10. Brief

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Liebste Lucy.

Du ahnst nicht, wie unglaublich ich mich freute, als Dein Brief endlich seinen Weg in meinem Briefkasten gefunden hatte. Ein kleiner, unschuldiger weißer Umschlag, welcher kaum ein paar Gramm wog und mir doch mehr bedeutete als alles Geld dieser Welt.

Ich verstehe Deine Gründe und freue mich so sehr für Dich, so dass ich Dir keine Vorwürfe machen möchte. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mir schon Sorgen um Dich gemacht habe und dass mir beim Anblick des Briefes ein gewaltiger Stein vom Herzen fiel!

Beim Lesen von Deinen Zeilen über Leonardo schien in meinem Herzen die Sonne aufzugehen. Du ahnst nicht, wie sehr ich mich über diesen Ansatz von Liebe freue, die nun Dein Leben erleuchtet. Sie ist genau das, was Du verdienst.

Denn bist Du nicht ebenso eine Künstlerin wie Leonardo? Ich stelle mir Euch beide perfekt zusammen vor, ein wunderschönes und strahlendes Paar. Während Du im Mondschein auf der Wiese sitzt und leise Cello spielst, sitzt er Dir gegenüber und fängt Deinen wundervollen Anblick mit leuchtenden Farben ein.

Du wirst jetzt sagen, das sei hoffnungslos unrealistisch. Doch wie gesagt, der Glauben an das Gute im Leben kommt langsam zurück. Ich spüre den Optimismus leise an mein Herz anklopfen und vielleicht werde ich ihn hereinlassen.
(Wenn es doch so einfach wäre.)

Euch wünsche ich jedenfalls alles Glück der Welt und Dir, dass Du glücklich wirst, bleibst oder bist.

Nun, mir geht es... gut? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Meine Stimmungen schwanken, alles scheint so trostlos.
Ja, mein Optimismus kehrt langsam zurück. Doch wirklich nur langsam und ich bin mir nicht sicher, was ich tun soll. Ich versuche zu akzeptieren und doch wehrt sich etwas in mir dagegen.

Deine Briefe sind wie Mondstrahlen, in dieser teilweise so finstren Nacht, die ich mein Leben nenne.
Vollmondstrahlen. Die Strahlen des gleichen Mondes, den wir beide bei Nacht sehen, erinnerst Du Dich?

Ich und eine Poetin? Nun, ich weiß ja nicht. Aber danke für Dein Vertrauen! Worte sind meine Waffe in dieser Welt. Sie beschützen, bringen zum Lächeln - oder verletzen. Wunderdinge, ich sagte es bereits. Dass ich eine Poetin bin, glaube ich nicht, doch ich wage zu behaupten, ganz gut mit ihnen umgehen zu können. Und Du ja ebenso!

Danke für Deine Worte, liebste Lucy. Sie geben mir so viel Mut und die Zuversicht, dass es sich doch noch für etwas zu kämpfen lohnt.

Worte, gemacht aus Mondschein, in meinen Ohren wie Musik. Diese Worte fließen aus Deiner Feder direkt in mein Herz und erleuchten es auf wunderbare Weise mit einem Licht, welches zwar nicht warm, aber so heilsam ist. Ein bisschen Tinte vermag es, mein Herz zu heilen. Ist das nicht wundervoll?

Oh, nicht einmal Worte können die Dankbarkeit ausdrücken, die ich für das Schicksal verspüre, wenn ich daran denke, dass es uns zusammengebracht hat.

Wenn ich die Augen schließe, taucht das Bild der kleinen regentanzenden Lucy in meinem Kopf auf. Seltsamerweise ist sie viel häufiger da als die erwachsene Lucy.

Vielleicht, weil ich dein Herz sehe. Und ich bin mir sicher, in deinem Herzen existiert immer noch das kleine Mädchen, welches schreiend durch den Wald rennt.

Er ist so kostbar, dieser Geist der Kindheit. Ich spüre ihn immer noch, wenn ich mir einmal mehr wünsche, einfach hinauszurennen und erst zum Abendessen wieder heim zu kommen. Doch ich spüre ihn auch schwinden. Durch all die Ereignisse die geschehen und durch die Erkenntnis, wie töricht kindlicher Optimismus doch sein kann.

Ich versuche so sehr, an Deine Ausführungen zu glauben. Du musst Recht haben. Und es wird klappen. Bitte.

Ich hoffe sehr, dass ich in der Ehe ebenso gute Erfahrungen wie Du machen werde. Das klingt jetzt egoistisch, doch das Schicksal hat uns schon einmal geholfen. Warum also nicht mit meinem zukünftigen Gemahl? Ich bete jede Nacht zu meinem Mond.

Es ist nicht mehr lange bis zur Hochzeit und ich bekomme zusehends Angst. Schließe mich in meinem Zimmer ein.
Ich habe beinahe das Gefühl, vergessen zu haben, wie ein Cello klingt. Kannst Du das glauben? Ich möchte so gerne mal wieder eines in die Hand nehmen. Meinetwegen nur das. Einmal über die Saiten streichen und mich an mein Zuhause an Klängen erinnern, welches meine Eltern mir wegnahmen.

Am schönsten stelle ich mir allerdings vor, mit Dir zu spielen. Die Klänge unserer Celli würden sich vermischen und die Töne wie eine große Säule aus Mondlicht, Wörtern, Regen und voller Gefühle in den Nachthimmel steigen. Das wäre so schön!

Ich bin wirklich, wirklich dankbar, dass es Dich gibt und ich hoffe, ich kann Dir wenigstens einen Bruchteil von dem zurückgeben, was Du mir gibst.

Ganz viel Liebe.

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1001 Briefe - 150-FollowerspecialWo Geschichten leben. Entdecke jetzt