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Nachdem Hannah mit Emil telefoniert hatte, ging es ihr ein wenig besser. Sie war froh, dass Emil immer die richtigen Worte zum richtigen Zeitpunkt fand und sie auf den Boden der Tatsachen zurückholen konnte. Doch war es wirklich wie Emil sagte? Arbeiten war für Hannah immer ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebens. Sie war schon immer sehr engagiert und tat immer mehr für ihren Job, als von ihr verlangt wurde. Mit ihrer Arbeit kompensierte Hannah schon immer ihre alltäglichen Probleme; hatte sie Stress mit ihrer Mutter oder einem Freund, setzte sie sich an ihre Analysen und wenn ihr die Decke im Urlaub auf den Kopf fiel, rief sie im Büro an und erkundigte sich wie es dort lief. Während Maite oder Sandra mit ihrem Nachwuchs beschäftigt war, war sie es, die geschäftlich unterwegs war.

Wie automatisch lief Hannah nach Hause, öffnete ihre Wohnungstür und saß schließlich in ihrer Küche mit einer Tasse Tee. Im Nachhinein wusste sie nicht wie sie dorthin gelangt war, aber es war auch nicht wichtig. Paddy hinterließ ihr eine Nachricht, dass er unterwegs sei und später noch in seiner Wohnung fahren, er aber die ganze Zeit erreichbar sein würde. Gedankenverloren drehte Hannah den Zettel, auf dem Paddy seine Notiz hinterließ, in ihrer Hand, bis sie bemerkte, wie still es eigentlich in ihrer Wohnung war. Sie hörte nur das Ticken ihrer Küchenuhr. Langsam ließ sie ihren Blick über ihr Hab und Gut schweifen, bis sie die Stille für so nerv tötend empfand, dass sie das Radio einschaltete. Der erste Schock war mehr oder weniger überwunden, so dass Hannah in der Lage war Paddy von ihrem Gespräch mit Herrn Schubert zu erzählen. Geduldig wartete sie ab, bis Paddy ans Handy ging, während im Hintergrund leise das Radio vor sich hin dudelte.

„Hey Marmot, what's up? Wie ist es gelaufen?", fragte Paddy gleich, als er sah, dass Hannah anrief. Paddys Stimme war so warm und herzlich. Er wirkte so ehrlich interessiert, dass es Hannah ein leises Lächeln ins Gesicht zauberte. „Hey. Ja, das Gespräch war nicht so berauschend.", sie stockte und ein fetter Kloß bildete sich in ihrem Hals, als sie versuchte Paddy die Neuigkeiten zu erzählen. Paddy spürte, dass etwas nicht stimmte. „Oh je, war es so schlimm?" Hannah nickte stumm, ehe sie schluckte und tief Luft holte. „Ich wurde gefeuert." „What? Hell, no. Das können die nicht machen. Was ist mit Äthiopien?" Hannah erzählte Paddy wie das Gespräch ablief und auch, dass sie ab sofort auch nicht mehr mit ihm zusammen die Vernissage planen würde. „Hannah, das geht nicht. Wir sind schon so weit damit gekommen. Das ist doch quasi schon fast beendet. Wieso soll sich da jetzt jemand neues einarbeiten? Nein, ich weigere mich da mit jemand anderen zusammen zu arbeiten. Das mache ich nicht. Wie kommen die dazu? Du bist die beste für diesen Job." Hannah war von Paddys Reaktion gerührt, sah es mit ein wenig Abstand zu dem Gespräch jedoch ein wenig realistischer. „Paddy, es ist schon ok. Meine Nachfolgerin wird das auch gut machen. Da bin ich mir ziemlich sicher. Herr Schubert sieht es eben nicht gerne, wenn sich Privates mit dem Geschäftlichen vermischt." Am anderen Ende der Leitung wurde es still. „Heißt das, ich bin Schuld, dass du deinen Job verloren hast?", fragte Paddy leise. „Nein, Paddy. Komm schon. So darfst du nicht denken, ok?" „Aber es stimmt?" Seine Stimme wirkte traurig. „Ja...ich meine...nein. In erster Linie hab ich es verbockt, weil ich nicht nach Äthiopien geflogen bin." „Das ist doch einfach scheiße." „Pff, ja wem sagst du das?" Ungewollt kamen Hannah wieder die Tränen. Sie unterdrückte ein Schluchzen. „Oh Hannah, don't cry. Es tut mir so leid. Soll ich vorbei kommen? Ich muss hier nur noch...." Hannah unterbrach Paddy. „Ach quatsch." „Ist das wirklich in Ordnung?", fragte Paddy nachdenklich. „Ja klar. Mach dir keine Sorgen. Ich muss mich erstmal wieder sammeln und klar werden. ", und noch bevor Paddy etwas erwidern konnte fügte sie noch hinzu: „Und ja ich weiß, dass ich mich immer bei dir melden kann und du sofort vorbei kommen würdest. Jetzt mach du mal deinen Kram weiter." „Ich mache mir halt nur Sorgen.", protestierte Paddy leicht, konnte es sich jedoch nicht verkneifen ihr Gesagtes zu wiederholen.

Hannah versuchte das Beste aus der Situation zu machen und tat das, was sie immer tat, wenn sie sich ablenken musste. Sie ordnete ihre restlichen Unterlagen von der Arbeits machte Notizen für ihre Nachfolgerin und schrieb selbst eine Liste, was noch getan werden musste. Für einen kurzen Moment kam sich Hannah tierisch dumm vor. Warum hing sie sich noch weiter in diesem Job hinein, in dem sie doch nicht mehr gebraucht wurde? Kurzerhand riss sie von einigen Stapeln die Post-its mit ihren Anmerkungen ab, um sie im nächsten Moment doch wieder zu Entknittern und fein säuberlich wieder an ihren Platz zurück klebte. Als das schließlich erledigt war, packte sie alles ordentlich in einen Karton und beschloss diesen noch amselben Tag an der Pforte des Bürogebäudes abzugeben. Das befriedigende Gefühl der getanen Arbeit machte sich in Hannah breit, als sie wieder zu Hause ankam. Doch je mehr ihr bewusst wurde, dass sie ihre Arbeit komplett abgeschlossen hatte und es nichts mehr zutun gab, ließ das Gefühl der Genugtuung schnell wieder verblassen. Hannah saß auf dem Sofa, wusste nichts mit sich anzufangen. Eine leichte Panik kam in ihr auf und alle Bedenken und Ängste, die sie bei Emil äußerte, übermannten sie. In ihrer Wohnung fühlte sie sich wie in einem Käfig. Sie hatte Angst, dass die Wände immer näher kamen und sie zerdrücken würden. Sie hielt es keine Minute mehr aus. Kurzerhand schnappte sie sich ihr Handy. „Hi. Ich halte es hier nicht mehr aus. Ich hab das Gefühl hier erdrückt mich alles. Bist du zu Hause? Kann ich vorbei kommen?", fragte Hannah hoffnungsvoll und war erleichtert, als Paddy zu Hause war. In Windeseile hatte Hannah ihre Sachen gepackt und fuhr ohne Umwege zu Paddy, der sie bereits erwartete. Als sie ihn sah, wurde sie von ihren Gefühlen übermannt und fing an zu weinen. Paddy nahm sie liebevoll in die Arme und wog sie hin und her, um sie zu trösten. „Shhh...alles wird gut. Lass es ruhig aus."

Nach einiger Zeit hatte sich Hannah beruhigt und saß bei Paddy vor dem Sofa. Sie lächelte, als sie ihre gemeinsamen Bilder auf der Anrichte stehen sah und fühlte sich wohler als in ihrer eigenen Wohnung. Paddy reichte ihr etwas zu trinken und setzte sich zu ihr auf den Boden. „Du musst mich für völlig bekloppt halten, weil ich wegen eines Jobs so durchdrehe." Doch Paddy schüttelte den Kopf. „Wo denkst du hin? Ich kann dich sogar sehr gut verstehen. Du bist nicht die erste die etwas verliert, das dir viel bedeutet. Was meinst du, wie es für mich war, mit der Musik aufzuhören und nicht mehr mit der Familie auf der Bühne zu stehen. OK gut, es war sozusagen eine freiwillige Entscheidung von mir, aber wegen meiner Gesundheit irgendwie auch nicht..." „Psst!", sagte Hannah und legte ihren Finger sachte auf Paddys Lippen. „Danke." Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter. „Wir sind noch nicht mal eine Woche hier in München und ich habe schon wieder die Schnauze voll von dieser Stadt." „Dann lass uns wegfahren.", erwiderte Paddy sorgenlos. „Das geht doch nicht." „Wieso nicht? Was hält dich denn gerade hier?" Hannah runzelte die Stirn. „Hast du nicht noch einige Dinge hier zu erledigen?" Paddy zuckte mit den Schultern. „Nichts, dass nicht auch noch ein paar Tage warten könnte. Also was sagst du?" Wieder runzelte Hannah ihre Stirn. „Ich weiß nicht..." Paddy grinste jedoch breit. „Du hast doch nichts zu verlieren. Du hast gerade keine Verpflichtungen und bist frei. Lass einfach mal los. Lass mich kurz ein paar Anrufe machen. Vertrau mir." „Ehm...ok...." Kaum, dass Hannah ihr ok gegeben hatte, sprang Paddy auf, zückte sein Handy und war bereits am Telefonieren, klappte seinen Laptop auf und fing an wie wild auf der Tastatur herum zu tippen. Gebannt schaute Hannah Paddy zu und versuchte ansatzweise schlau aus seinem kryptischen Gespräch zu werden. „Got it.", sagte Paddy schließlich und klappte seinen Laptop zu. „Zeit zum Packen. Heute Nacht geht's los." „Wie jetzt?", fragte Hannah verblüfft. Paddy rollte mit den Augen. „Vertraust du mir?" „Ja, aber..." Paddy unterbrach sie. „Dann lass uns jetzt die Koffer packen. Wir müssen uns beeilen und du brauchst ja sicherlich auch noch ein paar Sachen aus deiner Wohnung." „Aber...", setzte Hannah an, „das...wohin willst du denn überhaupt?" Paddy ging mit großen Schritten auf Hannah zu und grinste breit, ehe er sie eilig küsste. „Wir fahren dorthin, wo alles angefangen hat. Lass dich überraschen."





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Und wohin soll die Reise gehen? Wer weiß es? :)

Es hat ein wenig gedauert. Ich war in letzter Zeit ziemlich unkreativ und hoffe, dass sich das jetzt wieder ändert ...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 08 ⏰

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