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Paddy parkte galant auf dem Hof von Joey. Er drehte den Zündschlüssel und der Motor verstummte. Hannah blieb angespannt sitzen und starrte aus dem Fenster. „Bereit für den großen Kellyansturm?" Sie schluckte schwer. Seit Weihnachten waren Paddy und Hannah wieder unzertrennlich und verbrachten jede Minute zu zweit. Natürlich wusste Maite bereits alles und war, was Paddy und Hannah betraf, auf dem neuesten Stand. Dennoch war Hannah unbehaglich zu mute. Sie schämte sich dafür, dass sie nicht schon viel eher auf ihr Herz gehört hatte und mit Leon eine Verlobung eingegangen ist, die jedoch scheiterte. Je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr wurde ihr bewusst, wie dumm sie doch gewesen ist. Wenn sie selbst schon so dachte, was würden dann die anderen von ihr halten? Zögernd nickte Hannah. „Ehrlich gesagt, nicht wirklich. Ich fühle mich immer noch irgendwie schlecht. Es ist so, als ob du die größte Bitch, die dir nur Leid zugefügt hat, mit nach Hause bringst und deiner Familie vorstellen willst." Paddy fing an zu lachen. Er wusste, dass Hannah sich immer noch für ihre vermeidlichen Fehltaten schämte. „Du bist so ein Dummerchen. Selbst, wenn dich meine Familie nicht kennen würde, sie würde dich lieben. Mach dir nicht so einen Kopf. Wir haben uns beide nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Wen interessiert es denn schon, was vorher war? Zählt denn jetzt nicht, dass wir wieder zu uns gefunden haben? Sollen die anderen doch denken was sie wollen." Paddy stieg aus und öffnete Hannah die Autotür, reichte ihr die Hand und zog sie direkt in seine Arme. „Müssen wir wirklich da rein?", nuschelte Hannah gegen Paddys Brust, „Wir könnten doch auch gleich weiter nach München fahren." „Bist du denn verrückt geworden? Die nehmen es uns eh schon übel, dass wir gestern nicht bei der Silvesterfeier aufgetaucht sind. Wenn wir jetzt einfach ohne auf Wiedersehen zu sagen abhauen, dann killen die uns erst recht...und werden dich hassen.", neckte Paddy Hannah, der von ihr gleich einen Knuff auf die Schulter bekam. „Du wolltest dich doch nicht von dem Sofa trennen." „Wie bitte? Wer lag denn da im Schlafanzug, vollgestopft mit Pizza und Eis auf dem Sofa und ist vor Mitternacht eingeschlafen?" „Ja und wer hat mich nicht geweckt?" erwiderte Hannah. Paddy seufzte. „Du sahst so glücklich und zufrieden aus. Da..." „Jaaaa?", fragte Hannah herausfordernd. Paddy reichte ihr die Hand und sie schlenderten langsam zur Eingangstür. „Da konnte ich dich nicht wecken und hab dich stattdessen beobachtet." Er zog sie wieder an seine Seite und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Na sieh mal einer an. Happy New Year!", begrüßte Joey Hannah und Paddy. "Wer hätte das gedacht, dass ich euch beide nochmal so zusammen erleben darf." Hannah lächelte Verlegen und merkte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Sie fühlte sich tatsächlich in die Vergangenheit zurückversetzt, als sie das erste Mal mit Paddy als Paar auftrat und den Witzen von Jimmy und Joey ausgesetzt war. Paddy hingegen blieb gelassen und klopfte Joey zur Begrüßung auf die Schulter. Gemeinsam gingen sie zu den anderen ins große Wohnzimmer. „No way. Are you serious?", sagte Angelo fassungslos, als er Paddy und Hannah Hand in Hand sah. Hannah wurde immer unbehaglicher zumute und versuchte sich hinter Paddy zu verstecken. Maite, die ein wenig abseits saß, fing laut an zu jubeln und zu klatschen. „Endlich! Das wurde auch wirklich Zeit." Sie ging freudig auf Paddy und Hannah zu und umarmte beide liebevoll. „Maite, wirklich. Musst du uns so in den Mittelpunkt stellen?", flüsterte Hannah Maite zu, während sie sie umarmte. „Da müsst ihr jetzt durch. Drama könnt ihr beide doch besonders gut." Maite grinste breit. Sie erhob ihr Glas. „Auf die zwei liebevollsten Dummköpfe, die ich kenne. Ich bin froh, dass ihr endlich wieder zueinander gefunden habt. Frohes neues Jahr. Ich habe euch lieb." „Oh man, Maite.", erwiderte Hannah. Ihr Gesicht brannte. Die anderen beobachteten das Szenario und lachten. Beschämt gesellte sie sich zu Angelo und Kira. Paddy tat es ihr gleich und wich nicht von Hannahs Seite. „Wirklich, ich freue mich riesig für euch.", sagte Kira ruhig und lächelte Hannah zu, die gleich wieder ein wenig Mut fasste. „Los, erzähl, wie kam das zu dieser Wendung?", fragte Angelo neugierig. Kira drückte Angelos Oberschenkel. „Das ist doch nicht so wichtig." „Aber ich will das wissen.", erwiderte Angelo empört. Paddy lachte. „Manchmal braucht es einfach ein bisschen, bis einem klar wird, was man will und was einem fehlt." Er schaute Hannah verliebt von der Seite an und legte ihr den Arm und die Schulter. „Reicht das nicht als Begründung?" Angelo wollte gerade ansetzen zu protestieren, doch wieder war es Kira, die intervenierte. „Wir freuen uns wirklich sehr für euch, dass ihr wieder zusammen gefunden habt." Sie tätschelte Hannah liebevoll die Schulter, ehe sie aufstand. „Come on, Paddy. Erzähl schon.", versuchte es Angelo nochmals, doch Paddy ignorierte seinen kleinen Bruder. „Werd erwachsen, dumbass."

Je mehr Zeit verging, desto mehr entspannte sich auch Hannah und konnte nach und nach sie selbst sein; die, die  mit Joey ihre Späße machen konnte, mit Kira und Maite zusammen saß und von ihren Plänen erzählte, schlagfertige Antworten gab und öffentlich zeigte, wie sehr sie sich zu Paddy hingezogen fühlte.

Am späten Nachmittag verabschiedeten sich von allen. Maite war besonders wehmütig. „Ihr kommt uns aber bald wieder besuchen, ja? Könnt ihr hier nicht in der Nähe bleiben?" Hannah drückte ihre Freundin an sich. „Du weißt, dass das nicht so einfach ist. Ich muss mir vermutlich erstmal eine Standpauke von meinem Chef anhören, warum ich nicht im Flieger nach Äthiopien sitze." „Ja, ja. Ich weiß. Meldet euch trotzdem und du, Paddy, pass mir gut auf Hannah auf. „Wenn, dann ist es umgekehrt. Ich passe auf ihn auf." Frech grinste Hannah Paddy an, der keine Antwort parat hatte und verabschiedete sich ebenfalls von seiner Schwester.

„Und war doch gar nicht so schlimm, oder?", fragte Paddy, als er mit Hannah im Auto saß und Richtung München fuhr. Hannah schüttelte den Kopf. „Nein, so schlimm war es nicht, aber ich bin auch froh, dass wir das jetzt hinter uns haben und wir wieder für uns sind." Paddy streichelte ihren Oberschenkel und lächelte, musste sich jedoch wieder auf die Fahrbahn konzentrieren. Hannah versuchte etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Es war jedoch bereits so dunkel, dass sie nur noch ihr Spiegelbild erahnen konnte. Sie driftete in ihre Gedanken ab und freute sich, dass doch noch alles eine gute Wendung nahm, auch wenn ein unangenehmes Gespräch mit ihrem Chef bevorstand, war sie sich sicher, dass sich das alles lohnte. „Du Paddy sag mal, woher wusstest du eigentlich, dass ich bei Basti auf dem Friedhof war?", fragte Hannah aus heiterem Himmel, als sie daran dachte, wie Paddy, am 2. Weihnachtstag, aus dem nichts bei ihr am Grab aufgetaucht war. „Intuition. Ich war erst bei deiner Mutter und da das Auto nicht da war und bei deiner Tante auch kein Licht war, dachte ich, vielleicht seid ihr dort. Als ich am Friedhof angekommen bin, kam mir deine Familie schon entgegen." „Was? Wirklich? Das hat meine Mutter gar nicht erzählt.", sagte Hannah erstaunt. Paddy suchte Hannahs Hand in der Dunkelheit. „Was haben sie denn zu dir gesagt?" „Ich glaube, sie waren ziemlich erleichtert und haben mir gleich gesagt, wo ich dich finde. Vor allem deine Tante war ganz entzückt." Hannah drückte Paddys Hand. „Ich glaube, ich war auch nicht am besten gelaunt so vor Weihnachten." „Na frag mich mal." Sie lehnte sich zu Paddy rüber und gab ihm einen Kuss auf die Wange und seufzte zufrieden. Dabei schaute sie aus dem Fenster, ehe sie die Müdigkeit übermannte und während der Fahrt nach München langsam wegdöste.

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