Kapitel 12: Kuchen bei Mitternacht

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Bob knabberte nervös an seinen Fingernägeln herum, während er Peter dabei zuguckte, wie er seine Unterlippe immer wieder wütend von vorne nach hinten schob. Es war als ob sein ganzer Kiefer bebte und Bob bereitete sich auf eine Explosion vor.
„Peter, du musst dich beruhigen." sagte er, nervös seine Haare nach hinten steckend, die aber zu kurz waren um wirklich hinter seinen Ohren zu bleiben.
Peter lachte, so unnatürlich, dass es beinahe manisch klang.
„Brandon ist nicht ruhig geblieben." er zeigte auf Bobs Wange, die Bob sofort mit einer Hand bedeckte.
„Warum soll ich es bleiben?"
Bob schob sich nervös auf dem Beifahrersitz vor und zurück und hielt sich ängstlich klammernd an der Stange zwischen Sitz und Kopfunterstützung fest.
Er wollte Peter nicht ansehen. Vor allem weil ihm grad wieder nach weinen zu Mute war.
„Peter, ich will Brandon nicht sehen."
„Du wartest im Auto. Ich würde dich nicht zwingen ihn zu sehen, Bob, dass weißt du."
Bob wollte Peter anhalten. Auf die Bremse treten und den Lenker rumreißen und zurück nach Hause. Seinetwegen zu Peter nach Hause, in die Zentrale oder zu sich. Hauptsache weg.
„Peter du zwingst mich grade zur Konfrontation. Dass will ich nicht. Ich will nach Hause." flüsterte Bob und biss sich auf die Lippe, Tränen zurückdrückend.
„Ich wusste dass du so reagierst, deshalb hab ich nichts gesagt. Peter hör mir doch zu!"
Er lehnte sich so nah wie er konnte, und dann sah Peter ihn an.
Und er hatte ihn noch nie so besorgt gesehen.
Und Bob fiel ein dass Peter sich sicherlich schuldig fühlte. Brandon war sein Freund gewesen, jemand mit dem er viel Zeit verbracht hatte.
Er war Kellys neuer Freund, und sein Kollege und all die Zeit hatte Bob Peter nichts erzählt.
Peter war wahrscheinlich genau so sauer auf sich selbst, wie er es auf Brandon war.
„Och Peterchen..." murmelte Bob und kniff die Augen zusammen.
Er zitterte, er konnte die Hände nicht still halten.
„Ich weiß du fühlst dich schuldig, aber das bist du nicht."
Peter biss sich im Mund herum, seine Zähne knarzten während er sie aneinander rieb.
Und plötzlich weinte Peter.
Nur leise aber so laut wie Bob es vorher noch nie von Peter gehört hatte.
„Ich hätte es wissen müssen. Warum hast du nichts erzählt?"
Peters Augen und Wangen waren rot und Bob wollte ihn in den Arm nehmen aber das war erstaunlich schwer in einem fahrenden Auto also legte er ihm eine Hand aufs Bein.
„Weil ich Angst hatte."
„Angst?"
„Ja Angst. Das du sowas machst wie jetzt. Das du zu ihm fährst, oder es Kelly erzählst."
Plötzlich war es still. Peter knirschte nicht mit den Zähnen, er atmete kaum.
Er bremste abrupt.
„Peter! Was zur Hölle!"
Er drehte sich zu Bob um, und Bob war zu beschäftigt, damit sich umzugucken, ob von irgendwo ein Auto kam, doch die Landstraße war erstaunlich leer.
„Wo soll ich dich hinbringen Bob? Es tut mir leid dass ich nicht gehört hab ich bin bloß so-"
„sauer?" ergänzte Bob, grinsend und erhoffte sich, dass Peter zurück lächeln würde.
Doch Peter legte nur den Kopf auf den Lenker und schluchzte leise.
„Auf mich selbst, Bob. Ich bin sauer auf mich selbst."
„Du hättest es nicht wissen können."
„Aber Bob" Peters Kopf schnellte hoch und er sah Bob an, durch tränennasse Augen und genauso tränennasse Wimpern.
„Ich hätte es wissen müssen" wiederholte er sich, die Hände fest am Lenker klammernd.
Bob zog ihn zu sich und umarmte ihn so fest wie er konnte. Er schlang die Arme um ihn so wie Peter es einige Stunden zuvor getan hatte und Peter weinte in seine ohnehin schon regennassen Klamotten.
„Ich hätte wissen müssen, was Brandon für ein Arschloch ist."
Bob fuhr Peter durch die Haare. Sie waren sanft und weich und rochen nach Salzwasser.
Ich hätte es wissen sollen, aber das kann man nicht wissen. Manchmal wirken Leute perfekt und dann stellt sich heraus, dass sie einem versuchen die Nase zu brechen, wenn man Ihnen sagt, dass sie's nicht sind." lachte Bob und er spürte wie seine Augen sich wieder mit Wasser füllten.
Bob strich Peter die Haare aus dem nassen Gesicht und hielt es zwischen seinen Händen. Er konnte seinen warmen Atem spüren und grinste ihn an, wie er dort in seinem Schoß lag, halb auf seinem Sitz und halb auf Bobs.
„Bringst du mich zur Zentrale? Ich will mit Justus reden."
Und Peter strich ein kleines Lächeln um die Lippen, während er seine Nase hochzog und bedächtig nickte.
„Ich bring dich zu Justus."
Er streckte einen kleinen Finger aus und Bob musterte ihn misstrauisch.
„Wenn du ab jetzt ehrlich bist. Zu uns Beiden. Ich will nicht dass dir sowas nochmal passiert."
Und Bob grinste und hakte seinen Finger um Peters.
„Deal."
„Perfekt."
Den Rest der Fahrt hörten sie Musik und sangen so laut wie es um 11 Uhr abends noch gesellschaftlich und moralisch akzeptabel war, mit offenem Fenster und Wind in den Haaren.
Peter guckte zu Bob rüber und grinste, die Augen noch ein wenig rot, aber trocken.
„Hat er doll geflennt als Du ihn zurück geschlagen hast?" fragte Peter schelmisch lächelnd und guckte Bob an, der sich nun mit Pflastern bedeckt grinsend leicht aus dem Fenster lehnte.
„Peter, was denkst du denn. Jahrelange Kidnapping Erfahrungen haben mich resilient gemacht. Denkst du wirklich, alle Schläge von Brandon haben nur annähernd so doll wehgetan, wie nur ein einziger von mir?" fragte Bob und grinste und Peter grinste zurück und musste sich zusammenkneifen, nicht zu lachen.
„Oho, ich sehe. Furchteinflössender Robert Andrews."
„Furchtbar furchteinflössend. Du hättest ihnen sehen müssen. Er ist vor mir weggerannt."
„Da bin ich mir sicher." lachte Peter und Bob fuhr ihm durch die Haare.
Sie waren still und lächelten sich an.
Peter merkte wieder, dass Stille neben Bob besser war, als Stille nur für sich allein.
———
Als Peter Bob zurück zur Zentrale gebracht hatte saß Justus immer noch Kaffee trinkend am kleinen Schreibtisch.
Trotz Justus strammen Schlafzeiten saß er wohl immer noch am Fall. 
Peter erklärte knapp, warum die Zwei so spät kamen, und zu Peters Überraschung umarmte Justus Bob nur fest and Bob fing sofort wieder zu weinen an. Die Drei saßen eine Weile zusammen am Tisch, redeten viel und aßen Kuchen um Mitternacht.
Justus hatte mehr zu dem Fakt zu sagen, dass Bob sich in einen Sportler verknallt hatte, als das es ein Junge war, was sowohl Bob als auch Peter sehr beruhigte.
Justus interessierte das Geschlecht nicht das Geringste. Er klopfte Bob nur kurz auf die Schulter und murmelte ein schnelles „Keine Sorge, Dritter. Bei deinen 5000 Dates pro Jahr war es zu ahnen, dass bei der kleinen Population von Rocky Beach ein paar Jungs dabei sein mussten."
Woraufhin Peter ihm einen Tritt auf den Fuß verpasste und Bob laut loslachen musste, sich aber sofort die offene Lippe hielt.
„Du hättest dir aber nicht so einen Grobian suchen müssen." sagte Justus, Kuchen mampfend und Bobs Blick ausweichend.
Bob riss die Augen weit auf und zog Justus sanft an den Haaren.
„Klar, Justus. Das er mich haut, wenn ich ihm sage, dass ich keine Lust mehr auf ihn habe, hab ich natürlich geschnüffelt, als ich mich das erste mal mit ihm getroffen hab. Hm sein Zimmer riecht irgendwie nach GEWALT." Knirschte Bob durch zusammen gebissene Zähne und Peter spuckte ein bisschen Kuchen aus, weil er sich sein Lachen trotz vollem Mund nicht verkneifen konnte.
Justus entschuldigte sich grummelnd und Peter katapultierte mit seiner Gabel ein bisschen Kirschkuchen auf Justus Stirn, der ihm sofort ein Bisschen mit seinen Fingern ins Gesicht schmierte.
„Du Flegel." sagte Justus und zog Peter die Gabel aus der Hand.
„Du darfst ab jetzt nur noch mit Fingern essen."
Peter grinste.
„Gerne."
Er schaufelte durch den Kuchen wie ein Bagger.
„Peter, das ist eklig." sagte Bob, beinahe enttäuscht. Er zog die Augenbrauen zusammen und verschränkte die Arme wie eine Erste-Klasse-Lehrerin wenn man sich vor ihr in die Hose pieselst.
„Schieb's auf Justus." schmatzte Peter grinsend und Justus und Bob schüttelten den Kopf.
„Du bist wie so ein Hund, der überall hinkackt und dann man muss sich bei den Passanten wegen dir entschuldigen." sagte Justus und musste sich ein Lachen verkneifen.
Peter japste nach Luft.
„Bitte? Ein Hund der überall hinkackt?"
Peters Mund klappte auf und Kuchenstückchen waren wohl noch zerkaut verteilt darin, denn Bob kniff angeekelt ein Auge zusammen, was ihn ein wenig psychotisch aussehen ließ.
„Soll ich Bob erzählen, wie du mal in den Blumentopf bei einer Familienfeier gepinkelt hast, weil das Klo zu lange besetzt war?"
Fragte Peter schmatzend, einen Mundwinkel provozierend hochgezogen, während er versuchte, wieder nach seiner Gabel zu greifen.
Justus ließ das Besteck fallen und sah Peter ausdruckslos an.
„Wie kannst du nur." sagte er und kniff die Augen zusammen und Bob lehnte sich nach vorne, die Augen weit aufgerissen und begann furchtbar laut zu lachen.
„Was zur HÖLLE, Just. SOWAS HAST DU GEMACHT?" rief Bob und Justus presste ihm eine Hand auf den Mund. Er seufzte laut und sogar durch Justus Hand konnte man Bobs Grunzen hören.
„Mathilda und Titus schlafen." erinnerte er und Bob wurde merklich leiser, grunzte aber immer noch vor Lachen.
„Es war eine Notlage."
„Das hier auch." sagte Peter und leckte sich den Zeigefinger ab.
„Ich kann euch Beide nicht leiden."
Sagte Bob grinsend und nahm ein Schluck mitternächtlichen Kaffee, während Peter ihm einen beleidigten Blick zuwarf.
Peter hob einen Finger bevor er zum Reden ansetzte und schluckte den gigantischen Haps Kuchen runter.
„Das stimmt doch garnicht. Könntest du mich nicht leiden, hättest du mir damals kein Küsschen gegeben."
„Wann?" schrak Justus auf, die Kinnlade nach unten geklappt und sah die beiden verdattert an. Bob strich sich seufzend über die Stirn aber Peter wusste, dass er sich grade ein Lachen verkniff.
„Als ich in der Grundschule für meinen blöden Romeo Part für Theater üben musste. Und du hast vorgeschlagen, dass wir uns küssen!" sagte er, an Peter gerichtet, den Zeigefinger anschuldigend gehoben, als müsse Peter sich ergeben.
„Nur weil du die ganze Zeit gejammert hast, dass du nicht weißt wie man küsst."
Sagte Peter und legte den Arm um Bobs Hals und drückte ihn an sich heran.
„Ja aber du meintest ‚alles gut, ich zeig's dir.' und dann hast du mich einfach geküsst, als ob es das normalste der Welt ist." flüsterte Bob peinlich berührt und zog die Augenbrauen zusammen, wohl angestrengt etwas zu erkennen ohne Brille.
„Ist es doch auch." mampfte Justus und grinste.
„Ja ist es, Bob."
Peter kniff die Augen zusammen und sah Bob spielerisch vorwurfsvoll an bis er Peter, verärgert mit der Zunge klickend, wegdrückte.
„Haltet ihr mir keinen Vortrag darüber, dass es normal ist schwul oder bi oder so zu sein, wenn ich hier mit nem blauen Auge sitze, weil ich genau das zu Brandon gesagt hab." keifte er und verschränkte die Arme.
Der Regen prasselte gegen die Zentrale und es klang wie sanfte Trommelschläge in einen Orchestra bevor die anderen Instrumente einsetzen. Es roch nach warmem Tee und Kuchen und der Dampf fühlte die Luft vor ihnen. Peter war glücklich. Bob war glücklicher als vor ein paar Stunden, und Justus sah ebenfalls glücklich aus, wie er seinen Lieblingskuchen runterdrückte.
„Was können wir aus Peter heraus würgen?" fragte Bob an Justus gerichtet, der stirnerunzelnd mit den Achseln zuckte.
„Kollegen, ich musste leider feststellen, obwohl man diese Erkenntnis schlecht mit Leid in Verbindung bringen kann, dass wir uns kaum Geschichten erzählen können, bei denen wir nicht selbst dabei waren." sagte er besonders eloquent und Peter nickte.
„Das stimmt, das meiste was mir passiert ist, ist mir mit euch passiert."
„Ditto." sagte Bob und lächelte.
„Wie gesagt, nicht mit Leid verbunden. Ganz im Gegenteil, ich empfinde es als äußerst angenehm zu wissen, dass ihr immer bei mir seid, wenn mir solche Sachen passieren." konkludierte Justus, und Bob legte ihm einen Arm um die Schultern.
„Ich wünschte ihr wärt heute da gewesen und hättet gesehen, wie ich Brandon fertig gemacht hab." verkündete Bob zufrieden und zog einen Mundwinkel hoch, sodass man ein paar seiner Zähne sehen konnte. Peter lachte und wedelte wie ein Dirigent mit der Gabel herum.
„Es gibt immer ein nächstes Mal."
Justus hob zum Einwand die Hände.
„Hoffentlich nicht."
Und alle Drei nickten im Einklang, bevor Justus, wie immer, zurück zum Job kam.
„Ich hab heute mit Cotta telefoniert, ich brauchte seine Meinung zu ein paar Sachen." erklärte er während er vorsichtig in seinem grünen Tee herumrührte.
„Du hast ihm nichts von der Träne erzählt, oder?" fragte Peter und lehnte sich nach vorne. Er schloss die Hände um die warme Tasse, damit ihn die Kälte des Regens endlich verließ. Justus schüttelte den Kopf.
„Natürlich nicht. Ich habe um die Überwachungskamera-Aufnahmen gebeten, er hat sie mir mehr oder weniger willig zukommen lassen. Auf jeden Fall ließ er mich wissen, dass Brooks wieder erfolgreich im Gefängnis untergebracht wurde."
Bob zog eine Augenbraue hoch.
„Du hast ja nichts gesagt von den Überwachungsvideos. Kann ich sie sehen?"
„Gleich, Dritter. Ihr werdet nicht glauben, was Cotta noch erzählt hat." kündigte Justus mysteriös an. Bob und Peter lehnten sich zum Ersten vor. Bob hatte die Hände verschränkt auf dem Tisch platziert, während Peters immer noch verzweifelt um die Tasse geschlungen waren.
„Pérez, der Chefredakteur, ist verschwunden."
sagte Justus ominös.
„Verschwunden?" wiederholte Bob und blickte Peter verwirrt an, als ob Peter mehr aus der Situation machen könnte, als Bob. Peter zuckte mit den Achseln.
„Wie lange?"
„Ein paar Tage." antwortete Justus, entspannt Tee schlürfend.
Bob sah Justus mit dem Bekannten „spuck deine Theorie aus"-Blick an und Justus nickte gehorsam.
„Es war klar, dass Pérez entführt wurde, weil er Brooks und Newman nie hätte erwischen sollen." erklärte Justus gespannt, und Bob merkte wie das Feuer in seinen Augen zurückkehrte, während er erzählte.
Peter runzelte die Stirn.
„Aber war nicht genau das der Plan? Das man die Drei erwischt?" wand er ein, seine Hände immer noch kalt und rot von der nächtlichen Spielplatz-Sitzung.
Justus presste die Lippen zusammen und lächelte, eine Gewohnheit die er sich in der Schulzeit aneignete, wenn er die Antwort einer Frage besser wusste als seine Mitschüler und Mitschülerinnen.
„Eben nicht. Man sollte nur Bobs Vater auf der Kamera sehen. Nicht aber Newman und Brooks. Denn dann würde man die Kriminellen ja nicht zu Dritt auffinden."
„Sondern nur zu Zweit." ergänzte Bob, seine Brille langsam von der Nase ziehend, während er eine Hand gegen die Schläfe presste.
„Richtig. Das Pérez nachts noch in den Keller kommen würde, hätten die Zwei und ihr Chef wohl kaum wissen können. Hätten sie aber wissen sollen. Ebenso, dass er einen Schlüssel hatte."
Peter nickte, und blies sich in die Hände.
„Woher hatten die denn Zugang zum Raum?" warf er in die Runde, und Justus kniff die Augen zusammen.
„Entweder ist jemand aus der Zeitung involviert, womöglich ein Hausmeister..." begann er und trippelte mit den Fingern auf dem Tisch herum.
Bob mhmte nervös und lehnte sich nach vorne, während er seine Brille immer wieder auf und zu klappte.
„Oder jemand hat sich als Putzkraft ausgegeben und den Schlüssel von alleine bekommen."
„Oder die Putzkraft überwältigt." wendete Peter die nicht unmögliche Wahrscheinlichkeit ein. Justus nickte.
„Auf jeden Fall, sollte Bob sich mal das Tape angucken. Ich denke, er erkennt am Besten, was den Täter von seinem Vater unterscheidet."
Bob nickte zustimmend und sofort bewegten sich die Drei zum Computer der Zentrale.
Während Justus die Datei öffnete griff Peter nach Bobs Hand.
„Geht es dir besser?" fragte er sanft, und rieb Bobs Knöchel mit seinem Daumen.
Der helle Bildschirm spiegelte sich in Bobs Brillengläsern, während er zu Peter aufblickte.
„Ja. Viel besser. Danke, dass du auf mich gehört hast." sagte er und legte seinen Kopf auf Peters Schulter ab.
„Danke, dass du nicht aufgehört hast, mich zu beruhigen." erwiderte Peter und drückte seine Wange gegen Bobs Haare.
Auf dem Video erkannte man wenig. Es war eine schlechte Aufnahme, mit schlechter Belichtung und keinem Ton.
Doch als der falsche Mr. Andrews Eintritt erkannte Bob sofort eine Sache.
Peter erstaunte es, dass Bob es überhaupt wahrnahm, aber er pausierte sofort und zeigte auf die Kopfgegend des Mannes.
„Das ist eine eckige Brille." sagte Bob und lehnte sich zurück.
„Mein Dad trägt runde."
„Perfekt." sagte Justus, und dreht sich zu seinen beiden Kollegen um, die sich eng aneinander gequetscht auf die Lehne des Bürostuhles lehnten.
„Sonst noch was?" fragte Justus.
Bob lehnte sich etwas näher an den Bildschirm ran, die Brille mit den Fingern fixiert und vorsichtig nach vorne und nach hinten schiebend um perfekte Sicht zu bekommen.
„Er erinnert mich an jemanden." murmelte er, und Peter steckte seinen Kopf zwischen Justus und Bob.
„Mich auch."
„Geht mir nämlich auch so." bestätigte Justus, an seinem Kugelschreiber knabbernd. Er kniff die Augen zusammen, das Gesicht beinahe an den Bildschirm gepresst.
„Und mir fällt absolut nicht ein wer." grummelte er, das Geräusch von seinen Zähnen gegen das Plastik des Stiftes reibend füllte den sonst stillen Raum. 
„Wir schlafen drüber. Und morgen fahren wir nach Ruxton." beschloss Bob seufzend, während er sich den Nasenrücken rieb.
Peter nickte zustimmend, und streckte zur Bestätigung gähnend die Arme aus.
„Die letzten paar Tage waren mir zu ereignisreich. Morgen ist Recherchetag."
Peter sah Justus dabei zu wie er mehr oder weniger willig den Computer runterfuhr und sich müde die Augen rieb.
Er hatte tiefe Säcke unter den Augen vom wach bleiben. Peter wusste, dass Justus so seine Probleme mit Schlafstörungen hatte aber während eines Falles wurden diese immer schlimmer. Er tätschelte ihm mitfühlend die Schulter.
„Das ist doch okay Chef, oder? Vielleicht könnten wir uns im Pressehaus umgucken. Im Raum, meine ich. Vielleicht finden wir was." schlug er vor, während Bob sich bereits abwendete um die Betten fertig zu machen.
„Das ist in Ordnung." murmelte Justus müde, während er Bob liebevoll zusah, wie er sich um die Schlafplätze kümmerte.
Justus sagte es vielleicht nicht oft, aber einen Bob in seinem Alltag zu haben, war wahrscheinlich eines der besten Geschenke die man im Leben kriegen konnte.
Und auch einen Peter.
Er sah den großen Jungen an und lehnte seinen Kopf gegen seine Brust.
„Ich freu mich, dass ihr mir das erzählt habt."
Er grinste Bob an, und Bob sah ihn beinahe empört an.
„Justus, das ist selbstverständlich."
„Bob wollte sofort zu dir." erklärte Peter und Justus wurde ein Bisschen rot.
„Und von Peters Erkenntnis weißt du ja noch garnichts!" merkte Bob lauthals an, während er zwei gestreifte Kissenbezüge rumwedelte.
„Erkenntnis?" wiederholte Justus fragend, einen weiteren Schluck Kaffee runter schüttend.
Peter rieb sich nervös den Nacken.
„Vielleicht... ganz ganz hypothetisch..." begann er und biss sich auf der Zunge herum, bevor Bob ihm mit einem Kissen direkt im Gesicht traf.
„Peter ist total in Jeffrey verknallt." kicherte er wie ein kleines Kind.
Peter spürte dass ihm warm im Gesicht wurde während er das Kissen mit voller Geschwindigkeit zurückschleuderte.
„Du Verräter."
Und Bob zuckte mit den Schultern und lächelte sein unscheinbarstes, scheinheiligstes Bob-Lächeln, sodass Peter nichts machen konnte außer peinlich berührt mit dem Kopf zu schütteln.
Justus legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er saß immer noch auf dem kleinen Bürostuhl der sich Konversations-unpraktisch darstellte, da die Rollen kaputt waren und der Stuhl sich immer weiter drehte.
„Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis, die für alle anderen bereits vor Langem ein etablierter Fakt war."
sagte Justus so monoton wie möglich und stand plötzlich auf um Peter fest zu drücken.
„Bob und ich beglückwünschen deine neuerrungenen Eigenkenntnisse."
Und Peter spürte dass Justus in seine Schulter grinste und er hoffte, dass solche Übernachtungen ewig dauerten.
In denen es mal nicht um Mord und Totschlag oder gestohlene Artefakte ging, sondern nur um Sie. Bei denen Justus genug freundschaftliche Wärme aufgebracht hatte um sie zu umarmen, oder ihnen Kuchen bei Nacht auftischt und Tee kocht und Bob im Hintergrund lacht und Kissen bezieht.
Und Justus drückte Peter an den Schultern zurück und musterte ihn.
„Statistisch gesehen sind nur 1 von 3 Personen nicht heterosexuell. Ich bin erstaunt, dass es dich nicht stört, dass wir uns dieser Statistik widersetzen." sagte Peter und nahm Bobs stolze Pose aus den Augenwinkeln war, da er nun mit den Betten fertig war.
Die Couch war ausgezogen und es war grade so genug Platz für alle Drei.
Justus schnaubte lachend.
„Das ist nicht einmal richtig. 20% aller nord-amerikanischen 18-25 Jährigen identifizieren sich als nicht strikt heterosexuell. Es ist normal, dass einer oder mehr von uns diese Ansichten teilen. Und ich freu mich, dass ihr euch selbst besser kennenlernt, und rausfindet, was für euch richtig ist. Die Statistik kann mir da am Arsch vorbeigehen, wenn ich das mal so prüde sagen darf."
„Darfst du!" sagte Peter glücklich und klopfte Justus auf die Schulter.
Er war so glücklich, dass es ihm im Moment nicht einmal in den Sinn kam, dass er selbst noch nicht 100% bequem mit seiner Orientierung war.
Aber das Gefühl, von anderen Leuten geliebt zu werden, einfach so wie man war, war ein guter erster Schritt, sich selbst so lieben zu lernen...
Einfach so wie man war.
Und der Geruch von warmem Kräutertee und Kuchen und Regen, der durch die leicht undichten Fenster kam, und leise Gespräche im Bett ließen den Tag ausklingen.
Er drückte Bobs Hand, der irgendwann klein und leise schnarchte, und sah Justus zu, wie seine Brust sich beim Atmen auf und ab bewegte und seine langen Wimpern durch seine Augenbewegungen unter den Lidern hin und her wackelten.
Und Peter fühlte sich noch nie so aufgehoben und richtig in dieser Zentrale, in der sie hunderte von Fällen bearbeitet hatten, wie er es heute Abend tat.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 01, 2023 ⏰

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