Kapitel 1

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Meine Haare waren voller Papierkügelchen. Ich würde mir heute beim Duschen wieder die halben Haare ausreißen um sie raus zu bekommen. Hinter mir saß Mona. Das bedeutete Affe und in Ländern wie Spanien konnte dies durchaus missverstanden werden, wenn man dort so hieß. Sie verhielt sich aber tatsächlich auch wie einer. Sie war eine von denen, die Freude daran hatten mich durch die Schulzeit zu quälen. Warum sie das tat wusste ich nicht. Ich hatte ihr nie etwas getan. So wie auch sonst keinem hier. Aber Kinder waren Monster und es war egal was ich tat, wie ich mich änderte, sie fanden immer etwas. Also versuchte ich mich meinem Schicksal zu ergeben, doch dies klappte auch nicht jeden Tag.

„Pst, Aria, du kannst mir später für deinen Kopfschmuck danken. Oh, da hab ich doch tatsächlich noch eine Lücke entdeckt." Flüsterte sie und keine Sekunde später, hörte ich wie sie in den Strohhalm blies. Ein kleines Plop und schon klebte ein neues Kügelchen in meinem Haar. Kichern. Frau Schwank sah in meine Richtung. Jedoch, mit einem kleinen bemitleidenden Blick, ignorierte sie das Mobbing tapfer weiter. Wie auch sonst alle Lehrer hier. Ich hatte nicht den Mut mich umzudrehen und Mona zusagen, was ich gerne sagen würde. Mein Mut reichte nicht mal mehr für einen Blick zu ihr. Jede Stunde sowie auch jetzt, packte ich meine Tasche ein, fünf Minuten bevor es klingelte um direkt aus dieser Hölle entkommen zu können. Zusätzlich auch zum Schutz, denn sie hatten schon mehrfach meine Mäppchen zerstört. Auch da sagten die Lehrer nichts mehr zu. Jede Minute die verstrich, war für mich ein Segen. Gleich würde ich Ophelia sehen. Sie war die einzige bis jetzt, die mir eine Chance gegeben hatte. Anscheinend war ich für sie gut genug, denn wir waren schon sieben Jahre befreundet. Leider war sie in der Parallelklasse, mit meinem zweiten großen Schadensproduzenten. Tjorven. Auch er vertrat seinen Namen wirklich fantastisch, natürlich ohne es zu wissen. Tjorven stammte aus den skandinavischen Ländern und bedeutete "dickes Würstchen." So sah er aber auch aus. Er war dick, ungepflegt und dumm. Mich wunderte sehr, dass sich viele nicht mit ihrer Benennung auseinander setzten. Immerhin gab uns unser Name doch eine eigene Identität. Wie auch immer, er war Peiniger Nummer zwei. Vor ihm hatte ich Angst, da er im Sportunterricht sehr gerne seinen Frust an mir ausließ. Wie einen Boxsack, den man als Hängeschaukel tarnte, wusste ich stets wann er eine schlechte Note geschrieben hatte. Wegen ihm hatte ich schon die ein oder andere Rippe gebrochen und hatte einmal eine Platzwunde. Natürlich war er aber so geschickt, es jedes Mal als Unfall dastehen zu lassen. Mal stellte er unauffällig ein Beinchen, dann aber war ich beim Sprint im Weg. Einmal hatte ich mich gewagt zu behaupten, das er es mit Absicht getan hatte, jedoch wurde mir nicht geglaubt. Ich hätte mir das nur eingebildet, das wäre ein Versehen gewesen, meinte mein Lehrer, ich sollte besser aufpassen wenn ich jemanden beschuldigte. Ab da hatte ich es einfach über mich ergehen lassen, immerhin war das etwas woran ich mich gewöhnt hatte. Offensichtlicheres würde er sich auch nicht wagen, denn dann würde ja auffallen das er es mit Absicht tat. Seid wir den neuen Stundenplan hatten, kreuzte sich unser Sportunterricht auch nicht mehr so oft, wodurch es wieder einigermaßen erträglich wurde. Doch trotzdem hasste ich Tjorven, mehr als Mona oder sonst jemanden. Der schlimmste Tag jedoch war, als die beiden bekannt gaben, ein Pärchen zu sein. Mein Herz war bei dieser Nachricht kurz stehen geblieben, so musste es gewesen sein, denn mein Körper war taub gewesen. Gänsehaut überkam mich, als ich daran zurück dachte. Klingeln. Mein Stichwort. Ich packte meinen Rucksack plus die Jacke und sprintete raus. Als ich damit angefangen hatte, wollte Frau Schank immer wissen wieso ich das tat. Während ich es ihr damals erklären wollte, sah sie mich an, ihre Augen glasig, Antworten vielen knapp, sie nickte nicht einmal oder hakte nach. Ihr Blick wich mir aus, sie schaute auf die Uhr, sie hatte mich nicht einmal richtig wahr genommen, ihr Blick ging durch mich durch, wie jemand der was erzählte es einen aber nicht im geringsten interessierte. Ein lästiges Insekt, was man einfach nicht weg bekam. Ihr zu sagen, was eigentlich während meines Schulalltags passierte, hatte mich Mut und unruhige Nächte gekostet. Die Konsequenzen falls einer der beiden das mitbekommen sollte, hatte ich in Kauf genommen, in so etwas wie Hoffnung gesteckt. Doch wie konnte ich das erwarten? Mehr als ein Versprechen, das wir uns alle mal zusammen setzten und das besprechen würden bekam ich nicht. Dieses Gespräch hatte nie stattgefunden, heute sah sie nur kurz zu mir rüber wenn ich aus der Tür floh. Wenn ich dann an der Wand stand, um auf Ophelia zu warten, lief sie an mir vorbei Miene in Richtung Tür, um mich bloß nicht anzusehen. Schließlich könnte sich ja so etwas wie ein Gewissen melden. Seit dem hatte ich mich nicht mehr getraut, das anzusprechen, wieso sollte man sich auch für mich Gedanken machen. Ich war weder besonders, noch hatte ich etwas dafür getan um das zu verdienen. Früher war ich oft sauer auf die Lehrer gewesen, da sie sich nicht für mich stark machten, mir Tapferkeit schenkten, wo ich welche bräuchte. Heute jedoch verstand ich es, denn ich war 18 Jahre alt und sollte meine Probleme selbst klären können. Was ich auch versucht hatte, jedoch hatte ich es einfach nicht geschafft. Man nahm mich nicht ernst, lachte mich aus oder hörte mir einfach nicht zu, es war mein persönlicher Albtraum, der mich jedes Mal zurück zerrte wenn ich ihm entkommen wollte. Deshalb war es inzwischen gut, das ich es akzeptierte, sonst würde mir jeden Tag aufs Neue einfallen, wie sehr ich es hasste, was sie aus mir gemacht hatten. Als es anfing und ich mich noch wehrte, schwor ich mir, niemals gegen sie zu verlieren. Wenn ich an diese Aria dachte, kamen Gefühle hoch, mit denen ich meinen Kampfgeist hätte füttern können. Sie kam jedoch immer weniger, bis sie schließlich verschwand. Jetzt war ich jemand der zu dem gezwungen wurde, jemand der nicht groß entscheiden konnte ob er das auch wirklich sein wollte. Oft gab ich mir die Schuld daran, suchte nach meinen Fehlern, doch wer konnte schon behaupten, diese zu erkennen. Natürlich wusste ich, was grundliegend Aspekte dafür waren, mich nicht zu mögen, jedoch so einen Hass gegen mich zu empfinden, der Grund konnte nur einer sein den ich nicht sah. Ophelia versuchte mir Selbstvertrauen bei zu bringen, leider war ich jedoch nicht die beste Schülerin und machte eher Rückschläge statt Fortschritte. Es war nicht einfach, mit mir, auch diese Welt schien mich nicht gerne auf sich zu haben. Denn Mobber waren Feige. Wenn sie mich einmal alleine erwischten, würden sie sich nicht alleine, sondern zu mehreren auf mich stürzen. So musste ich noch ein Jahr durchhalten, danach wäre ich frei von ihnen und könnte meine von ihnen erschaffenen Wunden zu Narben heilen lassen.

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