Wir schrieben den Sonntag des gleichen Wochenendes. Gestern hatte ich die Zeit genutzt um über meine Briefidee nachzudenken. Da meine Eltern beide arbeiten waren hatte ich genug Ruhe gehabt, um mir der Gefahren durchaus bewusst zu werden. Schlussendlich hatte ich beschlossen, meinen Plan trotz allem in die Tat umzusetzen. Morgen wenn ich zur Schule ging, würde ich meine Botschaft in den Briefkasten werfen. Ich glaubte nicht wirklich daran, dass jemand antworten würde. Immerhin war es schon gruselig so einen Brief von einer fremden Person zu erhalten. Es war ein Rätsel was sich bis höchstens nächste Woche Freitag beantworten müsste.
„Schätzchen? Was sagst du dazu?"
Ich zuckte zusammen und sah dann zu Mama. Wir saßen beim Abendessen, meine Gedanken hatten mich aber ganz woanders hin getragen. Angestrengt versuchte ich mich daran zu erinnern, worum es gegangen war. Vergeblich.
„Ich hab nicht zugehört tut mir leid. Was hattest du gesagt?"
Seufzend ließ sie sich gegen die Rückenlehne fallen. Hoffentlich war sie jetzt nicht beleidigt.
„Sollen wir an Silvester auf einen Tanzball gehen?"
Mein Blick heftete entgeistert an ihr. Wie kam sie denn jetzt auf diese Idee?
„Nein, denn Ophelia kommt und wir wollten unser alljährliches Silvesterritual vollführen." Erklärte ich ihr, froh eine Ausrede zu haben. Zwar konnte ich tanzen, aber sowas machte keinen Spaß, diese Menschenmassen, die einen anstarrten und nur darauf warteten das etwas blödes passierte. Irgendwann waren alle betrunken, meine Mutter würde nerven. So wollte ich nicht ins neue Jahr starten, falls ich da noch leben würde. Sie begann zu grinsen und hob triumphal ihr Kinn an.
„Wie gut das ich mit ihr schon gesprochen habe, sie hat da nämlich große Lust drauf und ihr Cousin Nicolai kommt auch mit. Da du ja jetzt nichts mehr vor hast, kannst du ja mitkommen." Sie sah mir genau in die Augen und schob sich die Gabel mit dem Fisch in den Mund.
Sie strahlte pure Zufriedenheit aus. Mehr als sprachlos da sitzen konnte ich nicht. Wieso tat meine eigene Mutter mir das an, gerade sie sollte doch wissen, wie sehr ich das hasste. Ophelia würde ich gleich anrufen. Da war noch nicht das letzte Wort gesprochen. Und überhaupt, was fiel meiner Mutter ein, mein Silvester umzuplanen! Diese Wut, war mittlerweile nur noch ein kleines flackern. Eher fühlte ich mich einfach nur leer und hintergangen. Wie eine Hülle mit der man einfach alles tun konnte und jeder auch alles mit tat. Nur ich nicht. Was ich wollte war völlig egal. Hauptsache alle anderen waren zufrieden. Wozu hatte sie mich überhaupt gefragt, wenn es eigentlich schon fest stand?
„Ich möchte gerne aufstehen." Murmelte ich leise. Mit gesenkten Blick brachte ich meinen Teller in die Küche, schleppte mich die Treppe hoch in mein Zimmer und ließ mich auf mein Bett fallen.
Jetzt würde ich erst meine sogenannte „Freundin" anrufen um sie zu fragen, was zum Teufel sie sich dabei gedacht hatte.
Als ich ihre Nummer wählte, drückte sie mich erst weg, mir war so egal was sie jetzt machte, ich würde so lange anrufen bis ich sie am Hörer hatte. Beim dritten Versuch ging sie dann endlich dran.
„Hallöchen, wie war dein Wochenende ?" sie klang unsicher, was mich völlig überraschte, sie war gar nicht der Typ dafür. Bis mir dämmerte, das sie wahrscheinlich genau wusste, wieso ich anrief. Na warte, du Verräterin.
„Tut das jetzt wirklich was zur Sache? Was fällt dir ein, hinter meinem Rücken, mein Silvester mit meiner Mutter um zu planen?" fuhr ich sie zornig an, während ich mich im Schneidersitz hinsetzte.
„Sie hat mich angerufen, weil sie nicht mehr weiß wie sie anders an dich rankommen soll. Sie tat mir voll leid, außerdem ist es doch auch mal schön, was anders zu machen." Verteidigte sie sich.

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Brieffreund
Teen FictionAria wird in der Schule gemobbt, niemand steht zu ihr, selbst ihre Eltern sind ihr keine Stütze. Sie sieht nach all den Jahren der Tyrannei schließlich nur noch einen Ausweg, sie will sich das Leben nehmen. Um sich selbst jedoch noch eine letzte Cha...