Wir schrieben den 24.12, der Tag an dem es passieren würde. Es war halb sieben morgens, die Sonne war noch nicht ansatzweise zusehen, was ich als sehr angenehm empfand, denn Helligkeit war zur Zeit sowieso nicht meins. Die letzte Woche war furchtbar gewesen, hatte mir den letzten Rest gegeben und das hatte ich auch gebraucht , um für mich endgültig zu wissen, dass diese Welt nicht der richtige Ort für mich war. An dem Tag wo Tjorven das Shirt von meinem Vater zerrissen hatte, war auch der Moment wo wir uns endgültig entzweiten. Er hatte mich angeschrien und beleidigt, mit Worten auf mich eingeschlagen, bis ich kraftlos am Boden lag. Von meinen blauen Flecken, die durch das Gerangel entstanden waren wollte er nichts wissen. Meine Erklärung wollte er auch nicht hören.
„ Du bist Alt genug, dich zu wehren und dich selbst um dieses Problem zu kümmern. Kann ja nicht sein, dass deine Mutter oder ich das immer klären müssen."
War seine Aussage gewesen, ab da hatte ich beschlossen ihn zu hassen. Seit dem redete er sowieso nicht mehr mit mir, das sollte mir aber recht sein. Meine Erzeugerin war in Tränen ausgebrochen, mich aber zu unterstützen war ihr nicht eingefallen, von ihr würde ich sowas sowieso auch nicht erwarten. Mona und Tjorven hatten meinen Ranzen plus die Schulsachen in den kleinen Teich, der auf dem Pausenhof war, geworfen. Alles war hinüber, ich würde ihn aber eh nicht mehr brauchen. Von Mittwoch bis heute war ich dann nicht in der Schule gewesen, denn diese Fehltage würden mich nicht mehr interessieren, außerdem wollte ich mich von den beiden auch nicht mehr fertig machen lassen. Meine Eltern wussten nichts davon, aber auch das war unwichtig und mir zur Zeit sowieso egal. Es ging einfach nicht, mein Körper wehrte sich gegen mich, schon wenn ich die Augen aufschlug tat mir alles weh. Mir liefen Tränen übers Gesicht, obwohl ich nicht weinen musste. Ab und zu zitterte ich am ganzen Körper hörte Minuten lang nicht auf, bis ich mich in eine Ecke verkroch und der Dunkelheit den Platz gab, die sie offensichtlich brauchte. Also tat ich so als wäre ich zur Schule gegangen und sobald die beiden weg waren, war ich wieder ins Haus gegangen und hatte mich ins Bett gelegt. In mir fühlte es sich nach nichts mehr an, als würde ich schon nicht mehr leben. Im Inneren ermordet. Ein Mord den niemand sehen oder nachweisen konnte. Jetzt war genauso ein Moment. Mit offenen Augen lag ich im Bett, Blick auf meinen Efeu über mir gerichtet. Er hatte sich fantastisch entwickelt, wenn man daran dachte, wie winzig die Pflänzchen ursprünglich gewesen waren. Das und Satchmo waren das einzige was ich vermissen würde, wenn man da wo ich hinkam überhaupt vermissen konnte.
Heute war meine Frist für einen absolut absurden Plan abgelaufen, denn ich hatte keinen Brief bekommen. Es enttäuschte mich irgendwie, denn ein wenig Hoffnung hatte ich schon in ihn gesetzt. Ich dachte es würde sich wenigstens einer für mich interessieren, dem war dann wohl nicht so. Oft hatte ich darüber nachgedacht, wie gruselig diese Situation für die fremde Person gewesen sein muss. Was sollte man groß damit anfangen, außer es für einen schlechten Witz zu halten? Von Tag zu Tag hatte mich der Gedanke von einer Antwort mehr verlassen, bis sie schließlich weg war und ich mir Pläne bezüglich meines Ablebens gemacht hatte. Das Schicksal hatte über mich entschieden, sowie ich auch. Ich glaubte daran, dass meine Seele nach dem Tod weiter leben würde und etwas Besseres als dieses Dasein bekommen würde. Aber wozu genau war mein Leben jetzt gut gewesen ? Diese Frage würde mir wohl unbeantwortet bleiben, zudem war es eigentlich auch nicht wichtig. Denn heute musste ich mich erstmal um andere Dinge kümmern. Ich hatte mir überlegt wie ich sterben wollte, jetzt musste ich es nur noch umsetzten. Heute würde viel los sein, wir mussten Tante Marian vom Bahnhof abholen, meine Großeltern würden heute Abend kommen. Mein Zeitfenster lag zwischen dem abholen meiner Tante und dem Eintreffen der restlichen Familie. Es würde schnell gehen müssen und das nicht nur, weil ich nicht groß leiden wollte. Also würde ich noch ein paar Stunden haben. Seufzend setzte ich mich auf. Die konnte ich nicht mit schlafen vergeuden, denn wenigstens für meinen Körper, sollte es ein guter Abschluss sein. Bevor meine Reise also ein Ende fand, hatte ich noch ein paar Dinge zu erledigen. Ich hatte nicht viel Zeit, für mich selbst, jedoch fragte ich mich auch, was ich mir selbst noch zusagen hatte. Das was ich mir vorgenommen hatte, würde aber auch nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. Sonst war alles vorbereitet. Briefe für meine Eltern waren geschrieben und auf ihren, von mir, ausgesuchten Fundorten gelegt. Ich hatte sie extra so positioniert, dass sie sie nicht direkt finden würden, damit sie die Frage quälte wieso ich das getan hatte. Auch wenn es mir ein wenig für meine Tante leid tat, da sie die einzige aus meiner Familie war, die einigermaßen locker drauf war und Interesse für mich zeigte.
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Brieffreund
Teen FictionAria wird in der Schule gemobbt, niemand steht zu ihr, selbst ihre Eltern sind ihr keine Stütze. Sie sieht nach all den Jahren der Tyrannei schließlich nur noch einen Ausweg, sie will sich das Leben nehmen. Um sich selbst jedoch noch eine letzte Cha...