Ich weiss nicht, wie du heißt

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Sicht: Christoph

Die Doku hat mich nur für kurze Zeit von meinem Problem abgelenkt. Wieder kommt mir die Frage, wer ich sein möchte, denn wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich nicht wohl, so wie ich im Moment bin. "Hey Christoph! Willst du auch Karten spielen?" zum ersten Mal bemerke ich, wie sehr ich meinen Namen doch hasse. Er hat mich schon immer gestört, habe das aber immer verdrängt. Seitdem ich mich mehr mit mir selbst beschäftige, merke ich das alles an mir nicht mag. "Christoph?" verdammt, ich muss antworten. "Ne, keine Lust" gebe ich trocken von mir und gehe auf die Toilette. Nach dem Pinkeln sehe ich mich im Spiegel an. Das bin nicht ich selbst, sondern ein Fremder. Jemand der nicht zu mir gehört. Jedes Mal, wenn ich mich sehe, fehlt ein Teil von mir und wenn ich mich höre, merke ich wie tief meine Stimme doch ist. Schon seit ich klein bin habe ich mich so gefühlt, konnte aber meine Gefühle in mir ertränken und habe mir eingeredet, dass das nur eine Phase ist. Seitdem ich aber bei Mein Teil ein Frau gespielt habe, wurden diese Gefühle extrem. Warum...konnte ich nicht...als eine Frau geboren sein?

...Warum?...

Eine Träne kullert mir die Wange herunter. Das kantige Gesicht mit dem Maskulinen Körper tut mir irgendwie weh. Warum sind denn meine Schultern so unmöglich breit? Meine Haare sind das Einzige, was ich an mir noch mag. Sie sind im Moment ein wenig länger, zwar noch nicht schulterlang, aber wenigstens nicht zu kurz. Ich muss etwas ausprobieren. Die anderen spielen gerade irgendwo Karten, somit kann ich mich unbemerkt zu Richard seinen Sachen schleichen. Als ich den Koffer öffne, bemerke ich wie ordentlich er alles im Koffer sortiert. Zögerlich greife ich nach seiner Zahnputztasche und öffne sie. Zu meinem Glück kann ich den Nagellack entdecken. Es gibt rot, weiss, Silber, schwarz und grau. Für was braucht er denn so viel Nagellack? Egal. Ich schnappe mir den Roten und begebe mich zurück zu dem Bad, wo ich meine Nägel versuche zu lackieren. Nach mehreren Nervenzusammenbrüchen und vielem Fluchen, habe ich es geschafft. Als ich das Ergebnis sehe, bin ich überglücklich. Mir kommen dabei fast Freudentränen. Das ist also das, was ich schon so lange wollte. Ich muss mehr machen, darf mich aber nicht erwischen lassen. Im Bus hole ich meinen Geldbeutel, um damit mir Zeug zum Schminken zu holen. "Wo willst du denn hin, Christoph?" mein Name, schon wieder. "Gehe nur etwas Einkaufen, bin bald wieder zurück." Ich lächle ich zu Till.

Im Laden stehe ich ratlos vor dem Regal. Was zur Hölle brauche ich denn alles und wie geht das denn überhaupt? Ich frage eine Angestellte, die kennt sich sicher aus. "Entschuldigen sie? Meine..ehhm...Freundin meinte ich sollte...Dings...Schminke holen..." zögerlich sehe ich sie an. "Ja, ich helfe ihnen gerne" freundlich lächelt sie mich an und zeigt mir ein paar Sahen. Aufmerksam höre ich ihr zu und versuche, so viel wie möglich zu lernen. Mit allem im Gepäck zahle ich an der Kasse und schlappe die Tasche zurück. "Hey, wir gehen schwimmen, kommst du mit?" "Nein" Jackpot, jetzt bin ich sogar noch alleine. Die anderen gehen gerade gemeinsam zu dem See und ich laufe in aller Ruhe mit meinen Sachen in das Badezimmer. "Ganz ruhig, das wird schon." beruhige ich mich und packe alles einmal aus. Ich setze mich auf den Boden und beginne damit, mich zu informieren.

Eine Halbestunde ist schon vergangen und ich weiss langsam, was ich tun muss. Wie soll ich denn anfangen? Vielleicht den Lippenstift und danach mal Lied schatten? Jap, so mache ich das. Mit dem Lippenstift fange ich vorsichtig an. Der rote Lippenstift ziert meine Lippen und ich muss vor Freude lachen. Das ist mein wahres ich und das ist erst der Anfang von etwas Großem. Ich will weiter machen als die Tür aufgeht. Fuck, was mache ich den jetzt. Wegdrehen? Rausrennen? Für die Wahrheit stehen? Ich entscheide mich für das Wegdrehen. "Christoph? Was machst du? Warum steht hier Schminke?" es ist Pauls Stimme, die durch den Raum hallt. Leise betrachte ich die weissen Kacheln an der Wand. Was soll ich denn machen? "Alles gut bei dir?" mein Puls erhöht sich immer weiter und mein Herz springt bald aus meiner Brust. "J-Ja?" verdamm! Ich klinge so verunsichert, wie ich es sonst nie tue! "Dreh dich doch um...bitte" Das werde ich bestimmt nicht tun. Stur sehe ich die Wand weiterhin an. "Ich werde hierbleiben, komme was wolle. Auch werde ich dir versprechen, nicht böse zu sein." seine Worte sind sanft und ermutigend. Mit gesenktem Kopf drehe ich mich in seien Richtung. Er berührt mein Kinn mit seiner Hand und hebt meinen Kopf. Ich bin gezwungen in seine Augen zu sehen. In Pauls Ausdruck liegt kurz Überraschung, doch er lächelt liebevoll. "Du bist Wunderschön" seine Wörter treffen mich wie ein Schlag. "W-Was?" hake ich nach. "Du bist wunderschön, habe ich gesagt" seine Stimme ist kräftig und entschlossen. "Treffen wir uns nachher im Bus und reden ein wenig, wenn du das Okay findest? Dann kannst du alles rauslassen, Ja?" ich nicke zögerlich. Paul verschwindet nach draussen und ich blicke in den Spiegel. Schnell schminke ich ab, denn das Risiko, das mich jemand sieht, ist zu hoch. Alles noch einpacken und los geht es.

"Wieso ist deine Schminke Weg?" fragt er mich besorgt. "Die anderen sollten mich nicht so sehen, du eigentlich auch nicht." er streicht mit gutmütig über die Schulter. Gemeinsam lassen wir uns auf meinem Bett nieder. Darüber zu reden wird anstrengen, somit nehme ich mein Plüschtier unter dem Kissen hervor. Es ist mir zwar unangenehm, aber ich brauche meinen kleinen Eisbären jetzt. "Der ist niedlich. Wie heißt er?" "Polari, wegen Polarbär. Hab ihn als Kind mal so getauft." ich kichere kurz und warte bis Paul mit mir spricht. "Sorry wenn das jetzt zu schnell geht, aber möchtest ...ehmm...kein Mann mehr sein?" ich nicke. "Ich fühle mich als Mann nicht wohl, seit ich ein Kind bin, konnte diese Emotion aber vergraben, bis zum Dreh von Mein Teil. Seitdem sehe ich einen Fremden in meiner Reflexion und es fehlt immer etwas an mir. Ich fühle mich auch nicht glücklich, wenn ich mich erblick, genauso mag ich meine Stimme nicht. Sie ist zu tief. Das Schlimmste ist aber mein Name. Jedes Mal, wenn ihn jemand benutzt, ist das wie ein Schlag in die Magengrube oder auch eine Beleidigung. Heute habe ich zum ersten Mal die Nägel lackiert und schminke benutzt. Es gefällt mir..." verzweifelt streichle ich den Eisbären in meinen Händen. "Hast du schon einen anderen Namen?" ich schüttle den Kopf. "Soll ich die fürs erste nur bei deinen Spitznamen nennen? Nur wenn du dich wohlfühlst!" "Bitte, mach das." flüstere ich. Paul schließt seine Arme um mich und ich beginne zu weinen. Noch nie habe ich so offen darüber gesprochen oder es je gezeigt. Ich bin so froh, dass mich Paul erwischt hat. "Alles wird gut...ich bleibe bei dir. Wenn du mal Hilfe beim Schminken brauchst, kann ich dir gerne versuchen zu helfen." "D-Danke, Paul" ich drücke ihn fester an mich und weine in seine Schulter. Seine Umarmung gibt mir Sicherheit und einen Gewissen Halt.

Nach einiger Zeit lösen wir uns wieder und Paul macht mir etwas zu Essen. "Kleine frage noch. Auf welches Geschlecht stehst du dann?" "Bin mir selber nicht sicher. Fürs erste Mal Bi, solange ich es nicht weiss." er lächelt mir zu. "Essen fertig! Das Spiegelei ist zwar ein wenig angebrannt, sollte aber noch genießbar sein." Verlegen kratz er an seinem Hinterkopf und ich lasse mich auf die Bank nieder. "Danke" nuschle ich und beginne zu Essen. "Immer Gerne Chrisi" bei dem Namen wird mir warm ums Herz. Es ist schöner als Christoph, viel schöner. Erschöpft mache ich mich direkt Bettfertig und gehe Zähne putzen. Danach lege ich mich direkt in mein Bett und kuschle mit Polari. "Gute Nacht Paul" "Oh, du gehst schon schlafen? Na dann. Gute Nacht, süsse" Ich schlafe mit einem Lächeln auf meinen Lippen ein. Dieser Tag wird ewig in meinen Erinnerungen schlummern.

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1318 Wörter :D

Habt noch nen fabelhaften Tag/Abend, Tschüssi :P

Will dich lieben und verdammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt