensch, mit dem sie am meisten Zeit verbrachte, den sie wirklich Familie nannte, sowas merkte man doch. Und vor allem war sie nicht dumm.

Übertrieben empfindlich rückte er ein bisschen zur Seite nach ihrem neckenden Stoß mit dem Arm, zog die Beine an und legte die Arme darum.

„Was soll das denn jetzt heißen?", gab er verstimmt zurück, aber leise, fast murmelnd. Pilar fand, er hatte die schönste Stimme der Welt und sie war so oft so froh, dass Pablo ganz anders als ihr Vater war.... aber gerade machte es sie irgendwie... ein bisschen wütend. Warum war er immer so leise? Sogar wenn ihn etwas ärgerte? Was ihre Frage durchaus tat; es war offensichtlich.

„Ich bin nur müde... hab lange gelernt... ", kam ausweichend von ihm, er hielt den Kopf jetzt gesenkt; wenn er blinzelte, blieben seine Augen etwas zu lange geschlossen.

Entre Corazones - The Homes We BecomeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt