Ich blute🩸

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Seine Finger brennen, stechen und schmerzen.
Er pausiert geschwind in seinen Bewegungen, schüttelt die Hände kräftig durch und spürt, wie sich das angestaute Blut in seinen Fingerkuppen wieder regelmäßig auf der Handoberfläche verteilt.

Seit einer halben Ewigkeit massiert er hingebungsvoll ihre blassweiße von Dämonen geküsste Haut.

Doch was ist schon eine halbe Ewigkeit?

Seit jenem Tag, ist die Ewigkeit doch bloß ein schlechter Scherz, selbst für ihn, der von Hyperbeln viel hält und seine Emotionen nur allzu gern ins Unermessliche ausdehnt.

Trotz allem streikt sein Körper.
Ist der Erschöpfung unweigerlich ergeben.

Liegt es an den letzten Stunden, in denen er sie liebte. Mit Seele und Gedanken, aber doch vor allem mit seinem Körper und allem dass er hat? Ihr bieten kann? Es ist nicht viel, gewiss, doch es ist etwas und etwas ist für manch' einen genug.

Ob es auch genug für seine Madame ist?

Ob ihr je etwas genug sein wird?

Wieder erwischt er sich dabei, wie seine Gedanken abschweifen. Er muss bei der Sache bleiben, es steht zu viel auf dem Spiel.

Madame sieht noch immer in den verfluchten Spiegel, nicht bedacht auf ein Aufeinandertreffen mit seinen braunen, weichen Augen.

„Meine Schöne, ist alles in Ordnung?" Haucht er ihr entgegen, in der Hoffnung es würde sie nicht in ihrer Ruhe stören.

„Lass es." Ordnet sie mit einem befehlerischen Unterton an. Pudert sich erneut die Nase, setzt die Wimperntusche an und schwingt gekonnte Wellen.

„Meine Blume, meine Orchidee. Was ist denn los mit Ihnen?" Versucht der arme Schlucker die Situation zu besänftigen. Lernt er denn nie aus? Manch einer könnte über ihn lachen. Welch ein Narr, der sich von Gefühlen leiten lässt, nicht wahr?

„Lass es, hörst du?" Wiederholt sie sich.

„Ich lasse es nicht. Nicht, nach allem was passiert ist. Ich....", ihm entfallen die Worte.

„VERSCHWINDE. SOFORT." Kleine Adern des Zornes sprießen aus ihrer Stirn. Plötzlich stützt sie sich hilfesuchend und nach Atem ringend auf der Kommode ab. Ihre Finger krallen sich in das rissige dunkle Ebenholz.

„Was ist mit Ihnen? Brauchen Sie etwas?" Er blickt von rechts nach links, weiß schon wieder nicht, wohin mit sich.

„Ja, Ruhe. Geh oder ich...", sie stößt heftig Luft aus und erhebt sich vom Hocker.

„Was werden Sie tun, wenn ich nicht gehe?"
Der junge Kerl scheint vergessen zu haben, in welch' unterwürfigen Rolle er zu spielen hat.

Denkt, er könne sich Frechheiten erlauben,
riskante Fragen an eine noch riskantere Frau stellen.

Dass sie an ihre Grenzen kommt, war von einer Dame wie Madame Dubois ganz und gar nicht zu erwarten und doch tritt dieser Fall nun ein.

Der Bube gibt nicht auf, irgendwas scheint er in ihr zu sehen.

Nicht zu sehen, vielmehr zu übersehen.
Ignoriert er einfach, dass sie gänzlich und bis in die tiefsten Ecken ihrer verdorbenen Seele unmenschlich und abnormal ist?

Interessiert es ihn immer noch nicht, dass sie innerlich sowie äußerlich leer und kalt ist?

Was ist es, dass ihn bei ihr hält?
Er scheint nicht zu realisieren, dass er mit seinem Bleiben noch weit aus mehr Leiden erzeugt.

„Jungchen....", sie seufzt, steht ihm nun genau gegenüber. Nicht, wie zwei Flussufer, zwischen denen ein ganzer Strom fließen kann, sondern so nah, dass kaum noch Platz für ihrer beider Atem bleibt.

Die ComtesseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt