Kapitel 7

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Ich hasste den Bahnhof, auch damals als wir noch hier gelebt hatten, verstand ich nicht, was alle so toll daran fanden hier zu sein. Er war immer voll mit hektischen oder gestressten Menschen, man wurde geschubst oder um Geld gebeten. Manchmal flogen einem auch Tauben ins Gesicht oder kackten einen an, da fragte ich mich doch wirklich wie diese Viecher es immer hier rein schafften. Zu dieser Zeit jedoch, erstrahlte er in den buntesten Farben. Tannenzweige hingen an den Wänden, kleine Weihnachtsbäume standen in den Gängen, überall wohin man sah, war Deko. Sie half diesem Ort nicht besonders dabei schöner auszusehen, es ließ einen aber auch nicht vergessen welcher Tag heute war.

„Kommt beeilt euch, ihr Zug sollte schon vor 5 Minuten hier angekommen sein." Hetzte Mama vor uns her. Sie schlüpfte zwischen den Menschen her, als wären sie Pylone die für den Slalom aufgebaut waren. Damian und ich hingegen hatten ernsthafte Probleme mitzuhalten. Wir hatten im Domparkhaus geparkt, weshalb wir einmal komplett durch den Bahnhof mussten um Gleis 10 zu erreichen.

„Verdammt Rubina, die Deutsche Bahn hat doch immer Verspätung, jetzt schalt mal in den ersten Gang und lauf normal." Keuchte er hinter mir, doch Rubina interessierte das nicht im geringsten, sie stöckelte in einer Geschwindigkeit, die man ihren kurzen Beinen gar nicht zutraute.

Noch dazu in einem Stiftrock.

Ein Typ, zwei Köpfe größer als ich, lief hemmungslos in mich rein und sorgte dafür das ich auf dem Rücken landete. Ein beißender Schmerz fuhr zwischen meine Schulterblätter als ich unsanft landete. Der harte Boden, nahm meinen Rücken nur allzu gerne in Empfang und presste mir die Luft aus den Lungen. Zwar tat das sehr weh, meine größte Angst waren jedoch die Bakterien, die sich hoffentlich an die drei Sekunden Regel halten würden, bevor sie mich angriffen. Konnte ich denn nicht aufpassen wo ich hinlief, wie konnte man nur so doof sein? Seine dunkel blauen Augen sahen schockiert auf mich runter, als hätte er gar nicht gemerkt, dass ich ihn getroffen hätte. Schnell nahm er sich seine Air Pods aus dem Ohr und hielt mir seine Hand hin. Sein Arm war voller Bändchen von Festivals oder Konzerten, ich fand Menschen die im Winter T-Shirts trugen ein wenig seltsam, obwohl ich selbst immer welche an hatte.

„Komm ich helfe dir auf." Gab er mir sanft zur Kenntnis und nahm meine Hand. Er zog mich so leicht hoch, wie er mich weg geknockt hatte, meine Haare fielen mir dabei ins Gesicht, die er mir vorsichtig weg strich. Als er dabei meine Wange berührte zuckte ich zurück. Das war mir ein bisschen zu viel Körperkontakt für die erste Begegnung.

„Tut mir leid, dass ich gegen dich gelaufen bin, anscheinend kann ich nicht einmal das." Fiepste ich von Scham getroffen, während die Stelle wo er mich gestreift hatte warm wurde. Ich traute mich nicht einmal ihn anzusehen, was er zum Anlass nahm, mit seinem Zeigefinger mein Kinn zu suchen, nur um mich zu zwingen in seine Augen zu sehen. Zwar waren diese dunkel blau, aber ganz anders, sie erzählten eine Geschichte, von der tiefe des Meeres einer Seele. Ich kam nicht umhin gefesselt davon zu sein, wie sehr sie mich in eine andere Welt führten.

„Du entschuldigst dich für etwas, was ich schuld war? Außerdem finde ich, machst du das mit dem laufen ganz gut." Sagte er, mich an schmunzelnd und zwinkerte mir zu, was mich aus meiner neu entdeckten Faszination riss. Es war seltsam gewesen, was gerade passiert war und unheimlich. So unauffällig wie ich konnte, sah ich ihn mir an. Noch nie hatte ich jemanden mit so schwarzen Haaren gesehen, er hatte sie etwas hoch gestylte, weil sie ihm sonst garantiert in die Augen gefallen wären. Sein Gesicht war markant, rund mit einem drei Tage Bart, wenn man das so nennen konnte.

„Ich bin Nelio, eigentlich versuche ich es immer erst mit schlechten Anmachsprüchen, statt direkt mit meinem Charm umzuhauen. Bei dir wollte ich wohl unbewusst etwas neues ausprobieren, ich hoffe du hast dich nicht verletzt."

Er klang ehrlich besorgt, was mich überraschte, wieso sollte er sich um mich kümmern, wir kannten uns überhaupt nicht.

„Mir geht es gut."

Mehr fiel mir echt nicht ein, was hätte ich auch groß noch sagen sollen? Seine Aufmerksamkeit fiel auf seine Uhr, dann wieder zu mir, er wirkte etwas ungeduldig.

„Hey, weg von meiner Nichte."

Hörte ich eine mir sehr vertraute Stimme. Unsere Köpfe drehten sich beide in ihre Richtung, wo, wie ein Bulldozer Marian durch die Menge geschossen kam.

„Ich verschwinde jetzt wohl besser, so wie es aussieht, könnte ich mir sonst was brechen. Ich hoffe man sieht sich zwei Mal im Leben."

Nelio, wirkte mehrbelustigt als verängstigt, doch nahm trotzdem flink seinen Koffer, der mir bis dahin gar nicht aufgefallen war und wurde schnell von der Menschenmasseverschluckt. Er ließ mich zurück, genauso fühlte es sich an, er hatte so viel Vertrautheit an mich abgegeben, das ich fast glaubte zu ihm zu gehören. Es fühlte sich ganz seltsam an, auch zu wissen das wir uns eben nicht nochmal sehen würden, gab mir das Gefühl ihn zu enttäuschen. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 31, 2023 ⏰

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