Kapitel 7: Das Geheimnis der Tongva

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Bob riss die Tür auf, bevor Peter und Justus überhaupt Klopfen konnten.
„Hört mal." sagte er lautstark, während er auf dem Absatz kehrtmachte, ohne sie überhaupt richtig anzugucken und mit einem kleinen Notizblock in der Hand zurück ins Zimmer schritt.
„Sind ganz Ohr Bob." sagte Justus während er auf seinen Fingernägeln herumkaute.
Justus hatte Phasen, in denen seine Hände so zerkaut waren, dass sie bluteten. Peter legte ihm die Hand auf die Schulter und schüttelte den Kopf.
Sofort hörte Justus auf und lächelte kleinlaut.
Bis zum Jahr 1939 war das Gebäude der Universität Ruxton im Besitz der Familie Johnson, bis es durch Bombenangriffe demoliert wurde. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude von dem Ehepaar Ford Breckenridge und Olivia Breckenridge aufgekauft und restauriert, die bis dahin etwas abgelegen aber im gleichen Ort lebten. Bis zum Jahre 1950 war es ein eher einsames, beinahe verwildertes Gebiet bis im Mai die Breckenridge Stiftung gegründet wurde, und das Gebäude zu einer Universität umgebaut wurde."
Er kaute auf seinem Stift herum, während er einen Abstecher in die Küche machte.
Seit dem Jahr 1990 soll das Gebäude wohl auch als illegales Forschungsinstitut genutzt worden sein."
Bob schob die Brille auf die Stirn und guckte Peter und Justus erwartungsvoll an.
„Also ungefähr zur Zeit als dein Vater in Ruxton war." murmelte Justus und schritt an Bob vorbei die Treppe rauf, während er die Ammoniaklösung in seiner Hand herum schwang.
„Genau." nuschelte Bob während er die Brille aufsetzte, um weiter zu lesen. Er hatte eine Tasse Kaffee in der rechten und eine Packung getrocknete Mangostreifen in der linken Hand.
Peter hatte Bob lange nicht mit Brille gesehen, da sich dieser strikt weigerte, Kontaktlinsen zu verwenden.
Es würde, laut ihm, „bloß die Mädchen vergraulen".
In Ruxton wurden illegale Forschungsprojekte durchgeführt, die sich in Zusammenhang mit dem damaligen Hausmeister Garvine besonders um das Gift von Amphibien und Reptilien drehten. Aber auch illegale Drohnen und explosive Geräte für Großkonzerne wurden im Keller der Universität entwickelt." las Bob schnell und nuschelig vor, da sie das ja ohnehin wussten.
Als die Schulleiterin und Besitzerin der Universität schließlich zu den Verbrechen gestand, erwähnte sie außerdem, dass sich schon lange ein Geheimnis in den alten Gemäuer der Hochschule verborg."
Bob kaute auf einer trockenen Mango herum und Justus stöhnte wie gewöhnt.
„Nehm es mir nicht übel Dritter, aber ich hasse dieses journalistische Gefasel manchmal." grummelte er und blies sich vergeblich die schweissnassen Haare von der Stirn.
Bob lachte ein wenig und rückte die Brille auf der Nase herum, ohne dass sie sich wirklich bewegte. Es erinnerte Peter daran wie Kelly immer in ihrem Essen rumstocherte ohne aber wirklich etwas davon herunterzuschlucken.
Mit einem Plumps ließ er sich auf dem Bett nieder und seufzte in das weiche Kissen hinein.
Bob beäugte ihn misstrauisch.
„Der Artikel gibt nicht viel her." schmatzte er und Justus nickte zustimmend, wie er es sonst im Unterricht bei den Lehrern tat.
Bob und er hatten also stattdessen begonnen, die Lösung über dem Papier zu verstreichen.
Nur leicht, sodass das Blatt nicht durchweichte.
Bob hatte Angst, dass es nicht funktionieren würde, also erklärte Justus ihm den chemischen Prozess, woraufhin Peter komplett abschaltete.
Bob hob die Hand hinterm Rücken und ahmte Justus Mundbewegungen mit der Hand nach so dass Peter grunzend lachen musste.
Er guckte ab und an auf sein Handy.
Jeffrey hatte ihm nicht mehr geschrieben, aber es gab auch nicht mehr wirklich etwas zu schreiben.
Nervös schwang er das Handy umher.
Er dachte an Linn. Und an Jeffrey. Und aus irgendeinem Grund dachte er daran wie sie sich küssten. Und es fühlte sich eigenartig an. Aber auf die Art, bei der sich der Magen zusammenzieht.
Und er kaute auf der Innenseite seines Mundes herum als wollte er etwas davon abbeißen.
Seit wann mochte Linn Jeffrey?
Wieviel wusste Kelly über Jeffrey, dass er nicht wusste?
Er drehte sich zur Seite, so dass sein Rücken zu Bob und Justus gekehrt war. Er tippte etwas auf seiner Tastatur herum, nur um es wieder zu löschen.
Er dachte an die Frau von der Apotheke und wie sie ihn anlächelte. Sie war hübsch gewesen, mit ihren blonden Haaren und den Sommersprossen und der runden Brille. Aber es tat nichts für seine Bauchgegend wie sie ihn anlächelte oder ihm zuzwinkerte, nicht so wie sich das eigentlich anfühlen sollte.
Seit wann fühlte sich sowas nicht mehr gut an?
Irgendwann spürte er Bobs Hand auf dem Rücken, der seine Haare mit einem Haarband nach hinten gesteckt hatte, so dass sie auf seinem Kopf abstanden. Peter musste lachen.
Mit aufgeplusterten Wangen zog er Peter am Handgelenk vom Bett und zeigte auf die nun sichtbare Schrift im Buch.
„Wir haben's Peter. Wir kennen das Geheimnis der Tongva."
————
Wie in einem Hexenkreis saßen die Drei sich nun gegenüber, das Buch in der Mitte wie ein Ouija Board, bereit die Geister der Ruxton Universität zu beschwören.
9. September 1993." begann Bob zu lesen und räusperte sich noch einmal, bevor er weiterlas.
Die Dinge entwickeln sich in mir unerklärbar und unaufhaltsame Richtungen. Ich wurde eingeladen, Teil eines inneren Kreises zu werden. Was genau das bedeutete, wurde mir kaum mitgeteilt. Thomas hatte angenommen. Ich war noch unschlüssig. Nach einiger Recherchearbeit fiel mir auf, dass die Familie Breckenridge bereits im 17. Jahrhundert in Konflikten mit den Tongva geriet, da sich die Familie mit dem Stamm um Land stritt. Natürlich lag das Besitzrecht des Landes beim Volke der Tongva, doch die Breckenridges ließen sich nicht abschütteln, bis sie mit Hilfe von Ansiedlern im September 1867 beinahe den ganzen in Ruxton angesiedelten Teil des Stammes ermordet hatten. Viele Besitztümer wurden geborgen wobei der Großteil wohl verloren ging. Breckenridge faselte in einem der Treffen etwas von einer ‚Träne' die das ‚Tor öffnen' solle. Was genau das bedeutete, war mir unklar. Es könnte sich jedoch um das berühmte Amulett handeln, was wohl aus den Händen der Tongva gestohlen worden war."
Bob unterbrach seinen Lesefluss ab und zu um Peter und Justus aufgeregt zuzunicken.
Es muss wohl außerordentlich spannend sein die alten Tagebücher seines Vaters zu lesen, besonders wenn dieser in die Machenschaften eines Mörder-Kultes verwickelt war.
Er dachte an seinen Vater, der wohl bei seiner Filmarbeit noch von keinem Drogenring rekrutiert worden war. Er müsste ihn zuhause mal fragen.
„Wisst ihr was das bedeutet?" fragte Bob und schob sich die Brille auf die Stirn.
Justus wollte etwas sagen aber Peter unterbrach ihn um etwas wichtiges hinzuzufügen.
„Nein." sagte er kauend und versuchte das zähe Mangostück in seinem Mund zu vierteln.
Bob und Justus seufzten und Peter hatte außerordentlich Spaß daran den Zwei das Leben ab und an zur Hölle zu machen.
Justus konnte doch nicht immer den Spaß für sich alleine haben.
„Der Schatz der Tongva ist nicht verloren gegangen. Er befindet sich immernoch in der Universität. Und der Schlüssel ist..."
Bob hob das Amulett an, worin sich das Licht der Kerzen spiegelte und helle Lichtflecken im Zimmer verteilte.
„Die Träne."
Justus nickte und legte den Finger an das Kinn, wie er es so oft tat, wenn er nachdachte.
Peter war immer noch etwas grummelig wegen der Frau in der Apotheke. Hätte er nicht doch einfach nach ihrer Nummer fragen sollen?
„Das bedeutet, dass dieses ganze Geldfälschungs-Drama nur ein Versuch war deinen Vater, John Andrews, aus dem Verkehr zu ziehen um sich hier in Ruhe die Träne zu schnappen."
Justus kratzte sich am Kopf.
Bob kaute laut auf seinem Mangostreifen herum.
„Aber warum der Umstand? Hätte man ihn nicht kidnappen können? Sie haben ihn doch schon auf diese falsche Berufsreise geschickt..."
Peter hatte sich bereits weggedreht und hörte nur noch halb zu.
Dennoch hatte er etwas hinzuzufügen. Er drehte sich um und streckte alle Gliedmaßen einmal kräftig vom Körper weg bis sie knacksten.
„Die Breckenridge hasst deinen Dad, Bob. Lailaps ist ihr wohl am liebsten im Gefängnis."
Bob und Justus nickten zustimmend und Justus drehte nebenbei mal wieder das Ammoniak zu, was bisher das ganze Zimmer voll gestunken hatte, so dass er nun das Fenster öffnen musste und die kalte Nachtluft den Drei um die Ohren strich.
„Aber die ist doch im Gefängnis." merkte Bob an, und drehte einen Stift zwischen den Fingern umher.
Justus hatte die Stirn gerunzelt und einige Sekunden lang schwiegen die drei nachdenklich. Plötzlich kam es Peter in den Sinn.
„Wisst ihr wer wohl nicht mehr im Gefängnis ist, und dem teumessischen Fuchs sicherlich immer noch treu? Und der uns damit gleich auch eins auswischen würde?" sagte er grinsend und schob sich langsam näher an das Tagebuch heran, um noch einmal über Mr. Andrews Notizen zu fliegen.
„TJ." sagten die drei beinahe gleichzeitig und grinsten sich zufrieden an.
„Können wir den lokalisieren?" fragte Peter und Bob klickte bereits auf seiner Tastatur rum.
„Ich ruf morgen mal Cotta an. Das lässt sich machen. Und Bob recherchiert. Morgen fahren wir los."
Sagte Justus und lehnte sich auf dem dunkelroten Teppich zurück, sodass er seinen Kopf an der Heizung anlehnen konnte.
Seine Haare wurden von leichten Wind der durchs Fenster kam umher gewirbelt.
Peter biss sich auf die Zunge.
Das Treffen mit Jeffrey konnte er morgen wohl vergessen.
„Das Geheimnis der Tongva ist also garnicht wirklich das Geheimnis der Tongva." sagte Bob und nahm einen Schluck au seinem Kaffee. Bob war der einzige Mensch der um 22 Uhr noch Kaffee trinken konnte und davon nur noch müder wurde.
„Sondern um das dunkle Geheimnis der mörderischen Vergangenheit der Breckenridges."

Die drei Fragezeichen und der falsche Verbrecher Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt