Liebe vergisst dich nicht

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Ein neuer Tag... wie jeder. Ich liege einfach dahin verloren, ohne meine Augen zu öffnen, wozu auch. Naja, ich habe keine Alternative, es ist schon wieder Morgen, gemessen am Gesanggeräusch verschiedener Vogelarten von da draußen. Sie betrügen mich oder weisen darauf hin, dass meine Wahrheit völlig anders ist und mein durchtrainierter Kopf in der Dunkelheit, jetzt ihr entkommen solle. Es sagt mir so etwas wie; „Fülle mich wie ein menschlicher Abdruck, du bist ein dunkler Fleck an der Wand, sonst nichts. Nach dir gibt es nur noch leere Kleiderbügel im Schrank und eine einsame Katze mit einem Leichnam im Haus." Wenn ich jetzt lächeln könnte, würde es so aussehen, als wäre es aus einer Schublade gezogen worden, die sich selten öffnet. Meine Hoffnung auf Leben war von schwarzer Sonne überflutet, der Tag ließ mich wie „Gottes Atem" in kurzen, sachlichen Sätzen, wie ein Geständnis der leeren Wortlaute. Ich bin fertig, ich bin zum Scheitern verurteilt.

Der Tag hat seinen Sinn erfühlt und langsam aber sicher nähert sich dem Abend entgegen. Ich sondierte nur mich selbst, hörte meinen Atem zu und beobachtete, wie der Tisch am Fenster immer längeren Schatten auf den Parkettboden warf. Mit zunehmender Dunkelheit nähert sich ein betagter Schatten zur Ecke an der starren Wand und mit ihm die überfallenen Plagen der Fragen. Früher fragte ich diese Welt, -wie drücke ich Gefühle bei anderen Menschen aus? Zum Beispiel in meinem Beruf war ich eine begeisterte Schuhdesignerin, eine echte Künstlerin. Ich würde sogar Schuhe für die zarten Pfoten meiner Katze entwickeln, die gerade zusammengerollt neben mir lag. Ja, für die Füße... Wir stehen normalerweise darauf, ich brauche die nicht mehr, ich kann nie wieder auf meinen eigenen Füßen stehen, ich bin quergelähmt, ein morsches, ungebrauchtes Brettholz völlig von den anderen gutmütigen Menschen abhängig. Wenigstens haben sie jetzt die Gelegenheit die Liebe zeigen und ausdrücken zu können. Und ja, jetzt kann ich keine Gefühle mehr äußern nicht mal mit dem Gesicht, ob alles Übrige die Pfleger aus meinem Schweigen erkennen?

Aus meinen Träumen vom Vortag und einigen Erinnerungen möchte ich meine echten Eltern kennenlernen, es war mein sachlichster Wunsch. Antworten auf viele Fragen oder so intuitiv wie nächtliche Motten, die das Beleuchtungskörper als Kompass für den Ausweg finden. Stattdessen wurde ich wie ein Kuckuck in ein unbekanntes Nest geworfen. Setze ich zu Hause eine Pause aus wie dieser berüchtigte Vogel? Sogenannte Pflegeeltern, zwei völlig unbekannte Persönlichkeiten, die eine Kopie von sich selbst darstellen möchten. Sahen sie mich mit den gleichen Blicken, als ich damals als Baby da einfach beschwerlich im Bettchen lag. So wie jetzt meine persönliche Pflegerin? Ja, sie kommt regelmäßig in mein Zimmer, erledigt ordentlich das Nötige um mich herum, manchmal singt sie etwas dabei. Sie ist definitiv eine gute Person, hat sich nie vorgestellt, hält es wahrscheinlich für zwecklos da ich sowieso nichts merke, denk sie sich. Ja, ich kann nicht sprechen bin stumm und für immer regungslos im Bett einfach daliege. Was ist da noch drin außer: Zwei Arme, Beine, Oberkörper, Kopf? So schaue ich jeden Tag und jede Nacht mit tausend Gedanken forsche mich selbst mit den all Millionen Fragen.

Wenn man mich mit dem Verhalten hungriger Wespen im Spätsommer vergleichen würde, deren lange Antennen nur zum Süßen eines Kuchenstücks verwendet werden, wäre dies eine genaue Kombination. In jener Zeit fühlte ich mich wie eine Wespe zu Honig hingezogen, nämlich zu meinem Handy. Ich setzte selten eine Pause aus, um auf das Display zu starren. Die sogenannte gleichzeitige Aktivität "Tragen einer Tasche beim Gehen" funktionierte damals nicht ganz. Und so geschah es beim Überqueren einer Straße. Und als könnte ich damals das Echo meiner Erinnerungen aus dem Kindergarten der tiefen Stimme eines netten Polizisten hören: "Kinder, das ist wichtig, wenn ihr die Straße überqueren wollt, solltet ihr immer nach links und rechts schauen, bevor ihr weitergeht!"

Leider warnte mich die Stimme ein wenig zu spät. Das Auto war schneller es traf mich so hart, dass mir immer noch kalt ist über den Vorfall bloß nachzudenken. Süchtig nach einem Handy, jetzt kann ich zugeben, dass ich es war damals. Ich erinnere mich noch an mein erstes Smartphone, sehr schick, so glatt in der Hand, fast wie eine Berührung. Dann fing ich an, soziale Medien zu nutzen, zu sehen und zu wissen, mich selbst zu überraschen, nur um wieder überrascht zu werden und so weiter. Wie auch immer, das Gefühl zu haben, die ganze Zeit mitten im Leben zu sein, immer in Kontakt zu bleiben. In einem Fachjargon einfach und simpel als Sucht bezeichnet, die wir offensichtlich nicht zugeben wollen. Jetzt bin ich im Bett fest eingewachsen wie versteinert, ein Fall für einen Paläontologen, der mich finden und bestätigen wird und in ein weises Buch mit einem Bestätigungsfoto mit dem Titel "Dies sind die Überreste einer Rasse" einträgt.

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