Kapitel 1

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Mit einem tiefen Atemzug pustete ich achtzehn Geburtstagskerzen aus und grinste mit roten Wangen in die Kameralinse, die Mom auf mich richtete. North legte mir seine Hand auf die Schulter - eine Geste, die ich mir eher von meinem Vater gewünscht hätte.

"Herzlichen Glückwusch, mein Schatz!" Mom lächelte breit und küsste meinen Scheitel, bevor sie anfing den Kuchen an uns drei auszuteilen. Der Schokoladenkuchen schmeckte nach Minze, genau wie jedes Jahr. Es war mein Lieblingskuchen und ich half Mom immer dabei, ihn zu backen.

Während wir aßen, dachte ich an heute Abend. Ich würde Henry treffen, das erste Mal seitdem wir aus dem gemeinsamen Urlaub zurück gekommen waren. Henry und ich mussten North versprechen unser Sugarbaby und Sugardaddy Verhältnis aufzulösen, sobald wir zurück in Deutschland waren.

Wir gingen seiner Forderung nach, da keiner von uns Henry hinter Gittern sehen wollte. Allerdings war es sehr schwer gewesen, die Finger voneinander zu lassen. Heute Abend würden wir aber alle Zeit der Welt haben - und wenn ich ehrlich zu mir war, konnte ich es kaum erwarten.

Damit North nichts von unserem Treffen mitbekam, holte mich Abby persönlich von hier ab. Sie würde mich zu Henry fahren und selbst zu ihrem Situationship gehen - sparen wir uns an dieser Stelle den Kommentar dazu.

Wir verbrachten zu dritt einen schönen Geburtstag zuhause. North und Mom räumten die Küche auf, während ich am Esstisch saß und in einer Zeitschrift blätterte. Mom fragte, ob wir eine Runde spazieren gehen wollten. Es gab an diesem Oktobersonntag kaum andere Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung.

Ich schüttelte den Kopf. Es sah draußen aus als würde es jeden Moment anfangen zu regnen. Und auf keinen Fall wollte ich meine frischgewaschenen und geglätteten Haare der Luftfeuchtigkeit aussetzen, bevor ich Henry gesehen hatte.

Trotzdem setzte ich ein Lächeln auf. Mom trocknete ein Glas ab und beobachtete mich währenddessen.

North drehte sich zu mir. "Vogue?", fragte er dann freundlich. Ich sah von dem Magazin auf und nickte. "Jep."

"Vielleicht wirst du mal eine der Stylisten dort. Für die Models auf dem Cover.", sagte Mom schwungvoll. Ich sah sie an und versuchte nicht gemein zu sein.

"Mom, ich glaube nicht, dass es einfache Friseure bis nach München, Paris oder gar New York schaffen.", meinte ich sanft. Sie zuckte mit den Schultern.

"Wer weiß. Du studierst doch ab April. Vielleicht öffnen sich dadurch ganz neue Wege. Und außerdem hat Henry recht einflussreiche Kontakte, zumindest in der Musikbranche. Die brauchen auch Stylisten."

Norths Stimme klang zuversichtlich. Es war ungewohnt, ihn so zu sehen, denn normalerweise war er damit beschäftigt mich aufzuziehen oder zu ärgern. Dass er so freundlich war, war sicher der Geburtstagsbonus.

Mom warf mir einen Blick zu, der so viel sagte wie Siehst du! und drehte sich schmunzelnd weg. Ich schloss die Zeitschrift. "Mal sehen.", murmelte ich bloß und sah auf die Uhr. Abby war in zwanzig Minuten hier. Natürlich war ich schon geschminkt. Ich trug ein schwarzes Kleid, Strümpfe und goldenen Schmuck und war mehr als ausgehbereit. Still legte ich den Kopf auf der Tischplatte ab.

Es war blöd an einem Oktobersonntag Geburtstag zu haben und am nächsten Tag in die Arbeit zu müssen. Wenigstens durfte ich bei Abby (also eigentlich bei Henry) schlafen. Ich würde einfach von seinem Haus aus mit dem Bus in die Stadt und in den Salon fahren. In meiner Tasche war bereits Arbeitskleidung und Zeug, das ich für die Nacht brauchte.

"Und trink nicht so viel. Du weißt, der Terminkalender ist voll."Mom lächelte sanft. Ich verdrehte die Augen und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

"Na klar Mom. Du weißt doch, ich feiere am nächsten Wochenende nach.", erwiderte ich leise und nahm die Tasche auf meine Schulter, weil ich Abbys Auto in der Einfahrt hörte. Ich hatte meine Schuhe bereits an.

Mom drückte mich, wünschte mir viel Spaß und North lächelte mir unbeholfen zu.

"Macht euch einen schönen Abend.", sagte er und sah mir in die Augen. Kurz dachte ich, er wüsste etwas. Doch er hatte Henry und mir mehr als deutlich klar gemacht, was passieren würde, wenn wir uns im Privaten wieder sehen würden. Ich lächelte leicht und verließ dann das Haus.

-•-

"Happy Birthday, mein Engel! Endlich müssen wir dich nicht mehr in die Clubs schmuggeln."

Abbys strahlendes Lächeln sah ich schon von weitem. Ich warf mich in ihre offenen Arme und drückte ihr einen schmatzenden Kuss auf die Wange.

"Na los, dein Loverboy wartet bestimmt schon auf dich.", scherzte sie dann, lauter, als mir lieb war. Ich grinste, aber warf ihr einen kurzen warnenden Blick zu.

Wir stiegen ins Auto und hörten auf dem Weg zum anderen Stadtrand laut unsere Lieblingslieder. Alles war wieder gut. Mir ging es gut. Es war schließlich auch nur ein weiterer Geburtstag. Naja, mein achtzehnter eben. Losgelöst von meinen Eltern und bereit für das Leben einer Erwachsenen.

Ich versuchte nicht weiter darüber nachzudenken, als Abby schließlich in Henrys Einfahrt stehen blieb und ich stutzte, als ich Ballons und helle Partylichter schon von außen erkennen konnte. Abby grinste mir bloß vielsagend zu.

Liquor On Your Lips | Sugardaddy 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt